28.01.2018
Der
Hitlerbankier H.J. Abs und die Geburtsstunde des deutschen Beitrags zur
Globalisierung
Eine
weitsichtige Rede von Ellen Weber aus dem Jahre 1968
1968 war nicht nur das Jahr der Studentenrevolte,
es revoltierten auch Schüler und Lehrlinge,
Klassenkämpfe wie die Septemberstreiks 1969 hatten ihren
Aufschwung. Zugleich nahmen die Versuche zu, Westdeutschland
– sie sagten immer „Deutschland“
– wieder zur führenden imperialistischen Macht
werden zu lassen. Der Bonner Hermann Josef Abs (1901-1994), den die
Londoner "Financial Times" Deutschlands berühmtesten Bankier
nannte, hielt die die Wirtschaftsstruktur dar Bundesrepublik
für äußerst verwundbar. Der
Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank AG kritisierte laut SPIEGEL
vom 6. Januar 1969 Politiker, die in öffentlichen Reden
Westdeutschland als zweitgrößte Handels- und
drittgrößte Industrienation der Welt feierten. Nach
seiner Ansieht müsste die Industrie in viel
größerem Maße als bisher deutsche
Unternehmen im Ausland errichten, um sich Rohstoffquellen zu sichern
und in amerikanischem Maßstab für dritte
Märkte produzieren zu können.
Im April 1969, auf dem ersten Parteitag der
Deutschen Kommunistischen Partei – auch eine Errungenschaft
der 68er – analysierte Ellen Weber, später
langjährige zweite Vorsitzende der DKP – die
Situation: „Wir alle wissen, wer richtig kämpfen
will, muß den politischen Gegner immer scharf im Auge
behalten. Ich möchte deshalb unsere Aufmerksamkeit auf eine
Erscheinung richten, die sich in den letzten Wochen und Monaten in
unserem Land immer deutlicher abzeichnet und für die es
neuerdings ein paar eindrucksvolle Bestätigungen
gibt.“
Sie sprach von Hermann Josef Abs, dem
führenden Bankier unter Hitler wie Adenauer, der an allen
Gemeinschaftsverbrechen von Wirtschaft und Nazismus beteiligt war. Der
Chef der Deutschen Bank, habe unmißverständlich
davon gesprochen, daß die Vertreter der deutschen
Großbanken und der deutschen Großindustrie mit den
seit dem zweiten Weltkrieg zur Verfügung stehenden
Produktionsräumen unzufrieden sind, daß man sich
wohl nicht abfinden könne mit dem, was da Deutschland noch zur
Verfügung steht. „Wir wissen, daß schon
das Wort des letzten Kaisers vom ‚Platz an der
Sonne‘ nur die verschleierte Formulierung der Tatsache war,
daß die deutschen Monopole nach neuen Absatzmärkten
und Rohstoffquellen strebten.“
Der im Zusammenhang damit inszenierte erste
Weltkrieg mit seinen Ergebnissen sei bekannt. Hitler habe in seiner
Propagierung des Kampfes gegen den „Schandvertrag von
Versailles“ sehr profiliert die Interessen der deutschen
Großindustrie vertreten, die die Ergebnisse des ersten
Weltkrieges eben nicht akzeptieren wollten und ihre Produktions- und
Rohstoffmöglichkeiten wiederum ausdehnen wollten. Auch das
Ergebnis davon sei bekannt.
Dieselben Herren, die schon unter Hitler eine
bedeutende Rolle gespielt haben, wie z. B. Abs, stellten 1968/69 im
Grunde die gleiche Frage, die die Großindustrie in unserem
Lande schon zweimal gestellt hat: Wie kommen wir zu neuen
Produktionsräumen? Ellen Weber sah voraus, was 50 Jahre mit
der Globalisierung und dem Aufschwung des deutschen Imperialismus
eingetreten ist.
Es sei auch kein Zufall, so sagte sie,
daß bereits wieder Politiker diesen Forderungen der deutschen
Großindustrie das entsprechende Programm lieferten. Die
Theorien, die Franz Josef Strauß in seinen beiden
Büchern „Entwurf für Europa“ und
„Herausforderung und Antwort“ Ende der 60er Jahre
dargelegt habe, lieferten haargenau das Konzept, das die deutsche
Großindustrie damals forderte. „Er sagt,
laßt uns zunächst Westeuropa schaffen und
laßt uns in diesem vereinigten Westeuropa die
Ausgangspositionen bilden für die Vereinigung Gesamteuropas
auf einer gemeinsamen ökonomischen, kapitalistischen
Grundlage.“ Strauß hatte nicht nur die
ökonomischen Vorstellungen formuliert, auf die es Abs ankam,
er hat darüber hinaus sich mit der Frage beschäftigt:
„Wenn wir Europa schaffen wollen, auf welchem Wege kommen wir
denn dahin?“
Er habe ein Konzept geliefert, nach dem
es ihm möglich erscheint, Gesamteuropa — Westeuropa
und später Gesamteuropa — zu organisieren, wie es
Abs verstanden wissen will. Er betonte vielsagend: Laßt uns
gemeinsam an der Bombe basteln, laßt uns gemeinsam die
europäische Nuklearstreitmacht schaffen. Damals ging es gegen
den Atomwaffensperrvertrag. Die Herrschenden seien nicht dagegen, weil
sie etwa wirtschaftlichen Rückstand fürchteten,
sondern weil sie fürchten, daß ihnen der Griff nach
der europäischen Nuklearstreitmacht verwehrt wird. Heute wird
erneut das Thema europäische Nuklearstreitmacht
aufgewärmt. Vor allem wird an der Vollendung der
imperialistischen Einheit Europas mit militärischen Mitteln
gearbeitet.
Franz Josef Strauß (1915-1988), der
CSU-Übervater, hat übrigens keine Tabus gekannt, wenn
er beklagte, dass die BRD ein wirtschaftlicher Riese, aber ein
politischer Zwerg sei. „Ein Volk, dass diese
wirtschaftliche Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von
Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“ (Originalton
Strauß vom 13.9.69, Frankfurter Rundschau)
Ellen Weber warnte: „Wir sollten unsere
Aufmerksamkeit darauf verwenden, daß diese
gefährliche Koalition von Großindustrie und jenen
Politikern der CDU/CSU allen Arbeitern in diesem Land bekannt und klar
wird.“
Zahlreiche Straßen tragen die Namen von
Abs und Strauß – über ihre
gefährliche Rechtsaußenpolitik wird nicht berichtet.
In Bonn verlangt die VVN-BdA seit langem die Aufstellung einer
Warntafel vor H.J.Abs – und zwar an der Filiale der Deutschen
Bank.
Ulrich Sander
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