Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

30.06.2017

Die Bezirksvertretung Dortmund Innenstadt West sagte Nein

Zum Stand der Umsetzung eines Beschlusses „Kennzeichnung der Ruhrlade als Tatort“ der VVN-BdA Dortmund

Unsere Eingabe für eine Erinnerungstafel an die Verbrechen der NS-Wirtschaft an der Hainallee (wir hatten dazu Anfang Januar die Initiative ergriffen) ist vom Rat der Stadt mit Nichtbefassung beantwortet worden  und von der Bezirksvertretung Innenstadt-Ost mit einer Ablehnung, die jetzt bei mir eintraf: „Die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost nimmt die Eingabe der Organisation (gemeint ist die VVN-BdA) zur Kenntnis. Nach Beratung der Fraktionen lehnt die Bezirksvertretung Innenstadt-Ost den Antrag auf Aufstellung einer Gedenktafel einstimmig ab.“ Der Beschluss war vom 16.05.17, der Brief vom 24.5.17 Zeichen: 33 BV In-O.

Claudia Behlau, Geschäftsstelle der Fraktion DIE LINKE & PIRATEN im Rat der Stadt Dortmund teilte der VVN-BdA mit:

Wir haben nun die Fakten zur Sitzung der BV Ost und Ihrem Antrag auf Aufstellung einer Erinnerungstafel zusammengetragen. Der Antrag stand wohl im März 2017 das erste Mal auf der Tagesordnung. Dort wurde er erst einmal zur Überprüfung ans Stadtarchiv gegeben.

Die Stellungnahme vom Stadtarchiv ist angehängt und hat wohl den Ausschlag für die ablehnende Entscheidung gegeben - auch bei den Piraten und unserem linken Bezirksvertreter Karl Krämer. Karl Krämer sagt, dass er die Erläuterung des Stadtarchivs schlüssig findet und seiner Meinung nach der von Ihnen vorgeschlagene Termin nicht ganz korrekt sei.

Zudem soll die BV wohl mehrheitlich der Meinung gewesen sein, dass die geplante Tafel am Phoenixsee ausreichend sei. Das sieht auch Karl Krämer so, der Ihnen ausrichten lässt, dass er zu viele Erinnerungstafeln für unglücklich hält, da sich diese erfahrungsgemäß nur zu Nazi-Treffpunkten entwickeln würden.

Dazu stellt Ulrich Sander fest:

Unser Antrag wurde vom Stadtrat nicht zur Beratung angenommen, weil er seit acht Jahren bereits abgelehnt worden sei. Die Bezirksvertretung Innenstadt Ost behandelte den Antrag, aber lehne ihn ab. Sie schloss sich der Position von Dr. Mühlhofer an, zu der man viel sagen könnte und noch muss (- vor allem, dass er die heutige Extremismusdoktrin Rechts-gleich-links auf die Vergangenheit überträgt, die Nazis und Kommunisten als Zerstörer der Weimarer Republik auf eine Stufe stellt und nicht auf die Ruhrlade eingeht). Die LINKEN haben für Einstimmigkeit in der Abstimmung gegen uns gesorgt! Das ist äußerst deprimierend.

Unser Antrag vom 7.1.17

Siehe http://www.verbrechen-der-wirtschaft.de/texte/0118_ruhrlade.htm

Nachfolgend die Empfehlung der Verwaltung, unseren Antrag abzulehnen  

Antrag VVN-BDA (Ulrich Sander) für eine Gedenktafel in der Hainallee

15.05.2017

41 /Archiv F22159.

Die beantragte Tafel wirft wichtige historische Fragen auf, die ich im Folgenden in aller Kürze erläutern möchte. Letztlich geht es um die Frage, warum Hitler am 30. Januar 1933 Kanzler wurde. Dies ist eine äußerst komplexe Frage. Sie muss in zwei Richtungen beantwortet werden:

1.    Warum scheiterte die erste deutsche Demokratie?

2.    Was passierte um die Tage des 30. Januars 1933?

Zur ersten Frage:

Bereits seit 1930 regierten in Deutschland nur noch Kabinette, die vom Reichspräsidenten eingesetzt worden waren. Die Zahl der Menschen, die eine demokratische Zukunft in Deutschland wollten, wurde immer geringer. Eigentlich waren es nur noch die Sozialdemokraten.

Die geistige Elite der Republik, die vielfach von Beginn an reserviert der Demokratie gegenüber gestanden hatte, wandte sich immer stärker ab. Zudem hatten die Gegner von rechts (NSDAP) und die von links (KPD) einen immer größeren Zulauf. Die Massenbasis der Antidemokraten wurde immer größer. Die Wirtschaftseliten, v.a. die Schwerindustrie, war von Beginn skeptisch gegenüber der Demokratie. Viel lieber hätten sie ihre Geschäfte in einem monarchischen System weitergeführt. Einige, wie Rathenau, wurden aber auch zu aktiven Demokraten. Ende 1932/Anfang 1933 waren die führenden Wirtschaftsvertreter an einer „Sammlung der nationalen Konzentration“ interessiert, also einem rechtskonservativen Zusammenschluss der bürgerlichen Kräfte als Gegengewicht gegen Hitler. Für die meisten Schwerindustriellen waren die Nationalsozialisten nämlich eine Ansammlung von Proleten, die - wie im Parteiprogramm der NSDAP festgeschrieben - eine Verstaatlichung der Großindustrie betreiben wollten. Dass es daneben einzelne gab, die aktive Anhänger Hitlers waren, wie Fritz Thyssen und Emil Kirdorf, soll nicht unter den Tisch fallen.

Die Industriekapitäne wollten also durchaus die Demokratie abschaffen und ein Modell, ähnlich dem Dollfuß‘schen in Österreich, einführen. Wahrscheinlich wären der Menschheit aber dann die Shoah und ein von Deutschland angezettelter Zweiter Weltkrieg erspart geblieben.

Dass die Wirtschaft nach dem Beginn der Kanzlerschaft Hitlers gute Geschäfte mit der nationalsozialistischen Politik gemacht hat, ist unbestreitbar. Daraus Schlüsse auf deren Einstellungen vor 1933 zu ziehen, ist historisch aber nicht statthaft.

Zur zweiten Frage:

Nahezu alle Historiker sind der Meinung, dass vor allem der Reichslandbund, die Vereinigung der Großagrarier und Junker, bei Hindenburg die Kanzlerschaft Hitlers durchgesetzt hat. Das passt auch gut in die Persönlichkeitsstruktur des Reichspräsidenten. Selber ostpreußischer Junker hörte er lieber auf seinesgleichen. Selbst wenn die führenden Industriemanager sich bei ihm für Hitler verwandt hätten (was sie nicht getan haben), hätte Hindenburg nicht zwangsläufig auf sie gehört.

Aus dem obigen folgt, dass das Stadtarchiv einer Tafel an der Hainallee mit der vorgeschlagenen Beschriftung nicht zustimmen kann. Ein ähnlicher Antrag wurde bereits 2009 von der VVN als Bürgerantrag gestellt und im damals zuständigen Ausschuss für Bürgerdienste, öffentliche Ordnung, Anregungen und Beschwerden am 3. Februar 2009 abgelehnt.

Dr. Mühlhofer