07.09.2017
Die
Schwerindustrie setzt auf Hitler: Die
Wirtschaftskrise 1929 – 1932
Aus dem Katalog zur Ausstellung
„Verfolgung und Widerstand in Dortmund 1933-1945“ in der Steinwache
Wir dokumentieren das Kapitel aus dem Katalog (1992) mit Genehmigung des Stadtarchivs Dortmund. Die Fotos stammen aus
der Ausstellung in der Steinwache (Raum 7). Fotos: Monika Niehaus.
Ausgehend von dem sogenannten "Schwarzen Freitag",
dem 25. Oktober 1929, dem Kurs-Zusammenbruch der New Yorker
Börse, entwickelte sich eine Weltwirtschaftskrise von einem
Ausmaß, wie es die Welt bis dahin noch nicht erlebt hatte.
Als eine Folge davon stiegen auch im Deutschen Reich die
Arbeitslosenzahlen von 1,8 Millionen im Jahre 1929 auf über 6
Millionen im Februar 1932 und über 7 Millionen zu Beginn des
Jahres 1933.
Ganz besonders hart von der Wirtschaftskrise war
das industrielle Zentrum Deutschlands, das Ruhrgebiet und hier
insbesondere Dortmund, betroffen.
Dortmund stand
bevölkerungsmäßig mit 525 000 Einwohnern
(1932) an 10. Stelle der Großstädte im Deutschen
Reich. Ungefähr 210 000 Personen galten zu dieser Zeit als
erwerbstätig. Im Verhältnis zu anderen
Großstädten des Reiches erreichte die
Arbeitslosenquote in Dortmund ein überdurchschnittliches
Ausmaß. 1931/32 waren 33% (= 77 000) aller
Beschäftigten ohne Arbeit (Reichsdurchschnitt 24%, Berlin 26%).
Waren bereits in der Zeit vor 1932 zahlreiche
Zechen stillgelegt worden, so erreichte diese Entwicklung im Juni 1932
ihren Höhepunkt. Hatte die Gesamtbelegschaft auf den
Dortmunder Zechen Ende 1929 noch ca. 41 000 Arbeitskräfte
ausgemacht, so sank diese im Juni 1932 auf 18 000, also um
über 55%.
Eine ähnliche Tendenz wie im Bergbau war
in der Hütten- und Eisenindustrie zu verzeichnen. Hier waren
die Belegschaften im Zeitraum von 1929 bis 1932 um etwa 40% reduziert
worden, was bedeutete, daß von insgesamt 34 000
Beschäftigten etwa 14 000 ihre Entlassungspapiere erhalten
hatten.
Da es sich bei den meisten Beschäftigten,
insbesondere der Dortmunder Schlüsselindustrien, um
männliche Arbeitskräfte handelte, die eine Familie zu
ernähren hatten, kann man die Anzahl der von Entlassungen im
Rahmen der Wirtschaftskrise Betroffenen auf über 200 000
Personen schätzen.
Bei einer Gesamteinwohnerzahl von 525 000
Einwohnern im Jahre 1932 ergab sich für Dortmund,
daß 40% der Bevölkerung aus öffentlichen
Mitteln unterstützt werden mußten, was jeden
Sozialetat aus den Fugen geraten ließ.
Bedingt durch die wirtschaftlich einseitig
ausgerichtete Struktur Dortmunds verschärfte sich die Krise
relativ schnell und entzog einem Großteil der
Bevölkerung die existentiellen Grundlagen. Bis 1932 ging die
Rohstahlerzeugung um 60%, die Kohleförderung um über
50% zurück, womit alle übrigen Wirtschaftszweige der
Stadt zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Anfang Februar 1933 wurden in Dortmund offiziell
74 000 Arbeitslose, darunter 64 200 Männer, gezählt.
Unter dem Druck der Wirtschaftskrise hatte im
kommunalpolitischen Spektrum insbesondere die SPD als führende
Partei im Dortmunder Stadtparlament zu leiden, da auf kommunaler Ebene
soziale Entlastungsprogramme für die Arbeitslosen nicht mehr
finanzierbar waren. KPD und NSDAP profitierten dagegen von der hohen
Arbeitslosigkeit, zumindest was das Protestwählerpotential der
Jahre 1932/33 betraf. Die zu dieser Zeit in die Dortmunder
Stadtverordnetenversammlung eingebrachten Anträge belegen
deutlich, daß sich die KPD aufgrund sozialradikaler
Forderungen als Arbeiterpartei zu profilieren vermochte,
während die SPD gemeinsam mit der Zentrumspartei um eine
Konsolidierung des städtischen Haushalts bemüht war
und damit in eine schwierige Position geriet.
Adressaten der zahlreichen Hungerdemonstrationen
und Zielscheibe der Kritik wurden zunehmend Vertreter der SPD, wie der
damalige Sozialdezernent Gottlieb Levermann und Fritz Henßler
in seiner Funktion als Stadtverordnetenvorsteher. Beide
Repräsentanten der Stadtführung kanzelte das
Dortmunder KPD- Organ "Westfälischer Kämpfer" infolge
der Kürzung des städtischen Sozialetats als
"Sozialfaschisten" ab.
Die Arbeitslosigkeit im Deutschen Reich.
Die Dunkelziffer der nicht gemeldeten Arbeitslosen wird auf 1 bis 2 Millionen geschätzt.
Aufgrund neuerer Forschungen wird die
Arbeitslosenzahl (inkl. Dunkelziffer) für das 1. Quartal 1933 mit
7,8 Millionen Arbeitslosen angegeben.
Die Stufenleiter des sozialen Abstiegs.
Für die zunehmende Zahl der Arbeitslosen
griffen die sozialen Sicherungen nur kurz. Bereits die Inanspruchnahme
der Arbeitslosenunterstützung bedeutete einen tiefgreifenden
Einkommenseinschnitt. Bei den damaligen Einkommensverhältnissen
sank schon eine große Zahl der mit Arbeitslosenunterstützung
bedachten Personen unter das Existenzminimum.
Während die Arbeitslosenunterstützung
von der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und
Arbeitslosenversicherung gezahlt wurde, war für die
Krisenunterstützung die Kommune zuständig. Viele Erwerbslose
meldeten sich, da sie nicht anspruchsberechtigt waren, gar nicht erst
arbeitslos. Bei jüngeren Arbeitssuchenden war es häufig
üblich, in andere Regionen zu wechseln.
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Die öffentliche Fürsorge war
damals bereits an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit
angelangt; die städtischen Wohlfahrtsämter standen
vor unlösbaren Aufgaben.
Die soziale und ökonomische Verelendung
der Bevölkerung ist zu berücksichtigen, wenn man das
Anwachsen der politischen Radikalisierung sowie die Wahlergebnisse von
1932 einer Analyse unterzieht. Erst in dieser desolaten Situation, in
der sich die arbeitende Bevölkerung befand, konnten die
radikalen Parteien mit ihren Versprechungen, einen Ausweg aus der
Misere bereit zu haben, verstärkte Resonanz finden, auch wenn
dies für das traditionell "rote Dortmund" lediglich
eingeschränkt zutraf. Konnte die NSDAP in Dortmund auch nur
sehr schwer Fuß fassen, so trugen die Wirtschaftskrise und
die Krise des parlamentarischen Systems der Weimarer Republik doch
wesentlich dazu bei, den Wählerstimmenanteil der
Nationalsozialisten 1932/33 erheblich zu steigern.
Neueren wahlanalytischen Forschungen zufolge (J.W.
Falter, Hitlers Wähler, München 1991)
wählten Arbeitslose überdurchschnittlich die KPD,
während auf der anderen Seite der NSDAP-Wähleranteil
nicht mehr so einhellig wie bisher der kleinbürgerlichen
Mittelschicht zugeordnet wird. Unter dem Protestwähleranteil,
der für die NSDAP votierte, fand sich in der Endphase der
Republik demnach auch - verstärkter als bisher angenommen -
die Arbeiterschicht wieder. Die NSDAP war zu einer "Volkspartei des
Protestes" geworden.
*
Mitentscheidend für den Aufstieg der
Nationalsozialisten war es, daß sie sich zu einem bestimmten
Zeitpunkt die Unterstützung führender deutscher
Industrieller sichern konnten.
Die Mehrheit der deutschen Industrie war an der
Lösung der Krise auf der Basis einer parlamentarischen
Demokratie kaum interessiert. Insbesondere versprach sich die
einflußreiche Schwerindustrie von einer Aufrüstung
Deutschlands Gewinne. Vor 1932 wurde die NSDAP noch sehr
zurückhaltend unterstützt, da man Vorbehalte
gegenüber dem "sozialistischen" Flügel der
NS-Bewegung hatte und Sozialisierungsmaßnahmen im Falle einer
NS- Regierung befürchtete. Das Bündnis der NSDAP mit
der nationalen Rechten schuf jedoch neue Perspektiven.
Hitler benutzte das Treffen der Harzburger Front
1931, um die Stärke der NSDAP zu demonstrieren. Die auf dieser
Tagung vertretenen Industrieführer konnten sich jedoch noch
nicht entscheiden, welche Rechtspartei sie unterstützen
sollten. Das Ansteigen des Wählerpotentials der NSDAP
führte dann 1932 zu einer eindeutigen Orientierung dieser
Kreise auf Adolf Hitler. Mit den Industriespenden konnte Hitler seinen
aufwendigen Mitarbeiterstab finanzieren und die vielen
Wahlkämpfe mit für die damalige Zeit sehr modernen
Mitteln führen. Er gehörte zu den ersten Politikern,
die konsequent das Flugzeug im Wahlkampf einsetzten, um
möglichst schnell und häufig präsent zu
sein. Bedeutsam wurde der Einfluß der Industrie, als sich die
NSDAP im Herbst 1932 in einer Krise befand. Nach ihrem
Höchststand bei den Reichstagswahlen im Juli 1932
mußte sie bei den Wahlen im November desselben Jahres
empfindliche Stimmen- und Mandatsverluste einstecken. In
dieser Situation wirkten führende Industrieführer auf
den Reichspräsidenten von Hindenburg ein, Hitler zum
Reichskanzler zu ernennen.
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Hitler vor dem Düsseldorfer Industrieclub, 27. Januar 1932.
Die Hitlerbewegung hatte sich etabliert. Wichtige
Voraussetzung dafür war der Auftritt Adolf Hitlers im
Düsseldorfer Industrieclub, einer Vereinigung der wichtigsten
Industriellen des Rhein-Ruhrgebiets, vom 27. Januar 1932. Ganz links:
Hitler; daneben: Göring; am Mikrofon: Fritz Thyssen.
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Titelblatt und Foto des Autoren aus dem Buch: "I paid Hitler" von Fritz
Thyssen (1873 - 1951), das 1941 in London erschien.
Fritz Thyssen leitete von 1926 bis 1939 den von
seinem Vater in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
aufgebauten Thyssen- Konzern, eines der größten
europäischen Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie. Als
Vorsitzender des internationalen Rohstoffkartells (ab 1928) und
Aufsichtsratsvorsitzender der Vereinigten Stahlwerke AG (bis 1935) war
Fritz Thyssen einer der einflußreichsten Industriellen
Deutschlands.
1931 trat er der NSDAP bei, die er bereits seit
1923 finanziell unterstützt hatte, und stellte für
Hitler Kontakte zur Montanunion her. Im Laufe der NS-Herrschaft kam es
zu Spannungen mit der nationalsozialistischen Führung, u.a.
wegen der Judenverfolgung. Aufgrund wachsender Differenzen emigrierte
Thyssen 1939 mit seiner Frau in die Schweiz. 1941 wurden beide in
Frankreich verhaftet und in einem Konzentrationslager interniert.
Fritz Thyssen starb 1951 in Buenos Aires.
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Exzellenz, Hoch zu verehrender Herr
Reichspräsident!
Gleich Eurer Exzellenz durchdrungen von
heißer Liebe zum deutschen Volk und Vaterland, haben die
Unterzeichneten die grundsätzliche Wandlung, die Eure
Exzellenz in der Führung der Staatsgeschäfte
angebahnt haben, mit Hoffnung begrüßt. Mit Eurer
Exzellenz bejahen wir die Notwendigkeit einer vom parlamentarischen
Parteiwesen unabhängigen Regierung, wie sie in dem von Eurer
Exzellenz formulierten Gedanken eines Präsidialkabinetts zum
Ausdruck kommt. Der Ausgang der Reichstagswahl vom 6. November d. J.
hat gezeigt, dass das derzeitige Kabinett, dessen aufrechten Willen
niemand im deutschen Volk bezweifelt, für den von ihm
eingeschlagenen Weg keine ausreichende Stütze im deutschen
Volk gefunden hat, dass aber das von Eurer Exzellenz gezeigte Ziel eine
volle Mehrheit im deutschen Volk besitzt, wenn man - wie es geschehen
muss - von der staatsverneinenden Kommunistischen Partei absieht. Gegen
das bisherige parlamentarische Parteiregime sind nicht nur die
Deutschnationale Volkspartei und die ihr nahestehenden kleinen Gruppen,
sondern auch die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
grundsätzlich eingestellt und haben damit das Ziel Eurer
Exzellenz bejaht. Wir halten dieses Ergebnis für
außerordentlich erfreulich und können uns nicht
vorstellen, dass die Verwirklichung dieses Zieles nunmehr an der
Beibehaltung einer unwirksamen Methode scheitern sollte.
Es ist klar, dass eine des öfteren
wiederholte Reichstagsauflösung mit sich häufenden,
den Parteikampf immer mehr zuspitzenden Neuwahlen nicht nur einer
politischen, sondern auch jeder wirtschaftlichen Beruhigung und
Festigung entgegenwirken muss. Es ist aber auch klar, dass jede
Verfassungsänderung, die nicht von breitester
Volksströmung getragen ist, noch schlimmere wirtschaftliche,
politische und seelische Wirkungen auslösen wird.
Wir erachten es deshalb für unsere
Gewissenspflicht, Eure Exzellenz ehrerbietigst zu bitten, dass zur
Erreichung des von uns allen unterstützten Zieles Eurer
Exzellenz die Umgestaltung des Reichskabinetts in einer Weise erfolgen
möge, die die größtmögliche
Volkskraft hinter das Kabinett bringt.
Wir bekennen uns frei von jeder engen
parteipolitischen Einstellung. Wir erkennen in der nationalen Bewegung,
die durch unser Volk geht, den verheißungsvollen Beginn einer
Zeit, die durch Überwindung des Klassengegensatzes die
unerlässliche Grundlage für einen Wiederaufstieg der
deutschen Wirtschaft erst schafft. Wir wissen, dass dieser Aufstieg
noch viele Opfer erfordert. Wir glauben, dass diese Opfer nur dann
willig gebracht werden können, wenn die
größte Gruppe dieser nationalen Bewegung
führend an der Regierung beteiligt wird.
Die Übertragung der verantwortlichen
Leitung eines mit den besten sachlichen und persönlichen
Kräften ausgestatteten Präsidialkabinetts an den
Führer der größten nationalen Gruppe wird
die Schwächen und Fehler, die jeder Massenbewegung
notgedrungen anhaften, ausmerzen und Millionen Menschen, die heute
abseits stehen, zu bejahender Kraft mitreißen.
In vollem Vertrauen zu Eurer Exzellenz Weisheit
und Eurer Exzellenz Gefühl der Volksverbundenheit
begrüßen wir Eure Exzellenz
mit größter Ehrerbietung
Unterzeichnet wurde dieser Brief u. a. von:
Dr. Hjalmar Schacht (Bankier / Berlin, ab
März 1933 Präsident der Reichsbank),
Kurt Freiherr von Schröder (Bankier /
Köln),
Fritz Thyssen (Unternehmer/ Mülheim),
Eberhard Graf von Kalckreuth (Vorsitzender des
Reichslandbundes / Berlin),
Friedrich Reinhart (Direktor der Commerz- und
Privatbank / Berlin),
Kurt Woermann (Aufsichtsrat der Commerzbank /
Hamburg),
Kurt von Eichborn (Bankier / Breslau),
Carl Vincent Krogmann (Bürgermeister von
Hamburg)
Ihre Zustimmung zum Inhalt des Briefes, ohne ihn
zu unterzeichnen, erklärten:
Albert Vögler (Vorstandsvorsitzender
Vereinigte Stahlwerke AG / Essen),
Paul Hermann Reusch (Vorstand der Oberhausener
Gutehoffnungshütte / GHH),
Fritz Springorum (Aufsichtsrat der Hoesch AG)
|
Eingabe von führenden Industriellen,
Bankiers und Großagrariern an den Reichspräsidenten
von Hindenburg.
Nachdem es sich bei den Wahlen des Jahres 1932
gezeigt hatte, daß die NSDAP keine parlamentarische Mehrheit
erzielen konnte, setzten sich führende Industrielle und
Wirtschaftschefs beim Reichspräsidenten für die
Ernennung Hitlers zum Reichskanzler ein. Der Brief wurde nach der
Reichstagswahl vom 6. November 1932, bei der die NSDAP erhebliche
Stimmeneinbußen erlitten hatte, geschrieben. Die Abbildung
zeigt das gedruckte Sammelexemplar. Die Einzelexemplare, ebenfalls
gedruckt, waren handschriftlich unterzeichnet.
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Links: Dr.-Ing. Fritz Springorum jun. (1886-1942),
Industrieller aus Dortmund, seit 1920 Generaldirektor des Eisen- und
Stahlwerkes Hoesch.
Rechts: Friedrich Springorum (1858-1939),
Industrieller aus Dortmund, Leiter des Eisen- und Stahlwerkes Hoesch
Kommerzienrat Friedrich Springorum leitete von
1905 bis 1920 als Generaldirektor das Eisen- und Stahlwerk Hoesch.
Unter seiner Direktion entwickelte sich das Unternehmen zu einem der
führenden Großbetriebe der Schwerindustrie
Deutschlands. Er war als Nationalliberaler u. a. Mitglied im ehem.
Preußischen Herrenhaus, Stadtverordneter in Dortmund von 1900
bis 1918, Senatspräsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaften. Springorum war ein konservativer
Repräsentant des traditionellen Kerns der
rheinisch-westfälischen Schwerindustrie und des
autoritären Obrigkeitsstaates zur Zeit des Kaiserreichs. 1938,
in einem Nachruf anläßlich seines Todes, wurde
Friedrich Springorum, nach dem man 1917/18 eine Straße in
Dortmund benannt hatte, in der von den Nationalsozialisten
„gleichgeschalteten" Presse (Dortmunder Zeitung vom 18. Mai
1938) für Reputations- und Propagandazwecke der NSDAP posthum
„vereinnahmt". Für eine aktive
Unterstützung des Nationalsozialismus finden sich bei
Friedrich Springorum keine Hinweise.
Fritz Springorum jun. hatte 1920 als
Generaldirektor die alleinige Verantwortung für das
Unternehmen Eisen- und Stahlwerk Hoesch von seinem Vater Friedrich
.Springorum (1858-1938) übernommen. Neben dem Dortmunder
Industriellen Albert Vogler unterstützte Fritz Springorum, der
als Mitglied der DNVP (Deutschnationalen Volkspartei) zum rechten
Flügel der Schwerindustrie zählte, bereits zur
Weimarer Zeit republikfeindliche Kreise und verschloß sich
auch einer Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten nicht. Auch
stellte er sich, zumindest in den Jahren 1933 bis 1936, in den Dienst
des Nationalsozialismus, zumal er in den gleichgeschalteten
NS-Reichstag berufen und zum SA-Obersturmführer ernannt worden
war. 1936/37 zog er sich aus gesundheitlichen Gründen aus der
aktiven Politik und Wirtschaft zurück.
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Vögler, Nachfolger Kirdorfs als Vorsitzender des
Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats, verweigerte dem
NS-Regime seine Mitarbeit nicht. Vogler hatte die Deutsche Volkspartei
(DVP) mitbegründet und zählte zu dem rechten,
nationalistischen Flügel, der sich 1924 als Nationalliberale
Reichspartei abspaltete. Im Verlauf des Jahres 1932 schwenkte er zu den
Nationalsozialisten über, ohne jedoch eingetragenes
Parteimitglied zu werden.
Seit 1933 Reichstagsabgeordneter für die
NSDAP und Mitglied des Generalrates der Wirtschaft, seit 1942 Mitglied
im Industrierat des Oberkommandos des Heeres (OKH), wurde Vogler 1944
von den Nazis mit dem Titel "Pionier der Arbeit" geehrt. Lange Zeit
führte er auch den Vorsitz der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
(heute Max-Planck-Gesellschaft).
Am 14. April 1945 wurde er von amerikanischen
Soldaten in seinem Haus "Ende" in Herdecke verhaftet. Er beging
unmittelbar nach der Verhaftung Selbstmord.
Im Zusammenhang mit der Machtübernahme
der Nationalsozialisten ist es von großer Bedeutung gewesen,
daß die Leitung des größten deutschen
Stahlkonzerns, der Vereinigten Stahlwerke, Generaldirektor Albert
Vogler und dessen Bankier Curt von Schröder, für die
NSDAP gewonnen werden konnte.
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Emil Kirdorf (1847-1938)
Der aus einer Familie der Textilindustrie des
Bergischen Landes stammende Kirdorf stieg nach seinem Wechsel zur
Kohlewirtschaft zu einem der führenden Industriellen des
Montanbereichs auf. Als Leiter des von ihm gegründeten
Kohlensyndikats und Mitinitiator der damals mächtigsten
Montangesellschaft in Deutschland, der Vereinigten Stahlwerke,
verkörperte er den Typ des autoritären Unternehmers
mit reaktionären Ordnungsvorstellungen. Den politischen Zielen
der Nazis, zu deren frühen Förderern er
gehörte, fühlte er sich verpflichtet. Zwischen 1930
und 1933 zahlte er ca. 700 000 RM an die NSDAP.
Der Ehrenbürger der Städte
Gelsenkirchen und Mülheim und Inhaber zahlreicher
Auszeichnungen - u.a. wurde ein Schacht der Dortmunder Zeche Minister
Stein nach ihm benannt - wurde 91 Jahre alt. Sein
Staatsbegräbnis erfolgte im Beisein Hitlers.
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“Millionen stehen hinter mir!”
Fotomontage von John Heartfield
Die Fotomontage war Titelbild der
"Arbeiter-Illustrierte-Zeitung" (AIZ) vom 16. Oktober 1932, zu einem
Zeitpunkt, da einflußreiche Kreise der deutschen Industrie
anfingen, Hitler und die NSDAP massiv zu unterstützen.
Die AIZ erschien seit 1921 und wurde 1926 zum
Wochenblatt mit Dokumentarberichten, Fotoreportagen und literarischen
Beiträgen erweitert. In den Jahren vor 1933
unterstützte sie den Kampf gegen den faschistischen Terror und
enthüllte das Gesicht des Faschismus. Innerhalb der deutschen
Arbeiterbewegung galt die AIZ als eines der populärsten
Organe; die Auflage erreichte zeitweilig 4,5 Millionen!
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