10.01.2017
Bürgerantrag zur
Aufklärung über die Rolle der Ruhrlade
Beantragt
von der VVN BdA Kreisvereinigung Dortmund am 9. Januar 2017
In einem Brief an den Rat der Stadt Dortmund
schreibt die VVN-BdA Dortmund:
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
lieber Ullrich Sierau,
Wir möchten heute unseren
Bürgerantrag zu einer Erinnerungstafel an der Hainallee/ehem.
Villa Springorum bekräftigen bzw. modifizieren, den wir an die
Stadt Dortmund richteten. Es möge hier eine Bodenplatte oder
eine Tafel geschaffen werden mit der Inschrift:
„Hier an der Ecke
Eintrachtstraße/Hainallee stand die Villa Springorum. Es
trafen sich darin am 7. Januar 1933 Franz v. Papen und
führende Ruhrindustrielle des Geheimbundes
‚Ruhrlade’, um die Machtübertragung an
Adolf Hitler und seine Partei zu entscheiden. Sie erfolgte am 30.
Januar 1933, und viele Ruhrindustrielle unterstützten sie. Sie
profitierten von Rüstung und Krieg, von der Beseitigung der
Demokratie und der Arbeiterrechte, von Antisemitismus, Holocaust und
Zwangsarbeit und von der Unterdrückung und
Ausplünderung der Völker Europas.“
Hier die offenbar von 1928 bis 1938 weitgehend
konstante Mitgliedsliste der Ruhrlade (es sollten nie mehr als 12 sein):
- Erich Fickler, Harpener Bergbau AG
- Karl Haniel, Franz Haniel & Cie.,
Gutehoffnungshütte
- Peter Klöckner, Klöckner-Werke
- Arthur Klotzbach, Friedrich Krupp AG
- Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, Friedrich
Krupp AG 1870-1950
- Ernst Poensgen, Vereinigte Stahlwerke 1871-1949
- Paul Reusch, Gutehoffnungshütte
1896-1971 Gründer der Ruhrlade
- Paul Silverberg, Rheinbraun (schied Ende 1933
aus, musste als Jude ins Ausland fliehen)
- Friedrich Springorum, Hoesch AG 1858-1938
- Fritz Thyssen 1873-1951
- Albert Vögler, Vereinigte Stahlwerke
1877-1945 Suizid
- Fritz Winkhaus, Hoesch AG
Ein Schild der Stadt Köln, das seit 1996
vorm Hause Stadtwaldgürtel 35 liegt soll uns als Vorbild
dienen:
»Hier, im Haus des Privatbankiers Kurt
Freiherr von Schröder, trafen sich am 4. Januar 1933 Adolf
Hitler und Franz von Papen, um über eine Regierungsbildung
zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen zu beraten. In
einem Gespräch wurden die Weichen für Hitlers
Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die
Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der
Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder
unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des
Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen
der deutschen Wirtschaft an die SS.«
Die Treffen am 4. Januar 1933 in Köln und
das Treffen am 7. Januar hier in Dortmund stehen in engem Zusammenhang.
Doch die wirkliche Entscheidung wurde hier von der geheimen
„Ruhrlade“ getroffen. Wir fügen dazu eine
Begründung bei.
Anmerken möchten wir noch: Die
etablierten Historiker des Landes haben sich auf das Schonen des
Ansehens des großen Geldes geeinigt. Der Historiker aus den
USA Henry Ashby Turners legte 1985 dafür den Grundsatz fest:
„Entspricht die weit verbreitete Ansicht, dass der Faschismus
ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den Tatsachen, dann ist
dieses System kaum zu verteidigen.“ Es geht also nicht um
Tatsachen, sondern um Abwehr von Kapitalismuskritik. Auch die Stadt
Dortmund hat in den bisherigen Antworten an uns sich auf die den
Kapitalismus pauschal rechtfertigenden Thesen Mr. Turners
gestützt.
Das widerspricht den bisherigen Aussagen der
Gedenkstätte Steinwache – und den Erkenntnissen
aller demokratischen Kräfte nach 1945. Nach 1945 war allgemein
die Erkenntnis verbreitet, dass die kapitalistischen Unternehmen und
ihre Führungen nie wieder so viel Macht erlangen
dürfen wie 1933. Im ersten Parteiprogramm der CDU von 1947
(Ahlener Programm) hieß es: „Das kapitalistische
Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des
deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge
einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund
auf erfolgen. Inhalt und Ziel dieser sozialen und wirtschaftlichen
Neuordnung kann nicht mehr das kapitalistische Wirtschafts- und
Machtstreben, sondern nur das Wohlergehen unseres Volkes sein. Durch
eine gemeinwirtschaftliche Ordnung soll das deutsche Volk eine
Wirtschafts- und Sozialverfassung erhalten, die dem Recht und der
Würde des Menschen entspricht.“
In diesem Sinne möchten wir Sie bitten,
unseren Antrag zu unterstützen.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Ulrich Sander
Geschichtskommission, Vorstand der VVN-BdA Dortmund
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(Beschlossener) Antrag an die
Jahreshauptversammlung der VVN-BdA Dortmund, Dezember 2016:
Kennzeichnung der Villa Springorum als Tatort der
Industriellen
Mit einer Mahnwache im Januar 2017 erneuert die
VVN-BdA Dortmund ihren Vorschlag an die Stadt Dortmund, am ehemaligen
Standort der Springorum-Villa eine Tafel anzubringen, mit der auf das
Treffen der Industriellen der Ruhrlade vom 7. Januar 1933 hingewiesen
wird, um so dem Vergessen der Mittäterschaft der
Schwerindustrie an der Machtübertragung an die Nazis und bei
schwersten Verbrechen entgegenzuwirken.
Zur
Begründung:
Am 4. Januar 1933 kam es zu dem Treffen im Hause
des Bankiers von Schröder in Köln, mit dem die
Kanzlerschaft von Adolf Hitler perfekt gemacht werden sollte.
Teilnehmer waren Adolf Hitler und Franz von Papen (ehemals Zentrum)
sowie Kurt Freiherr von Schröder, Heinrich Himmler und Rudolf
Hess. In der etwa zwei Stunden dauernden Unterredung einigte man sich
auf die Bildung einer Regierung unter Hitlers Führung und
Papens Beteiligung. Auf der Rückreise traf sich v.Papen am 7.
Januar 1933 in Dortmund mit den Industriellen der
„Ruhrlade“ in der Villa Springorum in Dortmund (lag
in der heutigen Hainallee, von 1933 bis 1945 Hitlerallee,
vorher Rathenauallee, benannt nach dem von
reaktionären Terroristen ermordeten ehem.
Reichsaußenminister). Die Villa Springorum wurde im Krieg
zerstört. Teilnehmer waren u.a. Paul Reusch, Fritz Springorum,
Albert Vögler und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach. Sie
nahmen einen Bericht von Franz von Papen über das Treffen vom
4. Januar entgegen. Papen brachte den Gedanken ins Spiel, ihn selbst
zum Kanzler zu machen und Hitler zum Vizekanzler. Die Ruhrindustriellen
lehnten dies ab, denn drei von ihnen (Reusch, Springorum,
Vögler) hatten ja schon wie Thyssen der Eingabe an Hindenburg
zugestimmt, in der sie mit anderen Industriellen die Kanzlerschaft
Hitlers verlangt hatten. Das politische Ziel der führenden
Ruhrindustriellen war ganz offensichtlich die Kanzlerschaft Hitlers.
Alles andere wäre als die „offene Kampfansage gegen
den größten Teil der Bevölkerung
angesehen“ worden (lt. Neebe).
Vor dem Kölner wie auch dem Dortmunder
Gespräch war schon einige Zeit lang die Neigung „pro
Hitler“ ganz unverkennbar. Ein von den Unternehmern Otto
Wolff und Friedrich Flick in Berlin gemeinsam betriebene
Pressebüro teilte am 26. November 1932 vertraulich mit:
»Die Tagung des Langnamvereins in Düsseldorf
… ergab anläßlich der zwanglosen
Unterhaltung die überraschende Tatsache, daß fast
die gesamte Industrie die Berufung Hitlers, gleichgültig unter
welchen Umständen, wünscht. (…)
… ist man heute der Auffassung, daß es der
größte Fehler sei, wenn Hitler, auch unter
Vorbringung ernsthafter Gründe, nicht mit der
Regierungsbildung beauftragt würde.“
Worum es inhaltlich bei den streng geheimen
Treffen am 4. Januar 1933 und den folgenden Tagen ging, schilderte der
Organisator vom 4. Januar 1933, Bankier Baron von Schröder, in
einer Eidesstattlichen Erklärung vor der amerikanischen
Untersuchungsbehörde des Nürnberger Gerichtshofs im
Jahr 1947:
„Die allgemeinen Bestrebungen der
Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken
Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine
Regierung bilden würde, die lange an der Macht bleiben
würde.... Ein gemeinsames Interesse der Wirtschaft bestand in
der Angst vor dem Bolschewismus und der Hoffnung, dass die
Nationalsozialisten – einmal an der Macht – eine
beständige politische und wirtschaftliche Grundlage in
Deutschland herstellen würden.... In diesem Zusammenhang sind
zu erwähnen: eine von Hitler projektierte Erhöhung
der deutschen Wehrmacht von 100 000 auf 300 000 Mann...“.
Literaturhinweise
George W. F. Hallgarten und Joachim Radkau,
Deutsche Industrie und Politik von Bismarck bis heute, Hamburg 1981
Reinhard Neebe, Großindustrie, Staat und
NSDAP, Göttingen 1981
Gustav Luntowski, Hitler und die Herren an der
Ruhr. Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich, Frankfurt am
Main - Bern 2000
Joachim Petzold, Franz von Papen, 1995
Karsten Heinz Schönbach, Die deutschen
Konzerne und der Nationalsozialismus 1926 – 1943, Berlin 2016
Adam Tooze, Ökonomie der
Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus,
München 2007
Henry Ashby Turner, Die Großunternehmer
und der Aufstieg Hitlers, Berlin 1985
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