Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

04.11.2016

DEGUSSA macht wieder die Goldgeschäfte mit den Rechtsextremen und Nazifreunden

Schauplätze Frankfurt am Main, Essen, Marl und nun Köln

Die alten Namen der nazifreundlichen Firmen sind wieder da, - bzw. die ihrer  Nachfolger - sie gehören zu den Finanziers der AfD. Während die NSDAP als Kriegstreiber für die Schwerindustrie interessant war, so ist die AfD für bestimmte Kapitalkreise heute als "Angstmacher" von Bedeutung.

Siehe dazu den Artikel aus „Ossietzky“ vom 6. Nov. 2016 im Wortlaut:

Ulrich Sander: Degussa vergoldet wieder die ganz Rechten

Ehemalige Finanziers Hitlers, Ausbeuterbetriebe von Zwangsarbeitern und Kriegsgewinnlerfirmen beziehungsweise ihre Nachfolger, sie gehören zu den Förderern der AfD. Während die NSDAP als Kriegstreiber für die Schwerindustrie willkommen war, so ist die AfD für bestimmte Kapitalkreise heute als „Angstmacher“ interessant. Angst vor Abstieg, Unsicherheit der Bankenwelt und Schwinden der Zinsen lösen den Wunsch nach Sicherheit aus, und diese Sicherheit bietet unter anderem die Anlage der Vermögen in Gold. Dieses Gold verkauft die AfD an ihre Anhänger. Die Süddeutsche Zeitung berichtete jetzt über die guten Beziehungen des Bankhauses von Finck und der Degussa zur AfD und ihrer Goldhandelsabteilung. Degussa bedeutete „Gold- und Silberscheideanstalt“; sie vermarktete einst das Zahngold aus den Vernichtungslagern und lieferte über die Tochterfirma Degesch – ausgeschrieben „Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“ – das Zyklon B für die Gaskammern zum Beispiel in Auschwitz. Eine Zeitlang bestand in Deutschland keine Firma mit Namen Degussa mehr, die alte Firma war in dem Essener Chemiekonzern Evonik mit der Ruhrkohle AG verschmolzen worden. Doch dann kaufte August von Finck junior den Namen Degussa, und der prangt nun am Sitz für den Goldhandel in Köln.

Die Süddeutsche  Zeitung vom 26. Oktober bezieht sich in ihrem Bericht über diese Vorgänge am rechten Rand auf das Buch „Gefährliche Bürger“ und nennt es ein Standardwerk über die neuen Rechten. Die Autoren sind Liane Bednarz und Christoph Giesa, deren Werk im Verlag Carl Hauser erschien. Allerdings mit gravierenden Änderungen, denn die gebotenen Enthüllungen erschienen als riskant. Die Süddeutsche liefert nun Passagen, die im Original des Buches gestrichen werden mussten. Es ergibt sich eine Rezension eines Buches, das es so nicht gibt. Das ist mal etwas Neues.

In einem Kapitel in „Gefährliche Bürger“ erzählen Bednarz und Giesa von einer Branche, in der ihren Recherchen zufolge dubiose Händler mit Rechtsdrall Finanzprodukte für verunsicherte Menschen anbieten. Die Autoren fällen ein hartes Urteil über die Händler: „Sie sitzen nicht nur neurechten Phantasien des Untergangs des Abendlandes auf“, sondern schürten auch „Vorbehalte gegen den (jüdischen) Zinskapitalismus.“

Die AfD betreibt im Internet einen umstrittenen Goldshop. Nach den Recherchen der Autoren ist zu vermuten, dass das Gold für dieses Geschäft wenigstens zum Teil ursprünglich von Degussa kommt. Über Finck, so berichtete die Welt, heißt es außerdem in internen Papieren der CDU, er unterstütze den Wahlkampf der AfD.

Unter den „Gefährlichen Bürgern“ befinden sich alte Traditionsnamen der Finanzierung der Faschisten, so Thyssen und eben von Finck, die am Treffen zur „Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft“ im Februar 1933 teilgenommen haben. Der ehemaligen Thyssen-Chef Dieter Spethmann war als Euro-Hasser ebenfalls unter den Angstmachern unterwegs.

Namen wie Thyssen, von Finck und Degussa werden wieder genannt, wo aktuelle profaschistische Bestrebungen gefördert werden. Diese Namen wurden auch als Förderer und Nutznießer des Nazismus bekannt. Wiederholt sich die Geschichte?

Nach 1945 wurden einige wenige industrielle Förderer der Nazis als Kriegsverbrecher angeklagt. Sie kamen bald wieder frei; Krupp und Flick bekamen ihr Vermögen zurück. Krupp schwor, nie wieder an der Aufrüstung mitzuwirken, heute bettelt der Konzern Thyssen-Krupp um Aufträge im U-Boot-Bau. Von Finck senior wurde im Krieg und danach einer der reichsten Bankiers mit dem größten Geld- und Grundstücksvermögen. Sein Sohn ist nun wieder dabei, wenn es gilt,  ultrarechte Kräfte zu fördern.

Die Entnazifizierung der Großen ist gescheitert. Lange Zeit galt dies auch für die kleinen Verbrecher. In der Welt stand am 10. August 2016 ein ausführlicher Bericht über die Operation Last Chance des Simon-Wiesenthal-Zentrums und über die Möglichkeit, Diensttuende in Auschwitz zu bestrafen, auch nach so langer Zeit.  So will Oberstaatsanwalt Andreas Brendel von der Zentralstelle im Lande Nordrhein-Westfalen für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Massenverbrechen in vielen Fällen gegen KZ-Aufseher weiter vorgehen. Gegen acht frühere Mitglieder der Wachmannschaft im Konzentrationslager Stutthof wird seit 2011 ermittelt, nach der Verurteilung des Auschwitz-Wachmanns Reinhold Hanning im Juni nochmals verstärkt. Die Welt stellte dazu die Frage, warum plötzlich so viele greise KZ-Täter angeklagt werden. „Das Prinzip sei einfach: Mord verjährt nicht, und auch nicht Beihilfe zum Mord. Wenn also zum Beispiel ein Mitglied der SS-Sanitätskompanie im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau nachweislich zum ‚Desinfektionsdienst‘ in einem der Krematorien eingeteilt war, konnte darauf der Vorwurf hundert- oder sogar tausendfachen Mordes gestützt werden. Denn die Sanitätsunteroffiziere der Lager-SS leerten in diesem Dienst die Büchsen mit dem Zyklon B genannten Blausäurepräparat in die mit Menschen vollgestopften Gaskammern.“

Dazu sollte aber auch gefragt werden: Wer da die Büchsen mit dem Zyklon B anwandte, kann noch bestraft werden, aber wer sie herstellte und lieferte, der nicht? Es lieferte unter anderem die IG Farben, noch heute gibt es die Nachfolger der IG: Bayer und Evonik. IG Farben und Degussa betrieben gemeinsam Degesch, den Zyklon B-Hersteller; Nachfolger von Degussa ist Evonik (Essen). Und der Name dieses Nachfolgekonzerns der Täter steht auf den Trikots vieler tausend Menschen in Dortmund, wenn der BVB spielt. Niemand denkt sich etwas dabei. Sollte man sich nicht genauer damit befassen? Und sollte man nicht genauer hinsehen, wenn einem die Degussa-Gold-Werbeprospekte ins Haus flattern. Wer dort Gold kauft, fördert die AfD.

Mord verjährt nicht – oder doch, wenn der Mörder eine große Firma ist.

Zur Ergänzung und Erläuterung:    

Die Süddeutsche Zeitung berichtete z.B. über die guten Beziehungen des Bankhauses von Finck und der DEGUSSA zur AfD und ihrer Goldhandelsabteilung. (DEGUSSA = Gold- und Silberscheideanstalt; sie vermarktete das Zahngold aus den KZ und lieferte über die Tochterfirma DEGESCH das Zyklon B für die Gaskammern) Siehe http://www.sueddeutsche.de/kultur/interessenskonflikt-angst-ist-gold-1.3221176 aus Süddeutsche  Zeitung 26.10.2016, über das Buch "Gefährliche Bürger".

Zu Degussa siehe auch hier:

http://www.nrw.vvn-bda.de/bilder/degussa_und_die_bombe.pdf  aus: Julius Mader: „Der Banditenschatz“, Abschnitt über Degussa, Berlin/DDR, 1965

Ferner ganz aktuell:

Degussa Köln (Foto: r-mediabase.eu/HDH)

https://r-mediabase.eu/index.php?view=detail&id=18038&option=com_joomgallery&Itemid=519

Neben Leverkusen birgt auch Marl eine Stätte der IG Farben-Verbrechen. Auf dem Gelände des heutigen Chemieparks Marl befanden sich die Chemischen Werke Hüls, die zu 74 Prozent der I.G.Farben gehörten. Die Firma bestand von 1938 bis 1998 und wurde dann von der   Evonik Degussa (heute nur noch „Evonik“) , übernommen. Degussa, Sitz Frankfurt am Main, wiederum war ebenfalls lange Zeit eng mit der I.G.Farben verbunden. Degussa wurde ab 1999 über Zwischenstationen bei VEBA, Ruhrkohle AG u.a. zum Teil der neuen Fa. Evonik Degussa (heute nur noch „Evonik“) mit Sitz in Essen und Produktionsstätten u.a. in Marl.

Überlebende des Holocaust  haben 1998 in den USA gegen die Fa. Degussa eine Sammelklage eingereicht, um sie zur Zahlung von Entschädigung zu bewegen. In einer Antwort hat die Degussa zur Entschuldigung auf  ihre seinerzeitige „Einbindung des Unternehmens in das totalitäre nationalsozialistische Wirtschaftssystem" hingewiesen. Nicht freiwillig habe man an Raub, Sklavenarbeit und Mordbeihilfe Unsummen verdient, sondern unter Zwang.

Mit „Einbindung" wollen Manager wie die von Degussa eine Art Fessel ins Spiel bringen, mit der ihren Vorgängern angeblich von den Nazis die Hände gebunden waren. Opferorganisationen stellten dazu fest [Siehe „Gerechtigkeit für die Überlebenden der NS-Zwangsarbeit“, hg. VVN-BdA, März 2000, 2. überarbeitete Auflage]:

In den Sammelklagen gegen Degussa und die IG Farben i. A. (in Abwicklung, so hieß der I.G.-Rest nach 1945) sowie gegen die I.G.- Farben-Nachfolger-Firmen Bayer, Hoechst und BASF kulminiert gewissermaßen die Anklage gegen die Verbrecher aus der deutschen Wirtschaft von 1933 bis 1945: Hier geht es um Massenmord und schwerste Kriegsverbrechen. Auch Degussa hat von „normaler" Sklavenarbeit profitiert.

Degussa hat sich, so heißt es in einer Klage, „arisierten" Besitz angeeignet [Siehe die TV-Filme von Conrad Schuhler „Das letzte Tribunal“. Süddeutsche Zeitung/Deutsche Welle, 1998 und „Blutige Beute“ – Das SS-Raubgold und die verschwundenen Akten, Südwestfunk.1998]. Sie hat gemeinsam mit der I.G. Farben die Firma Degesch, jene Gesellschaft für „Schädlingsbekämpfung" unterhalten, die das Gas Zyklon B für den millionenfachen Mord lieferte und mittels dieser Mordbeihilfe viele Millionen an Profit verdiente. Sie hat als „Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt" das Gold geschieden, auch „Bruchgold" aus den Mündern der - laut Behördenpost - „Abgänge der Konzentrationslager", um es, zu Goldbarren verarbeitet, an die Banken weiterzuliefern. Degussa hat auch - so 1943 in ihren chemischen Werken in Gleiwitz - Häftlinge ausgebeutet, die, nachdem sie arbeitsunfähig waren, nach Auschwitz ins Gas geschickt wurden. Sie hat eigene Firmen-KZs unterhalten, und wer nicht mehr mitkam, musste sterben, wie die TV-Sendung „Angeklagt: Die Deutsche Wirtschaft" im Dezember 1998 berichtete. Der Degussa-Konzern profitierte wie kaum ein anderer von den Naziverbrechen.

Was nun die Degussa- und I.G.-Farben-Aktivitäten zur massenhaften  Tötung mittels Zyklon-B-Giftgas anbelangt, so war dafür vor wie nach 1945 Prof. Carl Wurster die einflussreiche helfende Hand. Wurster war vor 1945 einer der leitenden Männer der IG Farben und der Degesch mbH., die Degussa und I.G. gemeinsam betrieben, wie wir heute wissen. Dabei war Degussa federführend. Nach 1945 wurde Wurster nur kurz als Angeklagter im IG-Farben-Prozess behelligt, um dann BASF-Vorsitzender und Degussa-Aufsichtsratsmitglied zu werden, ferner Mitglied in vielen Wirtschaftsgremien, so in Aufsichtsräten der Deutschen Bank und mancher Degussa-Tochter.

Übrigens: Auch die letzten Unterlagen über Zahngold und andere Wertsachen, die Juden in KZs geraubt worden waren, sind aus dem Bundesarchiv verschwunden, wie dies [laut afp vom 28.7.1998] in den sechziger und siebziger Jahren mit vielen Unterlagen geschehen ist.

Zudem: Wenn die Wirtschaft zur Aufarbeitung ihrer Geschichte aufgefordert wird, geht es gar nicht um die Aufforderung zum Antikapitalismus, sondern um die Klärung der Rolle von Industriellen, Bankern, Agrariern usw. in einer ganz bestimmten, aber entscheidenden Situation. Das darf doch wohl 80 Jahre danach erwartet werden.

Und zwar in einer Zeit, da die Kriegsgewinnler von 1933 bis 1945 derzeit wieder am Krieg verdienen und an dritter Stelle in Rüstungsproduktion und Waffenexport weltweit stehen.