13.03.2017
Der Straßenname als
wenig erforschtes Gebiet
WDR
leistet Hilfe bei der Spurensuche und Erinnerungsarbeit
Der WDR legt Material vor, mit
dem Merkwürdiges und
Reaktionäres auf dem Gebiet der Benennung von Straßen
erkannt
werden kann. Ein Hilfsmitte auch für die Spurensuche nach den
Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945. Noch immer gibt es
Agnes-Miegel-Straßen, Friedrich-Flick-Straßen und
Ehrungen für Paul-von-Hindenburg und ähnliche. Die Arbeit der
WDR-Autoren hilft bei der antifaschistischen Geschichtsarbeit.
Hier ein Artikel dazu aus Neues Deutschland vom 31.01.2017:
Vom Paradies
ins Teufelsloch
Das erste
öffentliche Straßenverzeichnis Nordrhein-Westfalens
offenbart interessante Fakten über die Namen
95 667 Straßennamen gibt es in
Nordrhein-Westfalen. Manche sind lustig, mache erinnern an umstrittene
Persönlichkeiten. Der WDR hat erstmals alle unter die Lupe
genommen.
Von Carolin Scholz, Köln
Wer würde nicht gerne im Paradies leben?
Lieber als
im Teufelsloch doch allemal. Beides ist in Nordrhein- Westfalen
möglich: In acht Kommunen gibt es Straßen, die nach
dem
Paradies benannt sind, das Teufelsloch hingegen gibt es nur in Bad
Münstereifel - ein Zufall?
Knapp 200 000 Straßen und Wege gibt es
in NRW. Sie
tragen 95 667 unterschiedliche Namen. Die Gartenstraße kommt
am
häufigsten vor (in 340 von 396 Kommunen). Zum Standardprogramm
zählen außerdem die Schulstraße (315), die
Bergstraße (308) und die Bahnhofstraße (305).
»Viele
Straßennamen sind noch aus Zeiten der Stadtgründung
erhalten«, sagt Martin Lehrer, Sprecher des Städte-
und
Gemeindebunds NRW.
Der Westdeutsche Rundfunk ist den
Straßennamen in
einem Datenprojekt auf die Spur gegangen. »Anlass war, dass
das
Land die Geobasisdaten frei- gegeben hat«, erklärt
WDR-Redakteur Torsten Fischer, der mit dem Projekt betraut war. Bislang
habe es kein kostenfreies, landesweites, öffentliches
Straßenverzeichnis gegeben. Mit der Freigabe der Daten haben
sich
Fischer und seine Kollegen an die Auswertung gemacht und verschiedene
Suchanfragen programmiert, die die Namen einordnen, Gemeinsamkeiten
feststellen und zu bestimmten Themen Antworten liefern sollten. So sind
interaktive Karten entstanden, die der Sender ins Internet gestellt hat.
Zum Beispiel zu umstrittenen
Straßennamen, die
nach Personen aus der Nazizeit benannt sind. Im Vergleich der
Städte gebe es dort interessante Auffälligkeiten.
»Sieht man auf die Karte, merkt man zum Beispiel:
Köln ist
sauber«, erklärt Fischer. Hier gebe es keine
umstrittenen
Namen. Eine Person, die zu vielen Diskussionen führt, ist
beispielsweise Paul von Hindenburg - noch 65 Straßen und
Plätze in NRW sind nach dem früheren
Reichspräsidenten
benannt. Nicht jede Stadt ist damit glücklich:
Münster
beispielsweise hat in einem aufwendigen Verfahren und nach 15
Umbenennungsanträgen den Hindenburgplatz zum
Schloßplatz
gemacht.
Auch viele kuriose Straßennamen sind
aufgetaucht.
In Neuss gibt es eine Schabemackstraße. Mit
Lausbubenstreichen
habe der Name aber nichts zu tun, sagt Stadtsprecher Tobias Spange.
»Der Name kommt von dem Wort Schavernath und geht auf eine
alte
Schöffen- und Ratsfamilie zurück.« Das
passende
lateinische Wort »Scabinaticum« bedeute
»Schöffengut«. Auch die Straße
»Neue
Liebe« in Essen hat eine weniger romantische Geschichte als
vermutet.
Die Straße bekam den Namen von der
Baugenossenschaft »Neuland«, die im Februar 1950
gegründet wurde. »Das war eine Genossenschaft von
Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, die preiswertes
Wohneigentum
für ebendiese Personengruppe schaffen wollte«,
zitiert
Stadtsprecher Martin Rätzke aus dem Buch »Essener
Straßen«.
Zwei Straßen hätte die Gruppe
benannt, neben
der »Neuen Liebe« auch
»Neuland«. »Der
Name drückt aus, dass hier für Verlorengegangenes
etwas Neues
geschaffen werden sollte.«
Weshalb es in Wuppertal die Straße
»Paradies« gibt, ist unbekannt. Marion Werner, die
am
WDR-Projekt beteiligt war und zu Straßennamen geforscht hat,
glaubt, dass es in der Nachkriegszeit eine »Tendenz zur
Verdrängung und die Sehnsucht nach einer heilen
Welt« gab.
Deshalb wurde wohl in Köln eine Straße »An
der
Paradieswiese« genannt.
Auch die Länge der Straßennamen
hat der
Sender untersucht. An der Spitze steht der Bochumer »Platz
des
Friedens und der Völkerverständigung« mit
46
Textzeichen, gefolgt vom Krefelder »Platz der
Wiedervereinigung
3. Oktober 1990«.
Neben den interaktiven Karten können
Nutzer auf der
WDR-Seite sehen, wie häufig bestimmte Straßennamen
in NRW
Vorkommen, dpa/nd
Und hier die WDR-Untersuchung: http://www1.wdr.de/wissen/strassennamen-ueberblick-100.html
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