Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

28.01.2018

Der Hitlerbankier H.J. Abs und die Geburtsstunde des deutschen Beitrags zur Globalisierung

Eine weitsichtige Rede von Ellen Weber aus dem Jahre 1968

1968 war nicht nur das Jahr der Studentenrevolte, es revoltierten auch Schüler und Lehrlinge, Klassenkämpfe wie die Septemberstreiks 1969 hatten ihren Aufschwung. Zugleich nahmen die Versuche zu, Westdeutschland – sie sagten immer „Deutschland“ – wieder zur führenden imperialistischen Macht werden zu lassen. Der Bonner Hermann Josef Abs (1901-1994), den die Londoner "Financial Times" Deutschlands berühmtesten Bankier nannte, hielt die die Wirtschaftsstruktur dar Bundesrepublik für äußerst verwundbar. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Bank AG kritisierte laut SPIEGEL vom 6. Januar 1969 Politiker, die in öffentlichen Reden Westdeutschland als zweitgrößte Handels- und drittgrößte Industrienation der Welt feierten. Nach seiner Ansieht müsste die Industrie in viel größerem Maße als bisher deutsche Unternehmen im Ausland errichten, um sich Rohstoffquellen zu sichern und in amerikanischem Maßstab für dritte Märkte produzieren zu können.

Im April 1969, auf dem ersten Parteitag der Deutschen Kommunistischen Partei – auch eine Errungenschaft der 68er – analysierte Ellen Weber, später langjährige zweite Vorsitzende der DKP – die Situation: „Wir alle wissen, wer richtig kämpfen will, muß den politischen Gegner immer scharf im Auge behalten. Ich möchte deshalb unsere Aufmerksamkeit auf eine Erscheinung richten, die sich in den letzten Wochen und Monaten in unserem Land immer deutlicher abzeichnet und für die es neuerdings ein paar eindrucksvolle Bestätigungen gibt.“

Sie sprach von Hermann Josef Abs, dem führenden Bankier unter Hitler wie Adenauer, der an allen Gemeinschaftsverbrechen von Wirtschaft und Nazismus beteiligt war. Der Chef der Deutschen Bank, habe unmißverständlich davon gesprochen, daß die Vertreter der deutschen Großbanken und der deutschen Großindustrie mit den seit dem zweiten Weltkrieg zur Verfügung stehenden Produktionsräumen unzufrieden sind, daß man sich wohl nicht abfinden könne mit dem, was da Deutschland noch zur Verfügung steht. „Wir wissen, daß schon das Wort des letzten Kaisers vom ‚Platz an der Sonne‘ nur die verschleierte Formulierung der Tatsache war, daß die deutschen Monopole nach neuen Absatzmärkten und Rohstoffquellen strebten.“

Der im Zusammenhang damit inszenierte erste Weltkrieg mit seinen Ergebnissen sei bekannt. Hitler habe in seiner Propagierung des Kampfes gegen den „Schandvertrag von Versailles“ sehr profiliert die Interessen der deutschen Großindustrie vertreten, die die Ergebnisse des ersten Weltkrieges eben nicht akzeptieren wollten und ihre Produktions- und Rohstoffmöglichkeiten wiederum ausdehnen wollten. Auch das Ergebnis davon sei bekannt.

Dieselben Herren, die schon unter Hitler eine bedeutende Rolle gespielt haben, wie z. B. Abs, stellten 1968/69 im Grunde die gleiche Frage, die die Großindustrie in unserem Lande schon zweimal gestellt hat: Wie kommen wir zu neuen Produktionsräumen? Ellen Weber sah voraus, was 50 Jahre mit der Globalisierung und dem Aufschwung des deutschen Imperialismus eingetreten ist.

Es sei auch kein Zufall, so sagte sie, daß bereits wieder Politiker diesen Forderungen der deutschen Großindustrie das entsprechende Programm lieferten. Die Theorien, die Franz Josef Strauß in seinen beiden Büchern „Entwurf für Europa“ und „Herausforderung und Antwort“ Ende der 60er Jahre dargelegt habe, lieferten haargenau das Konzept, das die deutsche Großindustrie damals forderte. „Er sagt, laßt uns zunächst Westeuropa schaffen und laßt uns in diesem vereinigten Westeuropa die Ausgangspositionen bilden für die Vereinigung Gesamteuropas auf einer gemeinsamen ökonomischen, kapitalistischen Grundlage.“ Strauß hatte nicht nur die ökonomischen Vorstellungen formuliert, auf die es Abs ankam, er hat darüber hinaus sich mit der Frage beschäftigt: „Wenn wir Europa schaffen wollen, auf welchem Wege kommen wir denn dahin?“

 Er habe ein Konzept geliefert, nach dem es ihm möglich erscheint, Gesamteuropa — Westeuropa und später Gesamteuropa — zu organisieren, wie es Abs verstanden wissen will. Er betonte vielsagend: Laßt uns gemeinsam an der Bombe basteln, laßt uns gemeinsam die europäische Nuklearstreitmacht schaffen. Damals ging es gegen den Atomwaffensperrvertrag. Die Herrschenden seien nicht dagegen, weil sie etwa wirtschaftlichen Rückstand fürchteten, sondern weil sie fürchten, daß ihnen der Griff nach der europäischen Nuklearstreitmacht verwehrt wird. Heute wird erneut das Thema europäische Nuklearstreitmacht aufgewärmt. Vor allem wird an der Vollendung der imperialistischen Einheit Europas mit militärischen Mitteln gearbeitet.

Franz Josef Strauß (1915-1988), der CSU-Übervater, hat übrigens keine Tabus gekannt, wenn er beklagte, dass die BRD ein wirtschaftlicher Riese, aber ein politischer Zwerg sei.  „Ein Volk, dass diese wirtschaftliche Leistungen vollbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen.“ (Originalton Strauß vom 13.9.69, Frankfurter Rundschau)

Ellen Weber warnte: „Wir sollten unsere Aufmerksamkeit darauf verwenden, daß diese gefährliche Koalition von Großindustrie und jenen Politikern der CDU/CSU allen Arbeitern in diesem Land bekannt und klar wird.“

Zahlreiche Straßen tragen die Namen von Abs und Strauß – über ihre gefährliche Rechtsaußenpolitik wird nicht berichtet. In Bonn verlangt die VVN-BdA seit langem die Aufstellung einer Warntafel vor H.J.Abs – und zwar an der Filiale der Deutschen Bank.

Ulrich Sander