09.02.2018
Jahrestag
der Befreiung von den I.G. Farben
Enthüllungen
von Otto Köhler
Im Juli 1932 – nach einem Besuch bei
Hitler – beschloss die
I. G.-Farben-Führung, die Produktion des vollkommen
unwirtschaftlichen synthetisches Benzins fortzusetzen. Denn der
„Führer“ hatte, acht Monate vor der
Machtübertragung an ihn, gewußt, dass er die IG
Farben benötigt für seinen Krieg. Forschungen von
Otto Köhler haben ergeben, dass die IG Farben schon lange vor
dem 30.1.33 auf Hitler setzten – und er auf sie. Hier ein
Beitrag von Ulrich Sander zu diesem Thema, der gekürzt in
„Ossietzky“ stand:
Ulrich Sander
- Jahrestag der Befreiung von den I.G. Farben
Im Juli 1932 – nach einem Besuch bei
Hitler – beschloss die
I. G.-Farben-Führung, die Produktion des vollkommen
unwirtschaftlichen synthetischen Benzins fortzusetzen. Denn der
Führer hatte, acht Monate bevor ihm am 30. Januar 1933 die
Verantwortung übergeben wurde, laut I.G.-Direktor Heinrich
Bütefisch »klar und überzeugend«
entschieden: »Die Wirtschaft in einem Deutschland, das
politisch unabhängig bleiben will, ist heute ohne Öl
nicht denkbar. Der deutsche Treibstoff muss daher selbst unter Opfern
verwirklicht werden.« In seinem Manuskript – der
Text war für das Jubiläum »25 Jahre
Leuna« 1941 bestimmt, das wegen des anhaltenden Krieges nicht
stattfand -, schrieb Bütefisch über das Ergebnis des
25. Juni 1932: »Wir fuhren zurück in dem stolzen
Bewusstsein, einen tiefen Blick in den Zusammenhang des
großen geschichtlichen Werdens« – den
Vierjahresplan für den kommenden Krieg –
»getan und von dem kommenden Führer des ganzen
deutschen Volkes bestätigt erhalten zu haben, dass unser Ziel
richtig und unsere Arbeit von größter Bedeutung
war.« Diese Zusammenhänge hat Otto Köhler
aufgedeckt (siehe Junge Welt vom 27.12.2017). Und er fand bereits am
26. 11. 2007 lt. Junge Welt heraus:
Es wird seitens der IG Farben-Geschichtsschreibung
nicht einmal vor plumpen Fälschungen
zurückgeschreckt, wenn es darum geht, das Unternehmertum und
seine NS-Geschichte weißzuwaschen. Es gebe „keine
gegenlautenden Aussagen oder Dokumente“ zur Aussage von Carl
Krauch aus der I.G.Farben-Spitze im Nürnberger Prozess,
niemals die Zurverfügungstellung von Zwangsarbeitern
für das Werk der I.G. in Auschwitz beantragt zu haben. So
heißt es in der Firmengeschichte. Krauch hat gelogen. Das
Dokument für Krauchs Antrag auf Bereitstellung von
Zwangsarbeitern für die IG Farben wurde laut Köhler
um die Worte „Auf meinen Antrag und“
gekürzt. Der gerichtsbekannte Brief, den Krauch am 4.
März 1941 an seinen für Auschwitz
zuständigen Vorstandskollegen, den Giftgasexperten Otto
Ambros, richtete, lautete vollständig: „Auf meinen
Antrag und auf Weisung des Herrn Reichsmarschalls“ habe der
Reichsführer SS unter dem 26. Februar angeordnet, dass der
Aufbau des Werkes in Auschwitz „durch die Gefangenen aus dem
Konzentrationslager in jedem nur möglichem Umfange zu
unterstützen sei“.
Hans Frankenthal (1926–1999) hatte unter
der I.G.-Farben-Herrschaft sehr zu leiden. Am 1. März 1943
wurde Frankenthal mit seiner Familie aus seiner
sauerländischen Heimat in das Konzentrationslager Auschwitz
deportiert. Seine Eltern wurden dort getötet, er kam mit
seinem Bruder Ernst in das KZ Auschwitz III Monowitz. Dort wurden
medizinische Versuche an seinen Zähnen durchgeführt,
und er arbeitete als Zwangsarbeiter für die I.G. Farben.
Frankenthal berichtete uns, seinen VVN-Freunden,
oft nicht nur vom Terror der SS, sondern auch vom unmittelbaren Wirken
der I.G.-Farben-Leute, die schon mal die SS zum härteren
Vorgehen gegen „faule Juden“ aufforderten. Er hat
die Konzentrationslager Auschwitz-Monowitz und Dora-Mittelbau
überlebt und setzte sich später für die
Entschädigung der Zwangsarbeiter durch die Industrie ein. Als
Teil der künstlerischen Installation auf dem Gelände
vor dem I.G.-Farben-Hochhaus in Frankfurt am Main zeigt das
Norbert-Wollheim-Memorial auf einer Fototafel ein 1927 aufgenommenes
Kinderbild der Brüder Ernst und Hans Frankenthal.
Bis zu seinem Tode hat sich Hans Frankenthal
für die Entlarvung der I.G. Farben eingesetzt. Solange es die
„I.G. Farben in Abwicklung“ gab, demonstrierten wir
Jahr für Jahr gemeinsam vor der Hauptversammlung dieser AG und
protestierten gegen den Raub des Vermögens der
Häftlinge und Opfer. Frankenthal war Mitglied des Zentralrates
der Juden und aktives Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes/Bund der Antifaschisten. Jedes Jahr am 27. Januar, wenn
sich der Tag der Befreiung des KZ Auschwitz durch die Rote Armee
jährt, war er mit uns auf der Straße, und er
betonte: Es war der Tag der Befreiung von der Herrschaft der Nazis und
der I. G. Farben.
Doch die Befreiung von der Herrschaft der
I.G.Farben ist bis heute nicht vollendet. Daher ein Ortswechsel: Villa
Hörlein, Hubertusallee Nr. 18, Wuppertal. Eine offizielle
Tafel informiert über die berufliche Laufbahn Heinrich
Hörleins und würdigt seine
„Verdienste“: „Unter seiner Leitung
wurden umwälzende Entdeckungen insbesondere in der
Tropenmedizin gemacht, so dass weltweit Medikamente aus Elberfeld wie
das ‚Bayer 205‘ (Germanin) gegen die
gefürchtete Schlafkrankheit und
‚Plasmochin‘ gegen Malaria eingesetzt
wurden.“
Auf der Tafel „vergessen“
wurden aber die unrühmlichen Seiten des IG Farben-Vorstands-
und NSDAP-Mitglieds Heinrich Hörlein, die ihn am 16.8.1945 in
Haft und 1947 auf die Anklagebank des IG Farben-Prozesses in
Nürnberg brachten. Zwar wurde er freigesprochen, denn es
konnte ihm keine persönliche direkte Mordtat nachgewiesen
werden, jedoch am kollektiven Mordsystem war er beteiligt und es
verbietet sich, dass er heute in Wuppertal geehrt wird. Als
Aufsichtsratsmitglied der IG-Farben-eigenen Degesch muss er von der
Verwendung von Zyklon-B in Auschwitz und als IG Farben-Vorstand von den
medizinischen Versuchen in den Konzentrationslagern gewusst haben.
Als Direktor des IG-Farben-Werks in
Wuppertal-Elberfeld hatte er – ganz in der verbrecherischen
Tradition von Carl Duisberg – die Gesamtleitung der
Nervengasforschung bei IG Farben Wuppertal und Leverkusen. In seinen
Elberfelder Laboren entwickelte Prof. Gerhard Schrader die neuen
Nervengifte Tabun und Sarin, die von Anfang an auch
militärisch genutzt werden sollten.
Heinrich Hörlein war auch direkt
für den Einsatz von ZwangsarbeiterInnen im Elberfelder Werk
verantwortlich. 567 ZwangsarbeiterInnen, Belgier, Franzosen,
Holländer, Spanier, Ukrainer, Polen und Russen waren in der
Simonstraße112 untergebracht. Mindestens zwölf
ZwangsarbeiterInnen und ein Kleinkind kamen ums Leben.
Leseempfehlung:
Hans Frankenthal: „Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen
nach dem Judenmord“, Neuauflage unter Mitarbeit von Babette
Quinkert, Andreas Plake und Florian Schmaltz, Metropol Verlag, 220
Seiten, 19 €
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