30.06.2017
Die Bezirksvertretung
Dortmund Innenstadt West sagte Nein
Zum Stand
der Umsetzung eines Beschlusses „Kennzeichnung der Ruhrlade
als Tatort“ der VVN-BdA Dortmund
Unsere Eingabe für eine Erinnerungstafel
an die Verbrechen der NS-Wirtschaft an der Hainallee (wir hatten dazu
Anfang Januar die Initiative ergriffen) ist vom Rat der Stadt mit
Nichtbefassung beantwortet worden und von der
Bezirksvertretung Innenstadt-Ost mit einer Ablehnung, die jetzt bei mir
eintraf: „Die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost nimmt die
Eingabe der Organisation (gemeint ist die VVN-BdA) zur Kenntnis. Nach
Beratung der Fraktionen lehnt die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost den
Antrag auf Aufstellung einer Gedenktafel einstimmig ab.“ Der
Beschluss war vom 16.05.17, der Brief vom 24.5.17 Zeichen: 33 BV In-O.
Claudia
Behlau, Geschäftsstelle der Fraktion DIE LINKE &
PIRATEN im Rat der Stadt Dortmund teilte der VVN-BdA mit:
Wir haben nun die Fakten zur Sitzung der BV Ost
und Ihrem Antrag auf Aufstellung einer Erinnerungstafel
zusammengetragen. Der Antrag stand wohl im März 2017 das erste
Mal auf der Tagesordnung. Dort wurde er erst einmal zur
Überprüfung ans Stadtarchiv gegeben.
Die Stellungnahme vom Stadtarchiv ist
angehängt und hat wohl den Ausschlag für die
ablehnende Entscheidung gegeben - auch bei den Piraten und unserem
linken Bezirksvertreter Karl Krämer. Karl Krämer
sagt, dass er die Erläuterung des Stadtarchivs
schlüssig findet und seiner Meinung nach der von Ihnen
vorgeschlagene Termin nicht ganz korrekt sei.
Zudem soll die BV wohl mehrheitlich der Meinung
gewesen sein, dass die geplante Tafel am Phoenixsee ausreichend sei.
Das sieht auch Karl Krämer so, der Ihnen ausrichten
lässt, dass er zu viele Erinnerungstafeln für
unglücklich hält, da sich diese
erfahrungsgemäß nur zu Nazi-Treffpunkten entwickeln
würden.
Dazu stellt
Ulrich Sander fest:
Unser Antrag wurde vom Stadtrat nicht zur Beratung
angenommen, weil er seit acht Jahren bereits abgelehnt worden sei. Die
Bezirksvertretung Innenstadt Ost behandelte den Antrag, aber lehne ihn
ab. Sie schloss sich der Position von Dr. Mühlhofer an, zu der
man viel sagen könnte und noch muss (- vor allem, dass er die
heutige Extremismusdoktrin Rechts-gleich-links auf die Vergangenheit
überträgt, die Nazis und Kommunisten als
Zerstörer der Weimarer Republik auf eine Stufe stellt und
nicht auf die Ruhrlade eingeht). Die LINKEN haben für
Einstimmigkeit in der Abstimmung gegen uns gesorgt! Das ist
äußerst deprimierend.
Unser Antrag
vom 7.1.17
Siehe http://www.verbrechen-der-wirtschaft.de/texte/0118_ruhrlade.htm
Nachfolgend
die Empfehlung der Verwaltung, unseren Antrag abzulehnen
Antrag VVN-BDA
(Ulrich Sander) für eine Gedenktafel in der Hainallee
15.05.2017
41 /Archiv F22159.
Die beantragte Tafel wirft wichtige historische
Fragen auf, die ich im Folgenden in aller Kürze
erläutern möchte. Letztlich geht es um die Frage,
warum Hitler am 30. Januar 1933 Kanzler wurde. Dies ist eine
äußerst komplexe Frage. Sie muss in zwei Richtungen
beantwortet werden:
1. Warum scheiterte
die erste deutsche Demokratie?
2. Was passierte um
die Tage des 30. Januars 1933?
Zur ersten Frage:
Bereits seit 1930 regierten in Deutschland nur
noch Kabinette, die vom Reichspräsidenten eingesetzt worden
waren. Die Zahl der Menschen, die eine demokratische Zukunft in
Deutschland wollten, wurde immer geringer. Eigentlich waren es nur noch
die Sozialdemokraten.
Die geistige Elite der Republik, die vielfach von
Beginn an reserviert der Demokratie gegenüber gestanden hatte,
wandte sich immer stärker ab. Zudem hatten die Gegner von
rechts (NSDAP) und die von links (KPD) einen immer
größeren Zulauf. Die Massenbasis der Antidemokraten
wurde immer größer. Die Wirtschaftseliten, v.a. die
Schwerindustrie, war von Beginn skeptisch gegenüber der
Demokratie. Viel lieber hätten sie ihre Geschäfte in
einem monarchischen System weitergeführt. Einige, wie
Rathenau, wurden aber auch zu aktiven Demokraten. Ende 1932/Anfang 1933
waren die führenden Wirtschaftsvertreter an einer
„Sammlung der nationalen Konzentration“
interessiert, also einem rechtskonservativen Zusammenschluss der
bürgerlichen Kräfte als Gegengewicht gegen Hitler.
Für die meisten Schwerindustriellen waren die
Nationalsozialisten nämlich eine Ansammlung von Proleten, die
- wie im Parteiprogramm der NSDAP festgeschrieben - eine
Verstaatlichung der Großindustrie betreiben wollten. Dass es
daneben einzelne gab, die aktive Anhänger Hitlers waren, wie
Fritz Thyssen und Emil Kirdorf, soll nicht unter den Tisch fallen.
Die Industriekapitäne wollten also
durchaus die Demokratie abschaffen und ein Modell, ähnlich dem
Dollfuß‘schen in Österreich,
einführen. Wahrscheinlich wären der Menschheit aber
dann die Shoah und ein von Deutschland angezettelter Zweiter Weltkrieg
erspart geblieben.
Dass die Wirtschaft nach dem Beginn der
Kanzlerschaft Hitlers gute Geschäfte mit der
nationalsozialistischen Politik gemacht hat, ist unbestreitbar. Daraus
Schlüsse auf deren Einstellungen vor 1933 zu ziehen, ist
historisch aber nicht statthaft.
Zur zweiten Frage:
Nahezu alle Historiker sind der Meinung, dass vor
allem der Reichslandbund, die Vereinigung der Großagrarier
und Junker, bei Hindenburg die Kanzlerschaft Hitlers durchgesetzt hat.
Das passt auch gut in die Persönlichkeitsstruktur des
Reichspräsidenten. Selber ostpreußischer Junker
hörte er lieber auf seinesgleichen. Selbst wenn die
führenden Industriemanager sich bei ihm für Hitler
verwandt hätten (was sie nicht getan haben), hätte
Hindenburg nicht zwangsläufig auf sie gehört.
Aus dem obigen folgt, dass das Stadtarchiv einer
Tafel an der Hainallee mit der vorgeschlagenen Beschriftung nicht
zustimmen kann. Ein ähnlicher Antrag wurde bereits 2009 von
der VVN als Bürgerantrag gestellt und im damals
zuständigen Ausschuss für Bürgerdienste,
öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden am 3. Februar
2009 abgelehnt.
Dr. Mühlhofer
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