Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

28.07.09

Gedenktafel an die IG-Farben 1933-1945

Leverkusen: Gedenkplatte der Öffentlichkeit übergeben

Im Rahmen eine kleinen Feierstunde wurde am Samstag, 27.6.2009 auf dem Gelände der Kulturvereinigung Leverkusen e.V. eine Gedenkplatte mit der Inschrift

"1933 - 1945 
IG Farben 
Verbrechen der Wirtschaft"

der Öffentlichkeit übergeben. Die Tafel soll an die Opfer der IG Farben, die von 1926-1945 in Leverkusen ansässig war und nach der "Entflechtung" wieder als Bayer firmierte, erinnern.

In einer Zusatztafel wird zum Grund der Errichtung dieses Denkmals erklärt:

"Diese Gehwegplatte sollte am 14.November 2008 im Rahmen der Rallye "Verbrechen der Wirtschaft" - durchgeführt von der VVN-Bund der AntifaschistInnen NRW - vor Tor 1 am Chem-Park (früher IG Farben) verlegt werden. Das wurde von der Stadt Leverkusen versagt. Deshalb wird sie nun hier auf dem Gelände - wo viele IG Farben-Arbeiter für ihre berechtigten Interessen kämpften und wo sich noch heute Antifaschisten versammeln - errichtet. Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Leverkusen, 27.Juni 2009".

In seiner Rede ging der stellvertretende Vorsitzende der Kulturvereinigung Leverkusen e.V. und Landesvorstandsmitglied der VVN-Bund der AntifaschistInnen NRW, Manfred Demmer, auf die geschichtlichen Hintergründe ein und behandelte auch den Umgang des Bayer-Konzerns mit seiner IG Farben-Geschichte.

In einer Ausstellung und durch die dargebotenen Literatur konnten die Teilnehmer der Feierstunde ihre Erkenntnisse und ihr Wissen über die IG Farben vertiefen.

Ausgehend von der Bayer-Darstellung im Internet (Daten/Fakten 2008/2009), wo es über die Einfügung der IG Farben in die faschistische Politik heißt: "Als bedeutendstes Chemieunternehmen in Deutschland wird die I.G. Farben auch in die Entwicklung des Dritten Reiches verstrickt", werden in der Ausstellung konkrete Beispiele dieser "Verstrickung" dargestellt. Da konnte man Stationen aus dem Leben der IG-Farben-Arbeiterin Frieda Hänsel, nachvollziehen, die als Jüdin am 26.Februar 1943 im Frauenlager Birkenau "umkam".

Weitere Informationstafeln der Ausstellung gaben Auskunft u.a. über die Löhne bei IG Farben in Leverkusen, über die beiden IG-Farben/Bayer-Betriebsräte Fritz Schulte und Georg Holdenried, über die Zwangsarbeit bei den Farbenwerken in Leverkusen.

Die Besucher, darunter aktive Leverkusener Antifaschisten wie Wolfgang Stueckle, Betriebsratsvorsitzender des Klinikums, zeigten sich beeindruckt von der Fülle der wenig bekannten Informationen aus der Bayer/IG Farben-Geschichte. Positiv wurde vermerkt, dass offenbar bei der Stadt ein Umdenken begonnen hat, wurde doch erstmalig seitens der Stadtverantwortlichen auf die Einladung reagiert und wegen Terminprobleme sich für die Nichtteilnahme entschuldigt. Auch Willi Oberländer, Gewerkschaftssekretär von ver.di Rhein-Wupper konnte wegen anderer Terminverpflichtungen leider nicht teilnehmen.

Valerie Schmidt, Teilnehmerin des "Zuges der Erinnerung", der im Mai 2008 in Auschwitz endete, legte am Denkmal Blumen nieder.

In einem Brief teilte Ute Schilde, Zugleiterin des "Zuges der Erinnerung", der im Februar/März 2008 in Opladen war, dass im Herbst der "Zug" wieder in die nördlichen Bundesländer fährt. Manfred Demmer wurde gebeten, als Zugbegleiter diesmal mitzufahren.

Im Anschluß an die offizielle Einweihung wurde in lockerer Runde diskutiert über Fragen der Geschichte und der Notwendigkeit des aktiven, gemeinsamen Kampfes gegen Neofaschisten - in welchen Verkleidungen sie auch daher kommen würden. Empörung löste die Mitteilung des Vorsitzenden der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Horst Wilhelms (Krefeld), aus, dass es dort am Mittwoch zu einem Nazi-Überfall auf einen älteren, behinderten Mann gekommen sei. Die Teilnehmer solidarisierten sich mit dem Überfallenen und sahen darin die verstärkte Verpflichtung, noch aktiver von den politisch Verantwortlichen Maßnahmen gegen die NPD und andere terroristischen Neonazis zu unternehmen.

Siehe auch:

Die Jahre 1923, 1933 und 1938 mahnen: Nie wieder!
Rede von Ulrich Sander, Bundessprecher der VVN-BdA, am 14.11.08 bei Bayer, vorm Werkstor

Information über die Ausstellung

Die Ausstellung wurde für eines der ersten "Pille"-Feste nach der Neuherausgabe dieser Betriebszeitung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) für die Belegschaft von Bayer zusammengestellt und bei dem Fest gezeigt. Sie wurden auch als Ergänzung einer Ausstellung in diesem Hause "Von Anilin bis Zwangsarbeit", die von der Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) durchgeführt wurde, gezeigt.

9000 Zwangsarbeiter bei IG Farben in Leverkusen

Auf dieser Tafel wird an das Schicksal der 9085 Menschen erinnert, die aus den verschiedenen von den Faschisten unterjochten Völkern für den Profit und unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Farbenstadt schuften mussten. Wurde in den frühen Jahren der Bundesrepublik in der Geschichtsschreibung des Bayer-Konzerns darüber zumeist geschwiegen, so rühmte man in späteren Veröffentlichungen die "in jeder Beziehung zufriedenstellenden Behandlung ...der eingesetzten Fremdarbeiter". Dieses Eigenlob steht jedoch im Gegensatz zur Haltung der Konzerngewaltigen, als es um die Entschädigung der Zwangsarbeiter ging. Davon wollte man nichts wissen, im "Express" wurde verkündet, dass dies kein Thema für Bayer sei. Erst als der öffentliche Druck - auch im Ausland - stärker wurde und sich beim 1998iger Pille-Fest 85 Besucher in einem Offenen Brief an den damaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. Manfred Schneider wandten , entdeckte Bayer die "Menschlichkeit" und schloss sich jener Stiftung an, die nun die Überlebenden mit Almosen abspeißt. Für 184 Opfer der Zwangsarbeit wurde 1965 auf dem Manforter Friedhof ein Mahnmal errichtet - allerdings nicht von IG Farben oder Bayer, sondern nach langjährigen Forderungen der VVN , von der Stadt. Es ist nicht bekannt, ob je ein Bayer-Gewaltigter den Weg dort hin fand und eine Kranz niederlegte, wie dies jährlich am Grabe des Kriegsverbrechers Fritz ter Meer in Krefeld -Uerdingen geschieht

(siehe dazu die Tafel Georg Holdenried )

Löhne bei den IG Farben in Leverkusen

Die Frage nach dem Lohn, den die Arbeiter vom Unternehmer ausgezahlt bekommen, war und ist eine zentrale Frage der Arbeiterbewegung von Anfang an. Sie ist neben der Frage der Sicherung des Arbeitsplatzes auch bis in die heutige Zeit von großer Bedeutung. Und es fanden dabei auch bei Bayer große Kämpfe statt, wie z.B. 1904, 1921 und 1923, wo der in Leverkusen noch immer als edler Manchenfreund dargestellte Generaldirketor Carl Duisberg (der ja auch als Schmied der IG Farben gilt) seine "Menschenfreundlichkeit" sichtbar machte, in dem Streikende auf die Straße gesetzt wurden, sie auf schwarze Listen für andere Unternehmen landeten und mit Polizei gegen Streikende vorgegangen wurde. Und wie die heute handelnden Manager im Chempark (wie jetzt das ehemalige Bayer/IG Farben-Gelände heißt) stand für ihn einzig und allein die Mehrung des Profits im Vordergrund. Die Arbeiter im "Reich der Giftkönige" (so Egon Erwin Kisch in einer Reportage über IG Farben in Leverkusen) , die ja den Profit erwirtschafteten, sahen immer in ihre dünne Lohntüte.

Seit der Gründung der IG Farben (1925/1926) steigen die jährlichen Reingewinne und es wurden 5 Jahre lang 12 % Dividenden ausgeschüttet. Die Löhne dagegen blieben fast unverändert. Wurden sogar noch reduziert. Auf einer Betriebsrätekonferenz der RGO (Revolutionäre Gewerkschaftsopposition) Rhein-Wupper-Kreis am 3.Januar 1932 führte ein Arbeiterrat (Betriebsrat) der IG Farben aus: "Die IG Farben sitzt auf dem Pulverfaß. Die Stimmung der Belegschaft ist angesichts des unerhörten Lohnabzuges, der bevorsteht und der alles in allem unter Hinzurechnung der Verkürzung der Arbeitszeit fast 25 Prozent ausmachen wird, ungeheuer erregt." Der IG-Konzern stellte sich darauf ein- Polizei bewachte die Eingänge zum Betrieb. Das der Konzern zahlen konnte wurde schon am 11.März 1928 deutlich, wo der Kölner Bevollmächtigten des Fabrikarbeiterverbandes (FAV) , Hertwig, erklärte, daß "bei dem zuletzt erzielten Reingewinn von8.Millionen Mark Überschuss der IG Farben-Konzern bei einer Lohnerhöhung bis zu einer Mark für Betriebsarbeiter und 1.30 Mark für Facharbeiter noch immer ein Überschuß von 47 Millionen Mark" übrig hätte.

Erinnerung an den IG-Farben-Betriebsrat und Kommunisten Fritz Schulte

An den ehemaligen Bayer-Betriebsrat, den Kommunisten Fritz Schulte wird auf dieser Tafel informiert. Er war außerdem langjähriges Ratsmitglied in Wiesdorf (vor dem Zusammenschluß zu Leverkusen 1930 eigenständige Gemeinde). Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses und wurde von den Wählern des Wahlkreises Düsseldorf-Ost in den Reichstag gewählt. Er, der als Kommunist aktiv den Faschismus bekämpfte und dann u.a. in die Sowjetunion emigrierte, kam dort nach den stalinistischen "Säuberungen" 1943 in einem Straflager ums Leben. Die Kulturvereinigung Leverkusen e.V. hat in einer Broschüre sein Leben nach gezeichnet. (Die Broschüre ist hier gegen Spende zu erwerben). In Leverkusen selbst ist dieser wirkliche Volksvertreter vergessen. Ein Bürgerantrag von einem Mitglied der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Fritz Schulte durch die Benennung einer Straße nach ihm zu ehren, wurde von der Mehrheit des Rates abgelehnt. Auch der bekannte Kommunismusforscher Prof. Hermann Weber, der mehrfach in seinen Werken auf das Schicksal von Schulte verwies, fand es bis zu heutigen Tage nicht für nötig, diesen Sachverhalt aus Leverkusen zur Kenntnis zu nehmen, bzw. entsprechende Hinweise in Neuauflagen seiner Bücher zu veröffentlichen.

Stationen aus dem Leben einer IG Farben-Arbeiterin

Der mittlerweile verstorbene Redakteur der Zeitung der DKP "Unsere Zeit" Günter Hänsel stellte der "Pille" - der Betriebszeitung der DKP für Bayer - Dokumente zur Verfügung, welches das Schicksal seiner Mutter, Frieda Hänsel, behandelte, die von 1926 bis 1931 bei IG Farben in Wolfen arbeitete. Als Jüdin wurde sie nach Auschwitz deportiert, wo sie im Frauenlager Birkenau am 26.Februar 1943 "verstarb".

Entlassungen von kritischen Mitarbeiter/Innen

Schon immer entledigten sich die Unternehmer 'ihrer' kritischen, 'renitenten' MitarbeiterInnen durch Entlassungen. Auch die IG Farben verfuhr danach. Und wie schon erwähnt wurde trotz aller Konkurrenz zwischen einzelnen Betrieben "schwarze Listen" ausgetauscht, wo durch die darin aufgeführten aktiven Kolleginnen und Kollegen . In der Region kaum noch Arbeit aufnehmen konnten.

So ist von den IG Farben in Leverkusen bekannt dass dort 1931 acht Kolleginnen und Kollegen auf die Straße geworfen wurden. Darunter war auch spätere langjährige Ehrenvorsitzende der Kulturvereinigung Leverkusen e.V., Cilly Müller, die im Alter von 93 Jahren am 22.November 2000 verstarb. Die gemaßregelte Kommunistin wurde zum Direktor gerufen, der ihr eröffnete, dass sie entlassen würde, weil sie für die Arbeit "nicht geeignet" sei. Cilly bewies Mutterwitz . In Anbetracht ihrer mehrjährigen Betriebszugehörigkeit erwiderte sie: " Dann tut mir aber Ihr Betrieb leid, dass er dafür solange brauchte um das festzustellen!"

Ein IG Farben-Arbeiter und Betriebsrat: Georg Holdenried

Der 1905 geborene Arbeiter kam als 15jähriger in die Farbenstadt. Er wurde Mitglied in der Gewerkschaft und 1928 der KPD. Als aktiver Gewerkschafter setzte er sich bei IG Farben für die Interessen der Kolleginnen und Kollegen ein. Das machte ihn in den Augen der IG Farben-Bosse "suspekt". So wie "Schorsch" in der Weimarer Republik für die Arbeiter- und Volksinteressen aktiv wurde, so bekämpfte er den Faschismus von seinem ersten Auftreten in Leverkusen an. Die Nazis rächten sich an ihm, wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" musste er 6 Jahre und 8 Monate "Schutz"- und Strafhaft über sich ergehen lassen. Nach der Befreiung vom Krieg und vom Faschismus wirkte er als "Mann der ersten Stunde". Er wurde Mitbegründer der Gewerkschaftsbewegung am Ort, war Stadtverordneter der KPD und vertrat die Partei, von den Wählern gewählt im Kreistag von Rhein-Wupper. Als Betriebsrat bei Bayer und als Ortsverwaltungsmitglied der Chemiegewerkschaft setzte er sich für die Belange der Chemiekumpels und ihrer Familien ein. Ab Oktober 1949 gehörte er dem Landtag von NRW an, wo maßgeblich Anteil an der Verkehrspolitik in und um Leverkusen hatte. Der langjährige IG Farben/Bayer Arbeiter und Antifaschist, der dem Vorstand der Kulturvereinigung Leverkusen e.V. angehörte, setzte sich bis zu seinem Tode (6.November 1965) für Frieden und Völkerverständigung ein. Das war in Augen der Bayer-Gewaltigen ein "Verbrechen", was zur Entlassung und Maßregelung von Georg Holdenried führte. Sein "Verbrechen" - was zur gleichen Zeit stattfand, wo der Kriegsverbrecher Fritz ter Meer bei Bayer im Aufsichtsrat präsidierte - hatte darin bestanden Gespräche mit Chemiegewerkschaftern aus der DDR zu führen. In einem juristischen Verfahren wurde dann "Schorsch" freigesprochen- Dies war jedoch für Bayer kein Anlaß ihn zu rehabilitieren. Erst 2007 nahm ein Wissenschaftler in dem Buch "Stimmt die Chemie? Mitbestimmung und Sozialpolitik in der Geschichte des Bayer-Konzerns", im Essener Klartext-Verlag erschienen, eine kritische Bewertung der Handlungen des Bayer-Konzerns Georg Holdenried gegenüber, vor.