03.07.2017
Das Nazi-Schwert vom Schalker Verein
Ein
kriegsverherrlichendes Denkmal aus Firmenbesitz bezeichnet die Toten
des WK II als „für Deutschland gestorben“. Es wurde
von der Stadt Gelsenkirchen unter Protest neu aufgestellt
In
der Stadt Gelsenkirchen wurde ein 1937 errichtetes und lange
vergessenes Denkmal, mit dem die Nazis die „gefallenen
Arbeitskameraden“ (Inschrift) des Ersten Weltkrieges in den
Dienst ihrer faschistischen Kriegspolitik gestellt hatten, 2015 unter
Denkmalschutz gestellt und an einen öffentlichen Weg platziert.
Bei dem in den Sitzungsvorlagen der Stadtverwaltung
wahlweise als Kriegerdenkmal oder Ehrenmal bezeichneten Nazi-Objekt
handelt es sich um eine 6 Meter hohe Stele aus sechs grauen
Granitquadern, an der ein 5 Meter hohes gusseisernes, steil
aufgerichtetes und lorbeerumkränztes Schwert angebracht ist. Das
künstlerisch anspruchslose Schwert wurde vermutlich im Werk selbst
hergestellt. Das Schwertmotiv bezieht sich höchstwahrscheinlich
auf die im Ersten Weltkrieg in vielen Städten aufgestellten
Holzschwerter, in die gegen Spenden für die Unterstützung von
Kriegshinterbliebenen Nägel eingeschlagen werden durften. In
Gelsenkirchen stand ein solches „Schwert von Gelsenkirchen“
1915 auf dem Neumarkt.
Die Geschichte
Das Nazi-Denkmal wurde 1937 auf dem Betriebsgelände
des Schalker Vereins, einem Unternehmen der Eisen- und Stahlindustrie,
im Stadtteil Bulmke-Hüllen errichtet. Es entstand vermutlich als
Auftragsarbeit der Werksleitung und wurde nach Entwürfen des
Bildhauers Hubert Nietsch, der durch weitere nazi-affine Kunst bekannt
ist, gestaltet. Eingeweiht wurde es inmitten eines sogenannten
„Ehrenhofes“ mit einer Feier am 1. Mai 1937, den von der
internationalen Arbeiterbewegung gestohlenen und von den Nazis zum
„Tag der nationalen Arbeit“ umgedeuteten Mai-Feiertag.
Die beiden Seiten der Stele sind mit „Unseren
gefallenen Arbeitskameraden 1914 1918“ und „Sie starben
für Deutschland“ beschriftet und zeigen überdeutlich
den Zweck des Objektes, nämlich mit der Errichtung von
Kriegerdenkmalen an den Ersten Weltkrieg den folgenden Eroberungs- und
Vernichtungskrieg, den wir heute als Zweiten Weltkrieg kennen,
ideologisch vorzubereiten. Dies wurde von den Nazis auch offen bei den
Einweihungsreden ausgesprochen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die
Jahreszahlen „1939 1945“ hinzugefügt. Danach geriet
das Nazi-Schwert völlig in Vergessenheit und wuchs an einer
unbeachteten Stelle hinter den Torhäusern zu. Erst nach dem
Verkauf des Schalker Vereins an die Firma Saint-Gobain und aufgrund der
Umgestaltung des Werksgeländes geriet es wieder in den
öffentlichen Fokus.
Standortverlagerung an einen öffentlichen Weg
Erstmalig
erfuhr die Gelsenkirchener VVN-BdA von dem Nazi-Schwert 2014, als ein
Mitglied an einer Führung zu Denkmalen des Ersten Weltkrieges
teilnahm. Allerdings konnte das Nazi-Objekt, da es sich auf dem
Firmengelände befand, nicht besichtigt werden.
Am 4. März 2015 wurde die Eintragung in die
Denkmalliste durch die Bezirksvertretung Gelsenkirchen-Mitte
beschlossen. Die Beschlussvorlage enthält eine ausführliche
Begründung des Denkmalwerts und nennt historische und
kunstgeschichtliche Gründe, die für die „Erhaltung und
Nutzung“ des Nazi-Schwerts sprächen.
In derselben Sitzung wurde mit einer weiteren
Beschlussvorlage die geplante Verlagerung des Denkmals an einen
öffentlichen Fußweg vorgestellt. Als Grund wird angegeben,
dass es am jetzigen Standort „einer Vermarktung und Entwicklung
eines Gewerbe- und Industrieparks im Wege“ stünde. Die
Kosten der Verlagerung in Höhe von rund 30.500 Euro würden
sich der Eigentümer, die Firma Saint-Gobain und die Stadt
Gelsenkirchen teilen.
Mit der Standortverlagerung werde das Nazi-Schwert
zugleich in einen neuen Kontext gestellt. Ohne eine Änderung der
Ästhetik, nur mit einer einfallslosen „künstlerischen
Ergänzung“ durch eine Stahlplatte, der Inschrift „Die
Opfer der Kriege mahnen zum Frieden“ sowie einer den Hintergrund
erläuternden Tafel soll es nun „zu Frieden und
Völkerverständigung ... mahnen“.
Der Skandal
War dieser Vorgang schon unverständlich und
unerträglich genug, schaffte die etablierte Stadtgesellschaft noch
eine völlig unerwartete Steigerung. Anlass für die folgenden
Aktivitäten der Gelsenkirchener VVN-BdA war eine Randbemerkung in
einer weiteren Beschlussvorlage der Stadtverwaltung. Ein in
Gelsenkirchen als unbequemer linker Sozialdemokrat bekannter Petent
regte an, dass Nazi-Schwert zu entsorgen und die eingesparten Kosten
sinnvoll zu verwenden. Erwartungsgemäß wurde diese Anregung
in der Sitzung des Kulturausschusses am 16. September 2015 von der
Mehrheit abgelehnt. Darüber hinaus wurde mit einer bodenlosen
Unverschämtheit das Ansinnen, das Nazi-Objekt zu zerstören,
mit der Strategie der „Taliban oder religiösen
Eiferern“ verglichen. Schließlich wurde mitgeteilt, dass
die „Demokratische Initiative“ beschlossen habe, ihre
jährliche Veranstaltung am 9. November zur Erinnerung an die
Reichspogromnacht 1938 an eben diesem Nazi-Schwert enden zu lassen. Bei
dieser „Demokratischen Initiative gegen Diskriminierung und
Gewalt, für Menschenrechte und Demokratie“ handelt es sich
um einen losen Verbund Gelsenkirchener Parteien und weiterer
Organisationen unter der Schirmherrschaft des Oberbürgermeisters.
Die VVN-BdA Gelsenkirchen reagierte mit einem Offenen
Brief an den Oberbürgermeister und forderte ihn auf, den geplanten
Kundgebungsort zu verlegen, da ein Denkmal für die gefallenen
Soldaten eines Krieges niemals ein adäquates Denkmal für
jüdische Opfer des Krieges sein könne. Ferner forderte sie
den Oberbürgermeister auf, sich dafür einzusetzen, dass aus
dem Nazi-Schwert durch eine radikale Verfremdung ein antifaschistisches
Gesamtkunstwerk werde. Vorgeschlagen wurde ein Aufruf an
Gelsenkirchener Künstler und Bürger, „um das wertlose
Schandmal durch ganz unterschiedliche Installationen phantasievoll und
kreativ einzurahmen und zu kommentieren“.
Die Gelsenkirchener WAZ thematisierte in ihrer Ausgabe
am 4. November 2015 und an den folgenden Tagen sowohl das Nazi-Schwert
wie auch die Kritik der VVN-BdA.
Die „Demokratische Initiative“ änderte
aufgrund der öffentlichen Kritik ihre Route ein wenig. Sie hielt
am Nazi-Schwert eine Zwischenkundgebung ab und verlegte die
Abschlusskundgebung auf den nahe gelegenen Alten Jüdischen
Friedhof. Aus der als Reminiszenz an den Schalker Verein geplanten
Stahlplatte war übrigens ein Steinblock mit der Aufschrift
„Die Toten mahnen zum Frieden“ geworden.
In der Nacht zum 9. November überwand eine nicht
näher bekannte „Aktionsgruppe Kunst und Kampf“ die
Absperrungen und verübte einen Farbanschlag auf das Nazi-Objekt.
Am 9. November selbst demonstrierten SJD – Die Falken direkt am
Nazi-Schwert, während das „Bündnis gegen Krieg und
Faschismus“, in dem Mitglieder der VVN-BdA vertreten sind, zu
einer unabhängigen Zwischenkundgebung vor dem Haus einer in der
Reichspogromnacht verfolgten jüdischen Familie aufgerufen hatte.
Für eine eigene Antwort auf den Offenen Brief war
sich der OB zu fein und beauftragte den Leiter des Instituts für
Stadtgeschichte mit einer schriftlichen Antwort, der nach einer Antwort
seitens der VVN-BdA zu einem Gespräch im Institut für
Stadtgeschichte führte. Ergebnis: Für die Stadt Gelsenkirchen
handele es sich um einen abgeschlossen Vorgang.
Fazit
Das Nazi-Schwert steht nun am neuen Ort. Flankiert wird
es von je zwei neugepflanzten Bäumen rechts und links. Böse
Zungen sagen, es fehle nur ein Gartenzaun und ein paar Gartenzwerge.
Quelle und zukünftige Berichterstattung hier: https://antifaschistischesgelsenkirchen.wordpress.com/tag/nazi-schwert/
|