30.07.2012 Bundesrepuflick
Deutschland Der
alte Geier war tot. Da erhob sich der junge, krallte sich das Land, um
die Brut des Bruders aus dem Nest zu werfen. Man nannte es fortan
Landschaftspflege (Teil II und Schluß) Von
Otto Köhler Das ist nun fast drei Jahrzehnte
her – eine uralte Geschichte, aber belehrend für
alle, die noch wissen wollen, was die Bonner Republik zusammenhielt.
Damals, 1984, legte Joachim Albrecht Eberhard Kurt Konrad Ferdinand aus
dem alten schlesischen Adelsgeschlecht derer von Brauchitsch als
einstiger langjähriger Generalbevollmächtigter des
Flick-Konzerns Zeugnis ab vor dem gleichnamigen
Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages. Seit 1965
hatte Eberhard von Brauchitsch dem Hause Flick als persönlich
haftender geschäftsführender Gesellschafter gedient.
Ob es wirklich Streit war, weshalb er 1971 das Haus verließ
und als Generalbevollmächtiger zu Springer ging,
darüber gibt es allerlei Meinungen. Es kann auch eine
vertrauensbildende Maßnahme gewesen sein. Denn zu den Panzern
(Krauss-Maffei), dem Pulver (Dynamit Nobel) und dem unbedruckten Papier
(Feldmühle) des Flick-Konzerns hätte eine Pressemacht
gepaßt, der es auf einen Krieg für eine gute Sache
nicht ankommt. Und merkwürdig: Als Brauchitsch nach zwei
Jahren aus dem Springer-Hochhaus in die Flick-Zentrale
zurückkehrte, da war sein Chefbüro noch so
unangetastet, als hätte er es nie verlassen. Aus
dem Grab hatte der am 20. Juli 1972 verstorbene Friedrich Flick per
Testament den Vertrauten Brauchitsch zurückgerufen, weil er
– so will es wieder die Legende – seinem Sohn
Friedrich Karl nicht über den Weg traute. Richtig war,
daß das Testament den beiden Enkeln Mick (Friedrich
Christian) und Muck (Gert Rudolf) eine Vorzugsposition im Konzern
einräumte, die ihren Onkel Friedrich Karl kränkte. Er
trachtete danach, die fremde Brut – der Vater der beiden,
sein Bruder Otto-Ernst, war verstoßen – aus dem
Nest zu werfen. Brauchitsch, vom toten Alten als
Schutzengel der Enkel berufen, schlug sich schnell auf die Seite seines
Jugendfreunds Friedrich Karl. Der Rückberufene leistete
saubere Arbeit, um – auf Steuerzahlerkosten – die
Flick-Enkel aus dem Konzern zu entfernen. Er sorgte für einen
Teilverkauf von Flicks Mercedes-Aktien zum überhöhten
Preis von zwei Milliarden an die Deutsche Bank. Sein Duzfreund Hans
Friderichs, der damalige Wirtschaftsminister (FPD), und
spätere Dresdner-Bank-Chef, versprach Steuerfreiheit
für den Erlös, wofür dann auch Nachfolger
Otto Graf Lambsdorff, der damalige FDP-Schatzmeister, treulich sorgte. Eineinhalb
Milliarden hatte der Flick-Konzern von der unversteuerten Verkaufssumme
wieder angelegt: bei Gerling, dem US-Mischkonzern Grace und im eigenen
Haus bei Dynamit Nobel und Buderus. Wie diese Investitionen zum
steuerbefreienden Prädikat »volkswirtschaftlich
förderungswürdig« kamen, konnte mit
Ausnahme des Grafen Lambsdorff keiner erklären. Der hat auf
dem Höhepunkt der damaligen Spardebatte die letzte Rate des
840-Millionen-Steuergeschenks an Flick bewilligt. Und davon
ließen sich die störenden Flick-Enkel mit 700
Millionen leicht abfinden. »Ein neues Kleid
für die achtziger Jahre« wollte von Brauchitsch nach
seiner Rückkehr für den Flick-Konzern schneidern. So
neu war es nicht. Es trug nach Art des Hauses viele Taschen, in die wir
– in Gestalt unseres Staates – sehr viel Geld
hineinsteckten. Zum Ausgleich floß – das gebietet
die Gerechtigkeit zu sagen – wenigstens ein Bruchteil der
Summe zurück: an die gewählten Volksvertreter. Zu
diesem Ergebnis kamen jedenfalls die Bonner Staatsanwälte, die
1981 dem Büro und der Wohnung des Flick-Generals mehrfach
unerbetenen Besuch abstatteten. In 100 beschlagnahmten Aktenordnern und
rund 150 Spendenheften fanden sie viel überzeugendes Material.
Vor allem die Liste von Chefbuchhalter Rudolf Diehl, der auf
Brauchitschs Anweisung das Geld in die Bonner Landschaft säte
und »wg.« erfand, den neuen Adelstitel der
Bundesrepublik (»100000 wg. Kohl«, »50000
wg. Dregger«, »30000 wg. Biedenkopf«,
»50000 wg. Genscher«, »25000 wg.
Lambsdorff«). All das reichte aus, um gegen den
persönlich haftenden geschäftsführenden
Flick-Gesellschafter von Brauchitsch ein Verfahren wegen
Steuerhinterziehung zu eröffnen. Und dazu wurde noch wegen der
»Verübung von Straftaten nach Paragraph 331ff.
(Vorteilsnahme und Bestechlichkeit)« ermittelt, weil
– so der Staatsanwalt – »die Firma Flick
im Zusammenhang mit der ihr erteilten Bescheinigung für einen
Steuerabzug aus der Veräußerung der
Daimler-Benz-Aktien Amtsträgern Zuwendungen versprochen oder
gemacht haben könnte«. Wirtschaftsminister
Lambsdorff, der das Steuergeschenk bewilligte, ein Amtsträger,
und zuvor war er als Schatzmeister der FDP ein Geldträger, der
im Brauchitsch-Büro ein und aus ging. Am 16.
Februar 1987 wurde Eberhard von Brauchitsch wegen Steuerhinterziehung
und Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer zweijährigen
Freiheitsstrafe verurteilt auf Bewährung und zu einer
Geldbuße von 550000 Mark – aus der Portokasse. Preis des Schweigens Es
wäre, prahlte Brauchitsch 1999 in seinen Erinnerungen unter
dem Drohtitel »Der Preis des Schweigens« ein
»leichtes für mich« gewesen,
»drei Siebentonner von der Spedition Johnen in
Düsseldorf zu bestellen, zwanzig Studenten anzuheuern und
sämtliche Akten verschwinden zu lassen«. Der
Adelsmann klar und deutlich: »Mit einer solchen Aktion
hätte ich keinen Moment gezögert. Ich habe jedoch
törichterweise auf den Rechtsstaat vertraut.« Das
war eine große Sekunde in der Bonner Republik, daß
der Flick-Mann einmal nicht seinem Rechtsstaat trauen durfte. Lange
genug hatte es bis dahin gedauert. Und es ist kein Kompliment
für die unpolitisch gewordenen Studenten der achtziger Jahre,
der Generation Golf, daß er darauf vertraute, sie
hätten alle Akten zum Schreddern gebracht und nicht den einen
oder anderen verräterischen Flick-Ordner zu einem
störrischen Journalisten. Aber wir haben uns
nun wirklich verplaudert. Wir sitzen immer noch 1984 im
Flick-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages zu
Bonn. Und Eberhard von Brauchitsch, der große Kultivator,
sagt gerade, bei der Beratung über die steuergünstige
Wiederanlage der Gelder aus dem Daimler-Verkauf bei dem
US-Chemiekonzern Grace habe im Haus Flick auch Dr. Ambros teilgenommen. Da
fragt der damals noch grüne Abgeordnete Otto Schily:
»Ja, Herr Dr. Ambros – wer war denn der Herr Dr.
Ambros?« Brauchitsch: »Dr. Ambros
war ein früheres Vorstandsmitglied der IG Farben, Berater des
Hauses Grace und der Berater des Hauses Flick.« Schily:
»Ist es richtig, daß Herr Dr. Ambros auch an
Aktivitäten der Firma IG Farben in Auschwitz beteiligt
war?« Brauchitsch: »Das
weiß ich nicht, ich weiß auch nichts davon,
daß ihm dies vorgeworfen, geschweige denn, daß er
deswegen zur Rechenschaft gezogen worden wäre. Ich
weiß es nicht.« Schily:
»Wissen Sie etwas darüber, daß Herr Dr.
Ambros in Auschwitz entsprechende Werke hat bauen lassen, daß
er beschuldigt wurde, sehr tief …« Doch
bevor Schily seine Frage zu Ende stellen kann, fährt der
Ausschußvorsitzende dazwischen. Der CDU-Abgeordnete und
Reserveleutnant der Bundeswehr Manfred Langner: »Herr
Schily, diese Frage hat mit dem Untersuchungsgegenstand nichts zu
tun.« Schily: »Doch!« Langner:
»Ich kann sie nicht zulassen.« Unbefragbare
Vergangenheit Nun wagte Brauchitsch den Ausfall und
zeigte, wie genau er wußte, worum es geht: »Wir
sind hier im Moment – Wenn dieses öffentlich wird,
sind wir im Zuge der Vorverurteilung. Mit ist nicht bekannt,
daß Herr Dr. Ambros, der sich seit 1950 auf freiem
Fuß befindet …« Für
Langner schien das noch gefährlicher; Brauchitsch hatte schon
zuviel geredet, der Vorsitzende mahnte: »Herr Zeuge, Sie
brauchen zu dieser Frage nicht zu antworten, ich lasse die Frage nicht
zu.« Brauchitsch erleichtert, daß
er davor bewahrt wurde, zuviel zu sagen: »Danke!« Schily
verlangte einen förmlichen Beschluß. Mit ihren sechs
Stimmen erklärte die Ausschußmehrheit von
CDU/CSU/FDP gegen die Stimmen von SPD und Grünen die
Vergangenheit des Flick-Beraters Ambros als unbefragbar. Auch bei
anderen Zeugen, die etwas von der Ambros-Tätigkeit in
Auschwitz wissen konnten, unterbrach der Reserveleutnant –
unter seiner präzisen Führung hatte der
Ausschuß am Ende seiner Tätigkeit 1987 ein Labyrinth
undurchdringlicher Mauern errichtet – brüsk den
Fragesteller Schily. Vielleicht wollte Langner nur
hochquellende Heimatgefühle unterdrücken. Er ist 36
Kilometer vor Auschwitz in Kattowitz/Katowice geboren, wo sein Vater in
jener Zeit Jurist sein konnte. Vielleicht auch hatte er die posthumen
Interessen seines verstorbenen Parteifreunds, des CSU-Schatzmeisters
Wolfgang Pohle, zu vertreten. Der war in Nürnberg Verteidiger
Flicks und danach dessen spendenfreudiger
Generalbevollmächtigter. Wahrscheinlich aber standen
höhere Interessen auf dem Spiel. Mächtiger
Fälscherapparat Jedenfalls
eröffnete der Bundesnachrichtendienst, der es von Anfang an
als seine vornehmste Aufgabe betrachtete, kriminelle Nazis wie Alois
Brunner und Walter Rauff zu schützen, etwas später
eine Entlastungsoffensive für Otto Ambros. Er spielte dem
Hamburger Journalisten Peter Ferdinand Koch für sein Buch
»Der Fund« (1990) ein Dossier (Stand 1982) zu
über den »mächtigen
Fälscher-Apparat der DDR«, das deutlich machte, was
alles die Stasi unternahm um den guten Ruf anständiger
Menschen zu vernichten: »Otto Ambros, ehedem bei der I.G.
Farben, wurde mit einem gefälschten Briefkopf ›Dr.
Otto Ambros‹ in die Nähe der SS gerückt:
Er habe im Dritten Reich keine Einwände gehabt, auf die
Einschaltung des ›wirklich hervorragenden Betriebes des
KZ-Lagers zugunsten der Buna-Werke‹
zurückzugreifen. Der DDR kam es ausschließlich auf
diesen einen Nebensatz an. Der Ambros-Briefkopf war auf Papier der
enddreißiger Jahre nachgedruckt und mit Hilfe einer damals
gebräuchlichen Schreibmaschine
›betextet‹ worden, Ambros
›archivierte‹ Unterschrift im Nu
kopiert.« Nur schade, daß die
Stasi-Fälscher nicht auch noch den Satz
»… und außerdem wirkt sich unsere neue
Freundschaft mit der SS sehr segensreich aus« in das
Schreiben hineinfälschten. Der stand nämlich auch in
dem Brief, der 1948 beim IG-Farben-Prozeß in
Nürnberg vorlag, bevor 1949 die DDR gegründet wurde
und ihren Fälscherbetrieb aufnehmen konnte. Ambros hatte den
Brief am 12. April 1941 seinem IG-Vorstandskollegen geschrieben und
sich darin auch gefreut, daß »gewisse
Widerstände von kleinen Amtsschimmeln« gegen den
Einsatz von KZ-Häftlingen beim Bau des IG-Buna-Werkes in
Auschwitz »schnell beseitigt« werden konnten. IG
Auschwitz solle, so hatte er fünf Tage zuvor in seiner
Festrede zur Eröffnung des Projekts versprochen, ein
»fester Eckpfeiler« für
»gesundes Deutschtum im Osten« werden –
10000 KZ-Häftlinge waren da schon von der SS zur
»Vernichtung durch Arbeit« bei der IG
bereitgestellt. Vorstandskollege Fritz ter Meer – der
Schwiegervater des CDU-Spendenkofferträgers Walther Leisler
Kiep (auch auf Flicks »wg.«-Liste) – wird
später sagen, daß den KZ-Häftlingen durch
die I.G. »kein besonderes Leid zugefügt wurde, da
man sie ohnedies getötet hätte«. Ambros
machte sich auch um die Produktion von Giftgas (Tabun, Sarin, Lost)
verdient – viel später war er Aufsichtsrat des
erfolgreichen Contergan-Konzerns Chemie Grünenthal. In
Nürnberg wurde er – sehr günstig
– zu nur acht Jahren verurteilt und lernte im
Kriegsverbrechergefängnis Friedrich Flick kennen, der gerade
dort auf Suche nach neuen Talenten war. Nachdem beide viel zu
früh auf freien Fuß gesetzt waren, machte Flick
Ambros zu seinem Berater und empfahl ihn auch an Konrad Adenauer. Unter
dem Sohn Friedrich Karl war der Auschwitz-Mann dann
schließlich Vermittler zwischen Flick und dem US-Konzern
Grace, um dessen versuchten Erwerb es im Spendenskandal ging. Den
gab es eigentlich nur, weil dem Steuerfahnder Klaus Förster in
St. Augustin bei Bonn etwas aufgefallen war, was ihm nach der
entschiedenen Auffassung seiner Vorgesetzten und schließlich
auch aller zuständigen Finanzminister nicht hätte
auffallen dürfen. Bei der »Gesellschaft des
Göttlichen Wortes mit beschränkter Haftung«
– besser bekannt als die katholische Ordensgemeinschaft
Steyler Missionare – fand er seltsame Spendenquittungen
– auch aus dem Hause Flick. Ob es daran lag, daß es
sich bei den Missionaren um einen Orden päpstlichen Rechts
handelt, ist wenig wahrscheinlich; jedenfalls lief das so, wie es wohl
auch bei der schwerkriminellen Vatikanbank läuft. Flick-Chefbuchhalter
Rudolf Diehl überwies eine Million – und das damals
schon im siebten Jahr. Die Mönche, die praktischerweise zum
Keuschheits- auch ein Armutsgelübde abgelegt hatten und so
hervorragend einsatzfähig waren, griffen damit dem
Flick-Konzern bei der Pflege der politischen Landschaft unter die Arme.
Sie behielten – wie die Tradition es gebot –
jeweils nur den Zehnten. Der Rest ging auf ein Schweizer Konto und
abzüglich einiger Spesen für die Geld-Schmuggler
zurück nach Düsseldorf, nun aber in die Schwarze
Kasse von Flick. Da war das Geld aber schon sehr viel mehr geworden, um
das die Mönche oder auch Flick – Gott wird es uns
beim Jüngsten Gericht erklären – uns
Steuerzahler betrogen hatten. Die wundersame
Geldvermehrung aber kam zustande, weil Flick solch eine fromme Spende
von der Steuer absetzten konnte, und das macht bei einem Superreichen
seiner Art mehr als die Hälfte aus. Kurz: Aus einer wurden
samt dem nun zurückgezahlten frommen Geld rund eineinhalb
Millionen. Und mit dem Schwarzgeld in der Kasse konnte Flick die
politische Landschaft – Belege brauchte es nicht, nur kleine
»wg.«’s – viel effektiver
pflegen. Aber nicht vergessen: Auch
SPD-Finanzminister, der halblinke Hans Matthöfer wie der
ultrarechte Hans Apel, konnten ein Spendenlied davon singen –
Flicksein heißt, immer sachlich und reibungslos mit der
jeweiligen Regierung zu agieren. »Als ich mit dem Umbau
meines Konzerns begann, erschien das manchen suspekt«, sagte
Friedrich Karl Flick 1978 und meinte den Verkauf von Mercedes und den
Hinauswurf der Neffen. »Das Verhältnis zwischen
Regierung und Wirtschaft war damals nicht so besonders gut. In den
letzten Jahren hat sich das – nicht zuletzt dank der
Kompetenz von Bundeskanzler Schmidt – verbessert. Das
Miteinander hat sich durchgesetzt.« Zu
diesem Miteinander gehört der Paragraph 6 b, Absatz 1, Ziffer
5 des Einkommenssteuergesetzes über den »Gewinn aus
der Veräußerung bestimmter
Anlagegüter«. Danach muß der
Erlös aus dem Verkauf von Aktien dann nicht versteuert werden,
wenn sie bei anderen Kapitalgesellschaften wieder angelegt werden. Und
vor allem dann, wenn der Bundeswirtschaftsminister im Benehmen mit dem
Bundesfinanzminister bescheinigt, daß diese Wiederanlage
»volkswirtschaftlich besonders
förderungswürdig und geeignet ist, die
Unternehmensstruktur eines Wirtschaftszweigs zu verbessern oder einer
breiten Eigentumsstreuung zu dienen«. Dazu
wurde damals das Göttlich Wort eingesetzt, nicht nur bei den
zögerlichen SPD-Finanzministern, sondern auch bei den ohnedies
entgegenkommenden FDP-Wirtschaftsministern und Brauchitsch-Freunden
Hans Friderichs und Otto Graf Lambsdorff. Leben wie ein König Was
aber Franz Josef Strauß bekommen hat, wir wissen es kaum.
Neueste Meldungen über ein Riesenvermögen des
Verewigten sind nicht bestätigt. Aber da war mehr im Spiel als
schnödes Geld. Schon der alte Flick und Hermann
Göring gingen gemeinsam auf die Jagd. Und so schwammen auch
der junge Flick und Strauß gemeinsam auf der Yacht.
Göring bekam vom alten Flick teure Gemälde geschenkt.
Und Strauß vor der Bundestagwahl 1980, bei der er
Kanzlerkandidat, einen – Bundespräsidenten mal
weghören! – Mittelmeerurlaub auf der Flick-Yacht
»Diana II.« Ein »Leben wie ein
König am Mittelmeer«. So nannte Burdas Bunte dieses
Exerzitium in einem Exklusivbericht: »Wenn Franz Josef
Vollgas gibt«, die Fotos dazu – mit fettem
Strauß und dünnerem Flick – lieferte der
damals zwanzigjährige Lehrling und Strauß-Sohn Max
Josef. Sie wurden, als in der Union Entsetzen ausbrach, weil der
Schuß nach hinten ging, ganz schnell vom Burda-Verlag
gesperrt. Drei Wochen lang durfte Strauß
mit Familie die gerade fertiggestellte Luxusyacht »Diana
II« samt 18köpfiger Besatzung zum Erholen nutzen,
aber auch zum Nachdenken über den Lauf der Geschichte. Und
so wurde es dennoch ein Erfolg. Denn in diesem Flick-Urlaub kam
Strauß – o holdes Walten des genius loci
– die wunderschöne Wahlkampfidee, daß die
deutsche Industrie nie etwas mit den Nazis zu tun gehabt habe, ja
– ein früher Götz Aly –,
daß Nazis in Wirklichkeit Sozis seien oder umgekehrt. Denn
jene »Schwungmasse, die Hitler an die Macht
brachte«, das waren die »verzweifelten
Sozialisten«, die »der Sozialdemokratie in Massen
davongelaufen waren«. Kaum aus dem Yachturlaub
zurück, verlieh Strauß dieser Erkenntnis auf dem
darauffolgenden CSU-Parteitag Ausdruck. Und sprach danach ins Mikrophon
des Bayerischen Rundfunks: »Sowohl Hitler wie Goebbels waren
im Grunde ihres Herzens Marxisten.« Auch da
erfolgte die Reaktion prompt: Helmut Kohl jammerte über die
zahlreichen Briefe von Parteifreunden und Wählern, die sich
als ehemalige Nationalsozialisten dagegen verwahrten, mit Sozialisten
auf eine Stufe gestellt zu werden. Zugleich aber erkannte der
Vorsitzende der Jungen Union, Alfred Sauter (CSU), in den
Jungsozialisten und Jungdemokraten von SPD und FDP »die
einzigen und wahren Faschisten unserer Tage«. Und
Flick-Urlauber Franz Josef Strauß wurde Kanzlerkandidat. Ach,
ja, anläßlich der Spendenaffäre kam auch
die Wahrheit ans Licht. Ein Nachrichtensprecher des
Südwestfunks, wollte Neues aus Bonn melden und versprach sich
– aber ganz richtig: »Bundesrepuflick
Deutschland«. Flick
im 21. Jahrhundert Neuere
Literatur zum Thema. Ausgewählt und vorgestellt von Otto
Köhler Priemel 2007
stellte Kim Christian Priemel unter dem Titel »Gekaufte
Geschichte« in der einschlägigen Zeitschrift
für Unternehmensgeschichte fest, daß
Firmengeschichte und Unternehmerbiographie bis in die jüngste
Zeit Gattungen von fragwürdigem wissenschaftlichen Wert
darstellen. Er schildert genüßlich die Groteske um
jenen jahrelang tagenden Redaktionsausschuß namhafter
Unternehmer. Ihm mußte sich der Historiker Gert von Klaas mit
nahezu jeder Formulierung in der dann schließlich 1957 bei
Wunderlich doch noch erschienenen Biographie »Albert
Vögler. Einer der Großen des Ruhrreviers«
unterwerfen. Das heikle Problem der Finanzierung, das schon so manchen
angesehenen Historiker zum Arzt am Krankenbett des Kapitalismus gemacht
hat. Im selben Jahr 2007 erschien Priemels
fundamentale Geschichte über den Flick-Konzern. Der junge
Priemel hat aus dem Los seiner alten Kollegen Unternehmenshistoriker
gelernt. Nichts einzuwenden ist gegen die »finanzielle
Förderung« der Deutschen Forschungsgemeinschaft,
ohne die das Werk nicht hätte entstehen können. Auch
nicht gegen den Druckkostenzuschuß, den die
Hans-Böckler-Stiftung gewährte. Er hat auch
für »Beihilfe« durch die
Wirtschaftsvereinigung Stahl zu danken. Doch das ist ein Gebot der
Höflichkeit und nicht schlimm, da es hier nur um die
Bebilderung geht. Priemel schrieb keine Hagiographie, sondern eine
»Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur
Bundesrepublik«, die aus den Verbrechen dieses Unternehmens
kein Hehl macht. Daß er in seinem 864-Seiten-Opus lediglich
zwei Seiten der Flick-Spenden-Affäre gewidmet hat, ist nur ein
Schönheitsfehler und war sicherlich keine conditio. Denn die
politische Landschaftspflege, die Flick schon seit den zwanziger Jahren
betrieb, sie ist minutiös berücksichtigt. Kim Christian Priemel: Flick.
Eine Konzerngeschichte vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik,
Wallstein Verlag, Göttingen 2007, 864 Seiten, 48 Euro Bähr 2008
gab Johannes Bähr, der sich mit seinen Forschungen zur
Dresdner Bank im Nazireich einen Namen gemacht hat, einen Sammelband
heraus, der sich im wesentlichen ebenfalls auf diesen Zeitraum
beschränkt, aber auch die erste Nachkriegszeit
berücksichtigt. Und Flicks »Strategie der
Selbstviktimisierung«: wie er sich also zum Opfer
stilisierte. Weniges ist zu kritisieren: so die leicht verharmlosende
Darstellung des Freundeskreises Himmler (siehe Teil I in der
Wochenendausgabe). Mehr als ein Schönheitsfehler aber: die
Danksagung auf Seite XIII. Dort freuen sich die Autoren über
die »großzügige finanzielle
Ausstattung«, die die Stiftung Preußischer
Kulturbesitz gewährt habe. Nicht erwähnt ist,
daß es sich um eine Umwegfinanzierung handelt: Enkel
Friedrich Christian Flick hat das Geld im Zusammenhang mit dem Streit
um seine Berliner Kunstausstellung spendiert. Auswirkungen auf den Text
des Bandes scheint es nicht gegeben zu haben. Johannes Bähr/Axel
Drecoll/Bernhard Gotto/Kim C. Priemel/Harald Wixforth: Der
Flick-Konzern im Dritten Reich. Herausgegeben durch das Institut
für Zeitgeschichte München–Berlin im
Auftrag der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Oldenbourg
Wissenschaftsverlag, München 2008, 1 018 Seiten, 64,80 Euro Frei Hans-Mommsen-Schüler
Norbert Frei hat einen – mit kleinen Einschränkungen
– guten Namen zu verlieren, und er bemüht sich.
Zusammen mit drei anderen Autoren hat er als bisher letzter einen
Flick-Band herausgebracht, in dessen
»Einführung« er Priemels Buch mit den
unvermittelten Worten kritisiert: »Allein die
Gewinnoptimierung kann die Komplexität einer
Persönlichkeit wie Friedrich Flick nicht
erklären.« Es gelte, »dem Mann an der
Spitze gebührende Aufmerksamkeit zu zollen«. Er
zollt. Oder wird ihm gezollt? Im Nachwort, wo er der
Flick-Enkelin Dagmar Ottmann für die
»großzügige Finanzierung« dankt,
überläßt er es den Lesern zu beurteilen, ob
es ihm und seinen Mitautoren gelungen ist, die Geschichte des Hauses
Flick »jargonfrei« zu erzählen. Jargon?
Damit meint er die marxistischen Historiker im Osten wie Klaus Drobisch
oder die journalistischen Sachbuchautoren wie Bernt Engelmann oder
Günter Ogger im Westen, die sich als einzige im 20.
Jahrhundert bemühten, die Geschichte der Flicks zu
untersuchen. Aber nur, laut Frei, aus dem »Voyeurismus der
Nachkriegszeit«. Die westdeutschen
Universitätshistoriker aber hielten im 20. Jahrhundert still. 2009
jedoch erkennt Frei: Weder der Nürnberger Prozeß,
noch die Landsberger Haftzeit »konnten den Alten
erschüttern«. Flick habe am »Ideal des
persönlichen Regiments in einem abgeschotteten
Familienkonzern« festgehalten. Wann? Nach 1945, nach dem Ende
des Naziregimes oder – so formuliert es Frei 2009 ohne Zwang
– »auch nach der Katastrophe«.
Katastrophe? Das ist der Jargon, den Nazis und ihre
Nutznießer für das Ende des Hitler-Reiches fanden. Norbert Frei/Ralf
Ahrens/Jörg Osterloh/Tim Schanetzky: Flick - Der Konzern, die
Familie, die Macht. Blessing Verlag, München 2009,
912 Seiten, 34,95 Euro Mit freundlicher Genehmigung
von Junge Welt Siehe auch: Als der Geier starb An
diesem Sonnabend feiert Deutschland in seinem Westteil ein
Jubiläum. Es kündet von einer Zeit, die nicht vergangen ist
und nimmermehr vergehen will (Teil I) |