19.07.2016
Die deutschen Konzerne und
der Nationalsozialismus 1926–1943
Eine
bedeutende Neuerscheinung von Karsten Heinz Schönbach
Die nachstehende Rezension wurde geschrieben
für „Ossietzky“ im Dezember 2007. Es wird
erkennbar, dass die negativer Betrachtung Karsten Heinz
Schönbachs zu Gustav Luntowski allenfalls seiner Kommentierung
gelten kann, denn seine Fakten lassen eine ganz andere Bewertung zu.
Die Herren an
der Ruhr halfen Hitler an die Macht
Geheimes aus
der Ruhrlade wurde öffentlich
Von Ulrich Sander
In den Verbänden der deutschen Industrie
hatten die Herren an der Ruhr seit dem Weltkrieg großen
Einfluss, aber sie waren dort nicht unter sich. Um sich im engsten
Kreise vertraulich über wichtige Fragen abzustimmen, kam es im
Januar 1928 zum Zusammenschluss von zwölf Industriellen, die
sich selbst als die "maßgebenden Herren der westlichen
Industrie" bezeichneten. Ihre Vereinigung nannten sie die "Ruhrlade".
Ihr und ihrem "engeren Kreis" mit Krupp, Klöckner, Reusch,
Springorum, Thyssen, Vögler und Poensgen hat der
langjährige Dortmunder Stadtarchivar Prof. Gustav Luntowski
sein Buch gewidmet: "Hitler und die Herren an der Ruhr -
Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich".
Das Buch ist schon im Jahr 2000 erschienen, fand
aber wenig Beachtung. Wer damals die Industrie der
Steigbügelfunktion für Hitler bezichtigte, war
hoffnungslos veralteter Anhänger von Dimitroff-Thesen. Doch an
Luntowski konnte man nicht vorbei. So wurde er nicht kritisiert,
sondern totgeschwiegen. Bei google findet sich nur eine Rezension aus
ziemlich unbedeutender Feder. Luntowski hatte bisher ungenutzte
Quellen, so die Privatarchive der Herren der Ruhrlade, zur
Verfügung und kam nicht umhin festzustellen, dass "eine
Mitverantwortung der Industriellen für das
nationalsozialistische Unrechtssystem" nicht zu verneinen sei.
Stärkere Urteile wären aufgrund
des zusammengetragenen Materials möglich gewesen, erschienen
dem Historiker aber wohl nicht opportun. Von solche Bewertungen
distanziert er sich, wie etwa jener von Nürnberg:
"Für die Ankläger stand fest, dass die Industriellen
nicht nur Nutznießer der braunen Herrschaft gewesen seien,
sondern dies auch ursächlich mit herbeigeführt
hätten," berichtet Luntowski distanziert von den
Nürnberger Prozessen. Dabei ist sein Buch eine faktenreiche
Anklageschrift, die gleichartige Schlüsse zulässt.
Das wirtschaftspolitische und allgemeinpolitische
Programm der Ruhrlade schrie geradezu nach einem Mann wie Hitler:
Tarifverträge allenfalls im Betrieb und Ausschaltung der
Gewerkschaften, Beschränkung aller sozialen Ausgaben,
Verringerung der Arbeitslosenunterstützung (S.38); sodann
"Kampf mit den Gewerkschaften mit aller Schärfe", so Paul
Reusch (Gutehoffnungshütte), der zusammen mit Albert
Vögler (Vereinigte Stahlwerke) den Scharfmacher macht (S. 39).
Reusch weist im Jahre 1932 die "Münchner Neusten Nachrichten"
als Mitbesitzer an, hinter dem "Völkische Beobachter" faktisch
nicht zurückzustehen, und er erklärt Namens des
Aufsichtsrates als "vornehmste Aufgabe des Blattes" die Pflege des
"nationalen Gedankens". Seine Weisungen enthielten "die damals in
konservativen Kreisen allgemein vertretenen Positionen" (so Luntowski),
als da waren: "Ein ‚großdeutsches Reich'
(Zusammenfassung aller geschlossen siedelnden Deutschen und
Anschluß Deutsch-Österreichs), Bekämpfung
des ‚Systems von Versailles' und der
‚Kriegsschuldlüge', Wiederherstellung der deutschen
Wehrhoheit, Revision der Ostgrenzen (Korridorfrage), Ablehnung des
demokratisch-parlamentarischen Systems von Weimar, schärfste
Bekämpfung des Marxismus, Unantastbarkeit des Privateigentums
usf." (S. 54). Ähnliche Töne hatte Hitler im Januar
1932 im Düsseldorfer Industrieklub angeschlagen.
Drei Behauptungen werden heute gern zur Entlastung
des Großkapitals angeführt: Die Wirkungs- und
Einflusslosigkeit der Industrielleneingabe von 1932 an
Reichspräsident Hindenburg zugunsten von Hitler, das
Einschwenken der Industriellen auf die Gegebenheiten erst nach dem 30.
Januar 1933 und die Weigerung der Zusammenarbeit der Industrie mit der
NSDAP bereits zu Zeiten Weimars. Unzählige
Finanztöpfe für die Nazipartei wie für
einzelne Nazis standen jedoch schon Jahre vor 1933 bereit. Von der
Eingabe an Hindenburg veröffentlichte Luntowski in einer
Ausstellung des Dortmunder Stadtarchivs ein Begleitschreiben, mit dem
die Herren Dr. Albert Vögler, Dr. Paul Reusch und Dr. Fritz
Springorum unter dem Eingangsstempeldatum des "Büros des
Reichspräsidenten" (er hat es also doch gelesen, was denn
sonst?) vom 22. 11. 32 mitteilen, dass sie "voll und ganz auf dem Boden
der Eingabe stehen". Und hatten kapitalismuskritische Historiker auf
die Darstellung der angeblich erst spät einsetzende
Zusammenarbeit der Nazis und der Industriellen zumeist mit der
Schilderung des Zusammengehens von Hitler und IG Farben vor der
Machtübertagung geantwortet - man beachte den Beleg von Otto
Köhler für die gegenseitigen Hilfen von IG Farben und
NSDAP schon im Sommer 1932 -, so benennt Luntowski einen weiteren
wichtigen Deal aus dem Bereich der Schwerindustrie. Als Friedrich Flick
- kein Mitglied der Ruhrlade - seine wertlos gewordenen
Gelsenbergaktien weit überteuert an das Reich verkaufte und
die Ruhrlade darin eine Bevorzugung Flicks durch die
Brüningregierung und ein Stück "Sozialisierung" sah,
da konnte Flick auf die Zustimmung Görings und dann auch
Hitlers verweisen, weil sonst ein deutsches Werk u.U. in polnische
Hände geraten wäre. (S. 65) Es wird erkennbar, dass
die Harzburger Front vom Oktober 1931, bestehend aus Nazis und
Nationalisten aller Schattierungen, von Reusch und Co. begeistert
aufgenommen wurde und die Rede des Reichsbankpräsidenten a.D.
Hjalmar Schacht ("Möge der nationale Sturmwind, der durch
Deutschland geht, nicht ermatten.") auch die Rede der Ruhrindustriellen
war. (S. 74)
Diese hatten jedoch ein Problem. An den
"nationalsozialistischen Wirtschaftsideen" mit all ihrer
antikapitalistischen Demagogie musste noch mit "Vernunft" Einfluss
genommen werden. Reusch, Schacht und Vögler hatten 1932 die
Idee, "erprobte Herren" einzustellen und zu bezahlen, um die
Wirtschaftspolitik der Nazis "zu formen". Was die drei Herren nicht
wussten, war die Tatsache, dass Hitler bereits ein Jahr zuvor den
badischen Chemiefabrikanten Wilhelm Keppler und seine
zahlungskräftigen Freunde gewonnen hatte, ihre
"wirtschaftspolitischen Anschauungen" auf die NSDAP wirken zu lassen.
"Sie sollten zur Verfügung der Partei stehen, ‚wenn
wir zur Macht kommen'." (S. 76)
Und sie standen alle zur Verfügung. 1932
beim Treffen im Düsseldorfer Industrieklub und am 4. Januar
1933 beim Bankier von Schröder in Köln. Und dann am
20. Februar 1933 in Berlin. Bereits im Dezember 1932 wurde in einem
vertraulichen Bericht konstatiert, "dass fast die gesamte Industrie die
Berufung Hitlers, gleichgültig unter welchen
Umständen, wünscht."
Eine Gedenktafel der Stadt Köln befindet
sich seit 1996 vor dem Hause Stadtwaldgürtel 35. Es
trägt im Stile der Stolpersteine die Inschrift: "Hier, im Haus
des Privatbankiers Kurt Freiherr von Schröder, trafen sich am
4. Januar 1933 Adolf Hitler und Franz von Papen, um über eine
Regierungsbildung zwischen Nationalsozialisten und Rechtskonservativen
zu beraten. In einem Gespräch wurden die Weichen für
Hitlers Ernennung zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 gestellt und die
Voraussetzungen für die menschenverachtende Diktatur der
Nationalsozialisten geschaffen. Kurt von Schröder
unterstützte bereits vor 1933 die Ziele des
Nationalsozialismus und organisierte nach 1933 finanzielle Leistungen
der deutschen Wirtschaft an die SS."
Am 20. Februar 1933 dann das Treffen von Hitler
und Göring in Berlin mit der Spitze des Reichsverbandes der
Deutschen Industrie (RDI); RDI-Vorsitzender war Krupp von Bohlen und
Halbach. Hitler sagte u.a.: "Wir stehen jetzt vor der letzten Wahl. Sie
mag ausgehen wie sie will ... Wenn die Wahl nicht entscheidet, muss die
Entscheidung eben auf einem anderen Wege fallen ... oder es wird ein
Kampf mit anderen Waffen geführt werden, der vielleicht
größere Opfer fordert ..." Nach dieser offenen
Darlegung seiner Putschpläne für den Fall einer
Wahlniederlage spenden die 20 geladenen Industriellen für den
Wahlkampf der Nationalsozialisten drei Mill. RM. Gustav Krupp fertigt
abends eine Notiz über die Begegnung an: "Ruhe in der inneren
Politik: keine weiteren Wahlen. ... Ermöglichung der
Kapitalbildung. ... Dementsprechend Entlastung von Steuern und
öffentlichen Lasten." (S. 93)
Die Aufrüstung, die Vorbereitung auf den
Krieg und die Eroberung von neuem "Lebensraum" konnten beginnen. Sodann
die Zeit der Sklavenarbeit von Millionen Zwangsarbeitern, die nach
Kriegsbeginn ins Land geholt wurden und welche die Profite der
Industriellen mehrten. Luntowski findet am Schluss
für alles eine Entschuldigung: "Vielmehr scheint ihr Handeln
letztlich fast allein von der Sorge um Bestand und Fortexistenz ihrer
Unternehmen bestimmt gewesen zu sein." Diese "Fortexistenz" des
Kapitalismus brachte Millionen Menschen den Tod.
Gustav Luntowski "Hitler und die Herren an der
Ruhr" - Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich, Frankfurt am
Main 2000, 315 S.
Zum Buch von Karsten Heinz Schönbach
Haben die deutschen Industriellen Hitler an die
Macht gebracht?
Um diese bis heute umstrittene Frage zu
untersuchen, wertete Karsten Heinz Schönbach die Akten von
zwölf Industrie-Konzernen und sieben Banken aus. Das Buch
veröffentlicht bisher nicht bekannte Informationen aus
deutschen Firmenarchiven. Es bricht mit vielen Tabus der deutschen
Geschichtsschreibung und nimmt keine Rücksicht auf die damit
verbundenen politischen Befindlichkeiten, welche die Forschung bis
heute behindern.
Das Buch ist von K. H. Schönbach als
Dissertation bei dem deutschen Faschismus-Forscher Wolfgang Wippermann
erarbeitet worden. Wippermann bezeichnet die entstandene
Forschungsarbeit als „Standardwerk“ zu diesem
Thema. Das Buch revidiert den Forschungsstand einer vor allem
konservativ geprägten Geschichtsschreibung und wird die
Diskussion zu diesem Thema mit Sicherheit neu beleben.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
13
I DIE POLITISCHEN HAUPTZIELE DER
DEUTSCHEN GROßINDUSTRIELLEN UND BANKIERS ZWISCHEN 1900 UND
1933
39
I/1 Entstehung von Kriegszielen unter
den deutschen Großindustriellen und Bankiers
(1900–1917)
39
I/2 Die Entstehung des Konzepts einer
„Ostexpansion“
(1917/18) 49
I/3 Die Weiterentwicklung der
Expansionskonzeptionen zum „Volk-ohne-Raum-Denken“
(1924–1933)
55
I/4 Das Ende der
Rüstungsprofite
(1918–1933)
62
I/5 Wirtschaftskrise als
Rüstungskrise
(1930–1933)
67
I/6 Die Revision des Versailler
Vertrages, der Wiedereinstieg ins Rüstungsgeschäft
und der „Wiederaufstieg“
(1923–1933)
74
I/7 Maximaler Profit durch maximale
Ausbeutung (1924–1931) 82
I/8 Industrielle und Bankiers fordern
Sozialabbau und Lohnkürzung
(1929–1933)
87
I/9 Die deutschen Kapitalisten als
Gegner der Demokratie
(1918–1933)
95
I/10 Das Verhältnis der
deutschen Großindustriellen zum Antisemitismus und Rassismus
in Deutschland
(1918–1941)
102
II DIE BEZIEHUNGEN ZWISCHEN
GROßBANKEN, INDUSTRIE UND NSDAP VON 1927 BIS SOMMER
1932
113
II/1 Die politische Struktur der
deutschen Schwerindustrie 113
II/2 Hitler wirbt um die Gunst der
Schwerindustriellen
(1926–1927) 117
II/3 Die Kohlebarone und der
„Weg zum Wiederaufstieg“ (April–Oktober
1927) 124
II/4 Ausbau der Beziehungen zwischen
Nazis und Großindustrie
(1930–1931)
134
II/5 Ausdehnung des Kreises von
NSDAP-Sympatisanten auf weitere Wirtschaftskreise (Herbst
1930)
147
II/6 Antikapitalistische Nazi-Propaganda
und die politischen Beziehungen der NSDAP zur Großindustrie
(1928–Sommer
1930)
154
II/7 Das Wirken von Vertrauensleuten der
Großindustrie in der NSDAP
(1927–1931)
157
II/8 NSDAP-Führung entwickelt
spezielles Programm für Kapitalisten
(1930–1932)
162
II/9 Die Großindustriellen
messen der antikapitalistischen NSDAP-Propaganda keine politische
Relevanz bei (Februar–November 1931) 169
II/10 Kritik der Kapitalisten an
NSDAP-Propaganda und NS-Politik ebbt völlig ab
(Juni–September
1932) 172
II/11 Die Finanzierung der
bürgerlichen Parteien durch die Großindustrie
(1918–1932)
178
II/12 Das finanzielle Budget der NSDAP
(1930–1932)
185
II/13 Legenden zur NSDAP-Finanzierung
(1931–heute)
194
II/14 Die Finanzierung der NSDAP durch
die Kapitalisten (Februar 1932–März
1933)
201
III DER ANGRIFF AUF DIE
REPUBLIK
211
III/1 Die antidemokratischen politischen
Konzepte in der gesellschaftlichen Oberschicht Deutschlands
(1929–1932)
211
III/2 Die Harzburger Front.
Großindustrielle leiten politischen Rechtsschwenk ein (Januar
1930–Oktober
1931)
215
III/3 Kapitalisten bestimmen neue
Politik der Regierung (Oktober–Dezember
1931)
222
III/4 Politische Aufwertung der NSDAP
(Herbst
1931)
230
III/5 Hitlers Rede vor dem
Düsseldorfer Industrieclub (Januar 1932)
234
III/6 Großindustrielle suchen
Bündnis mit Hitler (Februar–April
1932) 243
III/7 Die Wahl in Preußen.
Großindustrielle drängen zur politischen Offensive
gegen die bürgerliche Demokratie (April
1932) 249
III/8 Der Putsch in Preußen.
Die Großindustrie unterstützt einen Staatsstreich
(April–August 1932)
255
III/9 Kapitalisten und Regierung geraten
in eine politische Sackgasse (August–September
1932)
261
IV DER AUFSTIEG DER
NSDAP-FÜHRUNG ZUR REGIERUNG 267
IV/1 Die politische Situation Ende
Sommer
1932
267
IV/2 Die politische Spaltung der
Kapitalisten (August–November
1932)
269
IV/3 Großindustrielle einigen
sich auf Errichtung einer „konservativen“ Diktatur
(September–November
1932) 285
IV/4 Mehrheit der
Großindustriellen stellt sich gegen Schleicher und Strasser
(Dezember–Januar
1932)
293
IV/5 Positionierung der
Mächtigen im Spätherbst
1932
302
IV/6 Der Kepplerkreis
(April–September
1932)
312
IV/7 Die
„Industriellen-Eingabe“ des Kepplerkreises
(Oktober–November
1932) 327
IV/8 Die Kontroverse in der
wissenschaftlichen Literatur zur Eingabe des Kepplerkreises vom
November 1932 an
Hindenburg
337
IV/9 Die Sammlung im Lager der
Kapitalisten beginnt (November
1932) 340
IV/10 Ruhrindustrie schwenkt auf Hitler
ein und Kapitalisten erhöhen den Druck auf Hindenburg
(Dezember 1932–Januar
1933) 346
IV/11 Historische Legenden zur s.g.
„Machtergreifung“
356
IV/12 Die Großindustrie
schließt ein Bündnis mit Hitler (Februar
1933) 366
IV/13 Die Weichen werden auf
Machtübergabe gestellt (Februar/März
1933)
378
V DIE REKONSOLIDIERUNG DES KAPITALISMUS
IN
DEUTSCHLAND
397
V/1 Die Illusion der
Volksgemeinschaft
397
V/2 Gesellschaftliches Arrangement
zwischen NSDAP-Führung und
Kapitalelite 405
V/3 Wiederaufnahme der
Kriegsvorbereitungen (1929–1935) 411
V/4 Großindustrie und
Kriegsrüstung in Deutschland
(1933–1941)
415
V/5 Historische Anbahnung des
Bankenkapitalismus in Deutschland
(1900–1932)
428
V/6 Weitere Entwicklung des
Bankenkapitalismus im „Dritten Reich“
(1933–1940/41)
432
V/7 Verflechtung von Banken und Staat im
„Dritten Reich“
(1936–1945) 440
VI DER RAUBZUG NACH
SÜDOSTEUROPA
449
VI/1 Der Auftakt der
Südosteuropaexpansion
(1925–1938)
449
VI/2 Gewaltsames Vorgehen in
Österreich
(1938)
460
VI/3 Der Führer zögert
– die deutschen Banken zögern nicht
(1938) 464
VI/4 Das Sudetenland im
„deutschen Wirtschaftsraum“
(1938–1939)
468
VI/5 Dresdner Bank und IG Farben rauben
tschechische Chemieindustrie (Oktober–November
1938) 477
VI/6 Chefetage der Deutschen Bank
projektiert Expansion nach Böhmen und Mähren (Oktober
1938–März
1939) 482
VI/7 Deutsche Banken drängen
sich um die tschechische Beute (Oktober 1938–Juli
1940) 490
VII DER RAUBZUG DURCH
EUROPA 501
VII/1 Übernahmebestrebungen in
Polen (Herbst 1939–Sommer 1940)
501
VII/2 Die deutschen Banken arisieren die
polnische Schwerindustrie (Sommer 1940–Frühjahr
1941) 508
VII/3 Raubgeschäfte in
Frankreich (Juni 1940–April
1941) 518
VII/4 Die Interessen der deutschen
Kalikonzerne in Frankreich (Juli 1940–Januar
1943)
530
VII/5 Raubgeschäfte der
deutschen Großbanken in Frankreich (Mai 1940–Juli
1941)
535
VII/6 Der
„Großwirtschaftsraum“ Europa (Juni
1940–Juli 1941) 548
VIII Der Raubzug nach
Osten
563
VIII/1 Politisches Vorspiel (September
1936–Juni
1940)
563
VIII/2 Der Öl-Krieg
(1927–1944)
574
VIII/3 Der große Beute-Run bei
der Besetzung der Sowjetunion (Sommer–Herbst
1941) 584
VIII/4 Der Bormann-Hitler-Plan (Juli
1941)
592
VIII/5 Die Konzerne setzen sich gegen
den Bormann-Hitler-Plan durch (Juli 1941–März
1943) 598
Zusammenfassung
605
Summary
617
Archivarien
625
1) Industrie- und Bank-Archivarien in
Kurzübersicht
625
2) Detailierte Gesamtübersicht der
Archivarien
626
Literaturnachweis
630
I. Zeitgenössische
Veröffentlichungen der Industrie- und
Bankverbände
630
II. Gedruckte
Quellen
635
III. Fachliteratur und
Monographien
640
IV.
Hochschulschriften
652
V.
Zeitungen
653
VI. Herausgegeben durch
Institutionen 653
VII. Besondere
Nachschlagewerke
654
Abkürzungen
655
Über Autor und
Buch
657
Einleitung
Welches Verhältnis unterhielten die
führenden deutschen Konzerne in der Zeit der Weimarer Republik
und des „Dritten Reiches“ zur
NSDAP-Führung? In welcher Beziehung standen die
führenden deutschen Konzerne damals zum
„Nationalsozialismus“? Welcher Anteil kam ihnen bei
der Vorbereitung und Durchführung des Zweiten Weltkrieges zu?
Schon vor 1933 wurde durch die Kommunisten die
Auffassung vertreten, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
Faschismus und Kapitalismus bestünde. Diese
Überzeugung ging letztlich auch in die kommunistische
Definition des Faschismus ein.[1] Während des Zweiten
Weltkrieges setzte sich auch bei den alliierten Mächten die
Auffassung durch, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem
„Dritten Reich“ bzw. dem Zweiten Weltkrieg und
einer Reihe der führenden deutschen Konzerne bestehe. Es
entstand daher 1944 unter Leitung des US-amerikanischen Finanzministers
Henry Morgenthau der nach ihm benannte
„Morgenthau-Plan“, der die völlige
Zerstörung der deutschen Industrie projektierte, um einer
weiteren Kriegsgefahr durch Deutschland vorzubeugen.[2] Nach Ende des
Zweiten Weltkrieges fand dieses Konzept zumindest teilweise Eingang in
die Beschlüsse der Potsdamer Konferenz. Die alliierten
Siegermächte – USA, Sowjetunion,
Großbritannien und Frankreich – zielten damit vor
allem auf eine Zerstörung der deutschen
Rüstungsindustrie.[3] Entgegen des
„Morgenthau-Plans“ sollte die deutsche Industrie
jedoch nicht völlig demontiert werden. Stattdessen meinten die
alliierten Siegermächte, dass auch eine Dezentralisierung der
deutschen Konzerne, die z.T. fast ganze Wirtschaftszweige umfassten,
und eine damit einhergehende „Dekartellisierung“
der deutschen Wirtschaftsverbände (Kartelle und Syndikate) zu
einer politischen Entmachtung der Konzerne in Deutschland
führen würde.[4] Dieses Bestreben kam später
auch im „Gesetz gegen
Wettbewerbsbeschränkung“ zum Ausdruck, das nach fast
zehnjähriger Diskussion als
„Antitrustgesetz“ am 01.01.1958 in Kraft trat.[5]
Ein unter Leitung von US-Senator Harley Kilgore
stehender Ausschuss kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass
der Aufstieg Hitlers und der Nazis in starkem Maße von den
deutschen Großindustriellen gefördert worden sei und
dass die deutschen Großindustriellen ebenso stark den Krieg
mit vorbereitet und herbeigeführt hätten.[6]
Während der „Potsdamer Konferenz“ der
alliierten Siegermächte wurde auf der zwölften
Sitzung am 1. August 1945 der Vorschlag eingebracht, dass man diese
deutschen Industriellen unter die führenden Kriegsverbrecher
rechnen müsse.[7] Während der
Kriegsverbrecherprozesse in Nürnberg führte das
„Nürnberger Militärgericht“ (NMG)
drei Verfahren gegen die Leitungen dreier führender deutscher
Konzerne ((Fall 5 (Flick), Fall 6 (IG Farben) und Fall 10 (Krupp)). Man
beschuldigte die angeklagten Industriellen u.a., am Aufstieg der Nazis
und an der Vorbereitung und Durchführung des Zweiten
Weltkrieges sowie an der Ausplünderung der besetzten Gebiete
entscheidenden Anteil gehabt zu haben.[8]
Auch in der Nachkriegsöffentlichkeit
Deutschlands war die Überzeugung weit verbreitet, dass ein
enges politisches Verhältnis zwischen den deutschen
Großindustriellen und der NSDAP-Führung vor und nach
1933 bestanden habe. Die deutsche Arbeiterschaft und ihre
wiedererstehenden Gewerkschaften waren nach zwölf Jahren
Nazi-Diktatur zu der Auffassung gekommen, dass der
„Nationalsozialismus mit seiner autoritären
Betriebsstruktur“ den „engen Zusammenhang zwischen
kapitalistischer Wirtschaftsstruktur und Nationalsozialismus
demonstriert“ hätte.[9] In großen Teilen
der Bevölkerung und verschiedenen Bereichen der Gesellschaft
kam die Forderung auf, die „Monopole und
Schlüsselindustrien“ zu
„vergesellschaften“ (d.h. zu verstaatlichen).[10]
Die aus den Ansichten der alliierten
Siegermächte und der deutschen Öffentlichkeit
resultierende politische Stimmung löste bei den deutschen
Großindustriellen das Bedürfnis nach Rechtfertigung
aus. Schon wenige Monate vor der militärischen Zerschlagung
des „Dritten Reiches“ durch die alliierten
Mächte sah sich der deutsche Großindustrielle Ernst
Poensgen – zuletzt Vorstandsvorsitzender der Vereinigten
Stahlwerke – im Februar 1945 dazu veranlasst, im Voraus die
argumentative Grundlinie einer solchen Rechtfertigung zu entwerfen. Er
verfasste einen mehrteiligen Aufsatz, der die Nachkriegsliteratur zu
diesem Thema einleitet. Sowohl die spätere
Verteidigungsstrategie der Industriellen-Anwälte in
Nürnberg als auch die Darstellungen konservativer
Nachkriegshistoriker richteten sich an der Argumentation dieses
Aufsatzes aus.
Poensgen sagte in diesem Aufsatz für die
Zeit vor 1933 aus, dass die deutschen Großindustriellen
politisch nie zu Hitler gestanden und nie engere Kontakte zur NSDAP
unterhalten hätten. Nur wenige Ausnahmen aus der
Großindustrie hätten Beziehungen zu Hitler gepflegt.
Das Verhalten dieser Ausnahmen habe später
irrtümlicherweise zu dem Schluss geführt, dass die
Großindustriellen hinter Hitler stünden.[11] Zudem
sei niemals Geld aus der Industrie an die Nazis gezahlt worden.[12]
Dafür – so Poensgen wörtlich –
würde er „seine Hand ins Feuer legen“.[13]
Über das Verhältnis der führenden deutschen
Großindustriellen zur NSDAP-Führung nach 1933
schrieb Poensgen, dass sich die meisten nur deshalb in die
Wirtschaftsorganisationen des NS-Staates eingeschaltet hätten,
um „das Schlimmste zu verhindern“.[14] Die
deutschen Großindustriellen hätten nach Poensgen den
Krieg abgelehnt und hätten „mit aller Kraft der
Überzeugung von ihm abgeraten“ wenn sie
„gefragt worden“ wären.[15] Dass sie
trotzdem „nach Ausbruch des Krieges alles“, was in
ihren Kräften stand, „getan haben, um die
Rüstungsproduktion qualitativ und quantitativ zu
steigern“, wäre nur aus Pflichtgefühl dem
Vaterland gegenüber geschehen.[16]
In den ersten Jahren nach 1945 waren in der
Bundesrepublik Deutschland bis in die fünfziger Jahre hinein
verschiedene „Rechtfertigungsschriften“ dieser Art
erschienen, die der Poensgens inhaltlich sehr ähnlich waren
– angefangen von einer aufsatzgroßen Abhandlung des
in die Schwerindustrie verstrickten Journalisten August
Heinrichsbauer,[17] über die Publikation eines weiteren
Journalisten namens Louis Lochner,[18] bis hin zu weiteren Arbeiten,
die – wie im Falle Poensgens – sogar von
Großindustriellen höchst selbst verfasst wurden. Zur
Gruppe der letzteren gehören z.B. die recht umfangreiche
Arbeit des Großindustriellen Tilo Freiherr von Wilmowsky:
„Warum wurde Krupp verurteilt?“[19] und die
Autobiographie des Großindustriellen Wilhelm Zangen.[20] Auch
diese Arbeiten stimmten alle auf die eine oder andere Weise mit der
Grundlinie Poensgens und der Verteidigungsargumentation der
Industriellenanwälte in Nürnberg
überein.[21] Auf die Welle der Rechtfertigungsversuche von
Seiten der führenden deutschen Großindustriellen und
ihrer Lobbyisten in Presse und Politik reagierte der Bundesverband des
Deutschen Gewerkschaftsbundes im Jahre 1963 mit einer 20-seitigen
Broschüre unter dem Titel: „Hitler und die
Industrie“. Der Bundesverband des Deutschen
Gewerkschaftsbundes veröffentlichte darin Dokumente, die den
besagten Rechtfertigungen entgegenwirken sollten.[22]
In der ehemaligen DDR begann die Erforschung der
Frage nach dem Verhältnis der führenden deutschen
Konzerne zur NSDAP-Führung vor und nach 1933 mit wirtschafts-
und sozialpolitischen Studien. Aus der Frühzeit dieser
Forschung ragen besonders die Arbeiten des marxistischen
Wirtschaftshistorikers Jürgen Kuczynski heraus. Er vertrat die
Auffassung, dass es drei Gruppen innerhalb der führenden
deutschen Konzerne gab: die Schwerindustrie, das Bankkapital und den
„Chemie-Elektroflügel“. Bis 1932 stellte
die Schwerindustrie die politisch stärkste Gruppe dar, die
ihre Herrschaft mittels der Diktatur Hitlers im Bündnis mit
dem Bankkapital gesichert habe.[23] Die deutschen Kapitalisten
hätten die Errichtung des „Dritten
Reiches“ forciert und zudem die politische Entrechtung der
Arbeiterschaft angestrebt sowie die Wiedererlangung einer
Weltmachtposition wie 1914 mit dem Ziel eines erneuten Versuches die
Welt zu erobern.[24]
Kuczynski hatte mit diesen Thesen den Grundstein
für die sogenannte „Monopolgruppentheorie“
gelegt. Ihren weiteren Ausbau erhält diese Theorie 1971 durch
den marxistischen Historiker Kurt Gossweiler. Er spitzte die
„Monopolgruppentheorie“ auf sich
gegenüberstehende Bankgruppen zu, welche die gesamte
übrige Industrie beherrschten[25] und im Konkurrenzkampf um
die „staatlichen Kommandopositionen“ die Weimarer
Republik zerstört und die Hitler-Diktatur errichtet
hätten.[26]
Allerdings können sowohl Kuczynski als
auch Gossweiler ihre Thesen quellenmäßig kaum
belegen. Zudem bleibt die „Gretchenfrage“
ungelöst: Was hatten die führenden deutschen Konzerne
bzw. die führenden Großindustriellen und Bankiers
für ein konkretes Verhältnis zur
NSDAP-Führung? Hierbei hätten mindestens folgende
Fragen konkret untersucht werden müssen: Welche Beziehungen
hatten sich zwischen den deutschen Großindustriellen und
Bankiers zur NSDAP-Führung herausgebildet? Wie wurde die
NSDAP-Führung von welchen Konzernen politisch
gefördert und mit welchem Effekt?
Im Jahre 1967 erschien in der Bundesrepublik
Deutschland die Arbeit des marxistischen Historikers Eberhard Czichon
mit dem Titel „Wer verhalf Hitler zur Macht?“. Sie
stellt die einzige marxistische Studie dar, die den Versuch unternimmt,
diese Fragen konkret zu beantworten und quellenmäßig
adäquat zu belegen. Czichon rollte die Frage nach dem Anteil
der deutschen Großindustrie und Bankkonzerne an der
Lancierung Hitlers auf dem Wege zur Herrschaft, an den Optionen zur
Krisenbewältigung und zur Arbeitsbeschaffung auf. Er
stützte sich dabei hauptsächlich auf die Akten der
Nürnberger Prozesse sowie auf die damals im Besitz der DDR
befindlichen Akten der Deutschen Bank und der IG Farben.[27] Czichon
kam zu dem Ergebnis, dass eine Mehrheitsgruppe deutscher Industrieller,
Bankiers und Großagrarier Hitlers Kanzlerschaft gewollt und
organisiert hatte.[28]
Obwohl Czichon ein Historiker aus der ehemaligen
DDR war, wurden seine Arbeiten fast ausschließlich in der
Bundesrepublik Deutschland veröffentlicht und rezipiert. Von
der marxistischen Forschung der ehemaligen DDR wurden seine Studien von
vielen Historikern eher als eine Art Alleingang betrachtet, den man
nicht tolerierte und deren Rezeption man weitestgehend umging. Trotz
dessen stellt Czichons Arbeit zur Frage des Verhältnisses der
führenden deutschen Großindustriellen und Bankiers
zur NSDAP-Führung in der Zeit vor 1933 innerhalb der
marxistischen Forschung gewissermaßen „das
Maß aller Dinge“ dar – vor allem weil er
darauf verzichtete, Theorien zu konstruieren, die er nicht
quellenmäßig belegen konnte.
In der marxistisch-leninistischen
Geschichtsforschung in der ehemaligen DDR beschäftigte man
sich vor allem mit dem „Faschismus an der
Macht“[29] – also mit der Zeit nach 1933. Aufgrund
des Forschungsschwerpunktes in der Zeit nach 1933 existieren von Seiten
der marxistisch-leninistischen Historiographie auch keine Arbeiten, die
über den Umfang von Aufsätzen[30] hinausgehen, zu der
Frage, welchen Anteil die „deutschen Monopole“ an
der Machterlangung des „Faschismus“ in Deutschland
hatten bzw. welches Verhältnis sich überhaupt von den
führenden deutschen Großindustriellen und Bankiers
zur NSDAP-Führung gestaltete. Darüber hinaus wurde
dieses Thema in der marxistisch-leninistischen Forschung nur in
größeren Arbeiten zur Geschichte der Weimarer
Republik oder zur Geschichte NSDAP als Teilaspekt behandelt.[31] Erst
sehr spät, im Jahre 1986, erschien in der DDR eine Arbeit des
marxistischen Historikers Wolfgang Ruge, welche die Rolle der
führenden deutschen Industriellen und Bankiers beim Aufstieg
Hitlers in Form eines ganzen Buches behandelte. Diese Arbeit konnte
jedoch dem Stand der marxistisch-leninistischen Forschung keine neuen
Impulse mehr geben.[32]
Zeitgleich zu den frühen Forschungen in
der ehemaligen DDR veröffentlichte der
deutschstämmige US-Amerikaner George Hallgarten eine Studie.
Im Zentrum seiner Darstellung steht der s.g.
„Kepplerkreis“ – eine zwanglose
Vereinigung von einigen deutschen Industriellen, Bankiers und
Großgrundbesitzern, welche damals die NSDAP-Führung
unterstützt hatte. Hitlers Aufstieg zur Macht stellte nach
Hallgarten insgesamt den Sieg der größten Stahl- und
Kohleproduzenten und ihrer Verbündeten aus dem
Versicherungsgewerbe und der Chemieindustrie (IG Farben) über
eine Gruppe von kleineren Konzernen der deutschen Schwerindustrie
dar.[33]
Anfang der siebziger Jahre legte der
US-amerikanische Historiker Henry Ashby Turner in der Bundesrepublik
Deutschland eine Arbeit unter dem Titel „Faschismus und
Kapitalismus in Deutschland“ vor.[34] Der Konzern
„Gutehoffnungshütte“ (GHH) hatte Turner
dazu den Nachlass des Ruhrindustriellen Paul Reusch zur
Verfügung gestellt und ihn damit in eine
quellenmäßig bis dahin nie dagewesene Situation
versetzt. Nach Turners Darstellung waren die NSDAP-Förderer
aus der Industrie im Verhältnis zur Mehrheit der deutschen
Industriellen nur „Ausnahmen“ gewesen, deren
Verhalten man durch Übertreibungen fälschlicherweise
zu der Schlussfolgerung zugespitzt habe, dass die damaligen deutschen
Großindustriellen Hitler in großer Zahl
unterstützt hätten.[35] In vielerlei Hinsicht
erinnert diese Argumentation inhaltlich an die Arbeit des
Großindustriellen Ernst Poensgen von 1945 und entspricht
somit de facto einer veralteten Rechtfertigungsstrategie der deutschen
Konzerne. Der unmittelbare, inhaltliche Bezug Turners zu Poensgens
Arbeit ist bisher niemandem aufgefallen, aber selbst von deutschen und
amerikanischen Historikern wurde zumindest die auffällige
Übereinstimmung der Argumentationslinie Turners mit den
Nachkriegsschriften von eindeutigen Industrielobbyisten wie
Heinrichsbauer oder Lochner registriert und moniert.[36]
Im Zuge des „kalten Krieges“
und der politischen Auseinandersetzung zwischen den sozialistischen und
den kapitalistischen Ländern der damaligen Welt war Turners
Arbeit nicht weniger politisch motiviert, als die Arbeiten aus der
damaligen DDR. Turner begründete seine Arbeit sogar selbst mit
politischen Motiven.[37] Seine politische Motivation wurde ihm
später auch von Historikern aus der Bundesrepublik Deutschland
zum Vorwurf gemacht[38] und muss bei der Bewertung seiner Darlegungen
und Thesen berücksichtigt werden. Es kam somit nicht nur in
der DDR sondern auch in der Forschung der BRD zu einer
„politisch stark aufgeladenen Kontroverse“.[39]
Diese politische Spannung, von der die Forschung hier
überlagert wurde, kam auch dadurch zum Ausdruck, dass die
Historiker aus der DDR vom Zugang zu den neuen Quellen der Turner zur
Verfügung stehenden Konzernarchive ausgeschlossen wurden. Die
Historiker aus der DDR wurden z.B. durch den Konzern
„Gutehoffungshütte“ (GHH) nach mehrfach
unbeantworteten Anfragen zwecks Archivbenutzung mit der
Begründung abgewiesen, dass sie mit einer
„vorgefassten Meinung“ kommen würden und
an „objektiven Ergebnissen nur sehr bedingt
interessiert“ seien.[40] Damit wurde es der Forschung in der
ehemaligen DDR aber auch unmöglich gemacht, die eigenen Thesen
adäquat zu überarbeiten und Turners Thesen zu
überprüfen.
Turners Thesen unterlagen sowohl in den damaligen
kapitalistischen als auch in den sozialistischen Ländern
schwerer Kritik. Der marxistische Historiker Kurt Gossweiler
bezeichnete Turners Darstellungen als „plumpe
Entlastungsversuche“[41] und als
„Seiltänzereien“.[42] Die amerikanischen
Historiker George Hallgarten und Joachim Radtkau kritisierten, dass
sich Turner „fast ausschließlich auf die
Richtigstellung einzelner Fakten und Vorkommnisse“
„kapriziert“ habe, Fakten zerrede und
„durch Überbetonung einzelner Details von den
Grundtatsachen“ abzulenken versuche.[43]
Der bedeutendste Kritiker Turners war jedoch Dirk
Stegmann, der sich in den siebziger Jahren des 20. Jh. in mehreren
Aufsätzen gegen Turners Thesen und Darstellungen wandte.
Stegmann kam bei seinen eigenen Untersuchungen zu dem Schluss, dass
sich die Hitlerförderer aus der Industrie nicht auf einen
engen Kreis von „Ausnahmen“ reduzieren
ließen und dass die Beziehungen zwischen
NSDAP-Führung und Großindustrie nicht so unscheinbar
und nebensächlich waren, wie Turner sie dargestellt hatte.[44]
Ferner arbeitete Stegmann die enge Zusammenarbeit der
Großindustrie mit der radikalen politischen Rechten
während der Periode der „Harzburger Front“
heraus.[45]
Stegmann erhob auf Grundlage seiner Studie Kritik
an Turners Thesen. Turner – so Stegmann – bringe
„nichts Neues“, sondern stehe in der Tradition
„einer personalistisch eingefärbten
Geschichtsschreibung“,[46] die „das Vorhandensein
kollektiver Mentalitäten weitgehend
ausschließt“ und zu „entsprechend
emotional aufgeladenen und undifferenzierten Urteilen“
führe.[47] Stegmann bezichtigte Turner ferner der
Legendenbildung,[48] und warf ihm vor, dass er nicht die Frage stelle,
„ob es etwa gemeinsame gesellschaftspolitische
Überzeugungen resp. Affinitäten zwischen
´Kapitalismus´ in der Weltwirtschaftskrise und
faschistischen Bewegungen gab“.[49] Turner erwies sich nicht
als kritikfähig. Er wandte sich in einem Aufsatz gegen
Stegmanns Kritik, in welchem er nebensächliche Fragen an
Stegmanns Theorie zerredete, kleine und unbedeutende Abschreibfehler in
abgedruckten Dokumenten korrigierte und sich –
unbegründeterweise – sogar zu Andeutungen
hinreißen ließ, die Stegmanns Ausführungen
als das Produkt einer Quellenmanipulation erscheinen
ließen.[50]
Nach Stegmann erschienen in der Bundesrepublik
Deutschland auch andere Arbeiten, die inhaltlich stärker zur
Argumentation Turners auf Distanz gingen. Dabei ragen vor allem die
Arbeiten der Autoren Bernd Weisbrod und Fritz Blaich heraus. Die Arbeit
von Bernd Weisbrod mit dem Titel „Schwerindustrie in der
Weimarer Republik“ war die erste Spezialuntersuchung, die vor
allem bemüht war, Forschungsschwerpunkte Stegmanns zu
vertiefen. In seiner Studie gelang es Weisbrod, die politische Struktur
der Schwerindustrie herauszuarbeiten. Weisbrod kam letztlich zu dem
Schluss, dass Ende der zwanziger Jahre die Absicht der deutschen
Schwerindustrie darin bestand, „mit zunehmendem Wahlerfolg
der NSDAP einer Verlagerung des politischen
Kräftefeldes“ zugunsten der politischen Rechten
„Vorschub zu leisten“ und „damit den
konkurrierenden bürgerlich-liberalen Sammlungsbestrebungen den
Boden“ zu entziehen.[51] Ende der zwanziger Jahre war
„für die führenden Vertreter der
Schwerindustrie – und zwar nicht nur für die
exponierten NSDAP-Anhänger – ein Arrangement mit der
NSDAP einem Paktieren mit der SPD grundsätzlich
vorzuziehen“. Wer die demokratischen Einrichtungen der
Republik beseitigen wollte, konnte nach Weisbrod „auf die
Unterstützung der Schwerindustrie rechnen.“[52]
Die Studie von Fritz Blaich erschien Ende der
achtziger Jahre. Sie war nur aufsatzgroß und wesentlich
konservativer gehalten als die Studien Stegmanns und
Weißbrods. Trotzdem stützte sie Weisbrods
Abschlussthesen in vielerlei Hinsicht. So gingen nach Blaich Teile der
Großindustrie 1930/31 dazu über, im Rahmen ihrer
antidemokratischen Interessen die Zusammenarbeit mit der NSDAP zu
suchen.[53]
Anfang der achtziger Jahre wurde die Studie des
Historikers Reinhard Neebe, mit dem Titel
„Großindustrie, Staat und NSDAP“ zur
Diskussion gestellt. Neebe vertrat die Ansicht, dass im Jahre 1931
maßgebende Industrielle in offene Opposition zum Kabinett
Brüning getreten seien und sich der politischen Rechten
angeschlossen hätten.[54] Dabei habe sich eine Gruppe von
Industriellen um den Großindustriellen Paul Reusch formiert
– die s.g. „Reuschgruppe“ – die
zeitweise zu einer Zusammenarbeit mit der NSDAP bereit gewesen sei. Im
Herbst 1932 sei diese Gruppe von Kapitalisten jedoch wieder von den
Nazis abgerückt.[55] In der Großindustrie
hätte sich letztlich nur eine Gruppe um den
Großindustriellen Fritz Thyssen – ein s.g.
„Thyssenflügel“ – für
eine Kanzlerschaft Hitlers eingesetzt.[56]
Neebes Arbeit ist in vielerlei Hinsicht
bemüht, die positiven Ansätze Stegmanns und Weisbrods
aufzugreifen. Allerdings gelingt es Neebe nicht, die Ansätze
Stegmanns und Weißbrods weiterzuentwickeln. Es erfolgt keine
dezidierte Untersuchung der Geschichte der Beziehungen zwischen
verschiedenen Personen oder Gruppen der Großindustrie zur
NSDAP-Führung. Zudem erfolgt immer noch keine Untersuchung
etwaiger politischer Ziele und Interessen der Großindustrie,
die über den Rahmen der Weimarer Periode hinausgehen
würde. Zudem vermittelt Neebe den Eindruck, als
hätten die von ihm beschriebenen deutschen
Großindustriellen eher auf die jeweils aktuelle Tagespolitik
reagiert, als wären sie also von den politischen Geschehnissen
getrieben worden, anstatt selbst auch bestimmender Faktor zu sein.
Seiner „Zweigruppenthese“ hätte eine
tiefergehende Beschreibung nicht geschadet. Die konkreten personellen
Zusammensetzungen der „Reusch-Gruppe“ und des
„Thyssenflügels“ bleiben weitestgehend im
Dunkeln.
Mitte der achtziger Jahre hatte Henry Ashby Turner
sein neues Buch vorgelegt. Es trug den Titel: „Die
Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers“.[57]
Hauptsächlich konzentrierte sich Turner auf drei
Untersuchungsaspekte: Inwiefern haben die deutschen
Großunternehmer die Weimarer Republik unterminiert, die NSDAP
finanziert und welchen Anteil haben sie am Aufstieg Hitlers genommen?
In dieser wie in späteren Arbeiten blieb Turner bei seinen
altbekannten Schlussfolgerungen, dass „die
Unternehmer“ letztlich im Zusammenhang mit dem Aufstieg
Hitlers „kaum oder überhaupt nicht erwähnt
zu werden“ bräuchten.[58] Dieser Zusammenhang beruhe
auf „mangelhaften historischen Kenntnissen.“[59]
In der Rezension seiner Arbeit wurde er auch von
Reinhard Neebe dahingehend kritisiert, dass Zweifel bestünden,
„ob sich alle Bewertungen und Schlussfolgerungen
tatsächlich ´zwingend´ aus dem empirischen
Befund ergeben“.[60] Neebe kritisierte an Turners Studie auch
die eindimensionale und im Grunde oberflächliche Untersuchung
der politischen Haltung der Großindustrie. Neebe meinte, dass
es nach „dem heutigen Kenntnisstand über
Weimar“ auch „methodisch nur schwer plausibel zu
machen“ sei, „weshalb die Politik der industriellen
Spitzenverbände nicht systematischer analysiert
wird.“[61] Zudem sei nach Neebes Auffassung
„Turners Versuch einer grundsätzlichen Entkopplung
der politischen und der ökonomischen
Sphäre“ problematisch. Neebe hatte Turner ferner
dahingehend kritisiert, dass seine Darstellung somit eben auch ein
„ideologischer Ansatz“ sei.[62] Im Grunde markiert
Turners Variante einer Erklärung des Verhältnisses
der führenden deutschen Großindustriellen und
Bankiers zur NSDAP-Führung vor 1933 im Großen und
Ganzen die Quintessenz des gegebenen Forschungsstandes.
Für die Zeit nach 1933 existiert eine
große Zahl an Arbeiten aus der Bundesrepublik und der
ehemaligen DDR über die Geschichte einzelner
Großunternehmen in der Zeit des „Dritten
Reiches“. Obwohl diese Arbeiten in ihrer Gesamtheit durchaus
einen Beitrag zur Manifestierung des heutigen Forschungsstandes
geleistet haben, so ist ihre Bewertung im Zusammenhang mit dem
Forschungsstand im Einzelfall sehr problematisch. Einerseits sind
Arbeiten dieser Art vor allem aus der Bundesrepublik problematisch,
weil von ihnen keine hundertprozentige Offenheit zu erwarten ist. Der
Historiker Peter Süß schrieb dazu, dass die
Firmengeschichtsschreibung in der Bundesrepublik Deutschland von Anfang
an „eine Domäne unternehmensnaher
Historiographie“ war, deren „Wiege“ nicht
in der Wissenschaft, sondern „in der Werbeabteilung der
Unternehmen“ gestanden habe.[63] Der Historiker Dirk Stegmann
hatte in den siebziger Jahren die „undurchschaubaren
Selektionsmechanismen deutscher Firmenarchive oder
Vorstandsetagen“ kritisiert, „die nur einigen
Auserwählten ihre Akten zugänglich
machen.“[64] Wie der Autor dieser Arbeit aus eigener
Erfahrung versichern kann, hat sich daran bis heute nichts
geändert.
Zum anderen sind Arbeiten dieser Art sowohl aus
der ehemaligen DDR als auch aus der Bundesrepublik deswegen
problematisch, weil die Autoren oftmals dazu neigen, Projektionen vom
Verhalten der Manager eines einzelnen Konzerns auf die Haltung der
gesamten Großindustrie bzw. aller Banken vorzunehmen, was zu
Verzerrungen des Gesamtbildes führen muss.
Zudem ist die Zahl der Arbeiten zum Thema
„Wirtschaft im Dritten Reich“ schon in den
achtziger Jahren derart umfangreich gewesen, dass allein die
vollständige Bibliographie zwei Bände umfasst.[65] Es
versteht sich, dass hier zur Darstellung des Forschungsstandes in der
Einleitung aufgrund des geringen Raumes also nur diejenigen Arbeiten
hervorgehoben werden können, die maßgeblich zur
Manifestierung des heutigen Forschungsstandes beigetragen haben. Dass
die Beurteilung der Relevanz von Arbeiten in Bezug auf den
Forschungsstand in letzter Instanz auch durch die individuelle
Auffassung des Autors gewichtet wird, ist unvermeidbar.
In der ehemaligen DDR lag der Schwerpunkt bei der
Erforschung des Verhältnisses der führenden deutschen
Konzerne zur NSDAP-Führung in der Zeit nach 1933. Hier wurde
u.a. eine große Zahl von Quelleneditionen hervorgebracht, die
hauptsächlich in zwei geschichtswissenschaftlichen
Zeitschriften erschienen waren – dem „Jahrbuch
für Wirtschaftsgeschichte“ und der
„Zeitschrift für Geschichtswissenschaft“
(ZfG). Die bedeutendste Quellenedition zu diesem Thema wurde von den
Historikern Dietrich Eichholtz und Wolfgang Schumann unter dem Titel
„Anatomie des Krieges“ publiziert. Diese
Quellenedition wurde auch von der kritischen Historiographie in der
Bundesrepublik rezipiert.[66]
Die gesamte Forschung der ehemaligen
DDR-Geschichtswissenschaft zur Frage des Verhältnisses der
führenden deutschen Konzerne zur NSDAP-Führung
für die Zeit nach 1933 läuft in der
dreibändigen Arbeit des Historikers Dietrich Eichholtz
zusammen, unter dem Titel „Geschichte der deutschen
Kriegswirtschaft“.[67] In der Arbeit von Dietrich Eichholtz
wird die Auffassung vertreten, dass die führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers sich durchaus mit einer ganzen
Reihe von Zielen der NSDAP-Führung identifizieren konnten
– so u.a. wenn es um die Unterwerfung und Ausbeutung anderer
Länder ging. Nach dieser Darstellung haben die meisten
Konzerne die NSDAP-Führung aktiv – d.h. aus eigenem
Antrieb – bei der Kriegsvorbereitung, z.B. im Zusammenhang
mit der Aufrüstung, der Entwicklung neuer Waffensysteme usw.,
unterstützt.
Nach Eichholtz entstanden im Zuge der
Projektierung des Vierjahresplans zwei Gruppen innerhalb der deutschen
Großindustrie. Als erstes gelang es dem Chemie-Konzern IG
Farben durch den Vierjahresplan in eine Position zu gelangen, die dem
Konzern nicht nur besonders hohe Gewinne sondern auch eine gewisse
Kontrolle über die Gestaltung der Aufrüstung
sicherte. Mit der IG Farben im Zentrum entstand im Weiteren eine Gruppe
von weiteren Konzernen und Banken, die besonders eng mit der
NSDAP-Führung zusammenarbeitete. Dieser Gruppe stand eine
andere Gruppe gegenüber, die sich vor allem um die
beiden Großindustriellen Fritz Thyssen und Ernst Poensgen
sammelte und mit der Wirtschaftspolitik und ihren Zielen weitgehend
unzufrieden war.[68]
In den USA wurde dem entgegengesetzt durch Arthur
Schweitzer bereits Anfang der sechziger Jahre eine deutlich
konservativere Position erarbeitet. Nach Schweitzer wären
Militär und Industrie in Deutschland ab 1936 von der
NSDAP-Führung im Grunde völlig entmachtet worden.[69]
In der Bundesrepublik wurde Mitte der sechziger Jahre mit der Arbeit
von Dieter Petzina unter dem Titel „Autarkiepolitik im
Dritten Reich“ eine Studie mit einer differenzierteren
Theoriebildung erarbeitet. Petzinas Auffassung nach entstand im Rahmen
des Vierjahresplanes vor allem bei der chemischen Industrie die
Forderung nach einer „allein verantwortlichen Stelle
für die Planstellung und Plandurchführung, die
unabhängig von den Wehrmachtsstäben und der
Wirtschaftsbürokratie arbeiten“ konnte. Die
NSDAP-Führung gab dieser Forderung weitgehend nach und damit
„vergrößerte sich die Chance privater
Wirtschaftsgruppen, die staatliche Wirtschaftspolitik
gemäß eigenen Interessen mitzugestalten.“
Dabei rückte sich vor allem die IG Farben in den Vordergrund,
wobei ihr Aufstieg allerdings keine
„Positionsstärkung der gesamten deutschen
Industrie“ darstellte.[70] Als besonders charakteristisch
für die NS-Wirtschaftspolitik hebt Petzina die
„prinzipielle Respektierung des privaten Eigentums“
und die „hohe Einschätzung des Unternehmers durch
die nationalsozialistische Führung“ hervor. Die
politischen Interessen der nationalsozialistischen Führung
fielen vor allem in Punkto Militarisierung und Kriegsvorbereitung mit
den Interessen „des stärksten und einflussreichsten
Teils der deutschen Wirtschaft“ zusammen, nicht zuletzt wegen
des „Aufbaus einer profitablen Industrie“.[71]
Petzinas wesentlich kritischere und besser recherchierte Studie
widerspricht den konservativen Auffassungen des US-Amerikaners Arthur
Schweitzer. Bei Petzina beginnt der Aufstieg des Chemiekonzerns IG
Farben als zentrale politische Größe der deutschen
Rüstungskonzeption in dem Moment, in welchem es nach
Schweitzers Darstellung der NSDAP-Führung angeblich gelungen
war, die Selbstständigkeit der Industrie vollkommen
auszuschalten.
Petzinas Ansatz wurde in der Forschung der
Bundesrepublik jedoch nicht weiter verfolgt. Der Historiker Tim Mason
erarbeitete stattdessen etwa zeitgleich zu Petzina einen anderen
Ansatz, der deutlich näher an der Version Schweitzers lag und
der das Verhältnis der führenden deutschen Konzerne
zur NSDAP-Führung in der Zeit nach 1933 so erklärte,
dass sie mit dem Regierungsantritt Hitlers im Jahre 1933 zugunsten des
„Nationalsozialismus“
„abgedankt“ wären.[72] Die gesamte Innen-
und Außenpolitik der NSDAP-Führung sei von jedem
Einfluss der Großindustrie unabhängig gewesen, wobei
sich eine Art „Verselbstständigung des
nationalsozialistischen Staatsapparates“ unter dem
„Primat der Politik“ herausgebildet
hätte.[73] Mit Ansätzen wie der Masons, Schweitzers
und – wie schon erwähnt – für die
Zeit vor 1933 dem Ansatz Turners, die alle etwa zeitgleich in
Erscheinung treten, beginnt sich zunehmend eine konservative Auffassung
in der westlichen Geschichtsschreibung durchzusetzen, die sich
letztlich der Argumentation Poensgens annähert.
In diesem Bereich erreicht die vollkommen
konservativ geprägte Geschichtsschreibung ihren
Höhepunkt am Ende der achtziger Jahre des 20. Jh. mit der
Arbeit von Gerhard Mollin unter dem Titel „Montankonzerne und
´Drittes Reich´“.[74] Mollins
Untersuchung beschäftigt sich allerdings nur mit der deutschen
Schwerindustrie. Dabei konzentriert er sich praktisch auf zwei
Hauptaspekte: Erstens wird der Auseinandersetzung zwischen den
Ruhr-Konzernen und den staatlichen
„Hermann-Göring-Werken“ (HGW) im Rahmen
des Vierjahresplans große Bedeutung beigemessen. Mollin
konzentriert sich dabei vor allem darauf, diese Konflikte als Reibungen
zwischen den Konzernen und der NSDAP-Führung schlechthin
darzustellen, um einen systemimmanenten Gegensatz zu diagnostizieren.
Seine Bemühungen gipfeln in der Schlussthese, dass der
Kapitalismus in Deutschland durch eine
„Befehlswirtschaft“ im „Dritten
Reich“ einer „Politisierung“ unterworfen
worden wäre, die ihn „an die Grenze seiner
Negation“ geführt habe.[75]
Zweitens konzentriert sich Mollin darauf, den
Nachweis zu erbringen, dass die führenden deutschen Konzerne
der Schwerindustrie im Gegensatz zu ihrer Haltung während des
Ersten Weltkriegs im Zweiten Weltkrieg kein Interesse an der
Unterwerfung und Ausbeutung anderer Länder gehabt
hätten. Mollin vertritt dazu in seiner Schlussthese die
Auffassung, dass sich die Interessen der deutschen
„Monopolindustrie“ „durch die
internationale Marktorganisation der Zwischenkriegszeit“ im
Vergleich zu 1914 bis 1918 „fundamental gewandelt“
hätten.[76] Damit entkoppelt er den Gesamtkomplex Erster und
Zweiter Weltkrieg auf ökonomischer Ebene und macht die besagte
historische Erscheinung ausschließlich zu einem politischen
Produkt, bei dem die deutschen Konzerne nur von den Ereignissen
getrieben werden, sie aber praktisch keinen bestimmenden Faktor mehr
darstellen. Im Zusammenhang damit werden letztlich nahezu alle
gesellschaftlichen Querverbindungen zwischen Wirtschaft und Politik in
einem systemimmanenten Gegensatz zwischen
„Monopolindustrie“ und NSDAP-Führung
aufgelöst.
Aufbauend auf Arbeiten wie der Turners,
Schweitzers, Masons oder Mollins setzte bei einigen Historikern in der
Geschichtsschreibung über das „Dritte
Reich“ sogar eine Art Negation des Kapitalismus als einer
geschichtlichen Komponente ein. Während Petzina in der
Frühzeit der Forschung z.B. noch bemüht war,
aufzuzeigen, dass die IG Farben und die mit ihr verbundenen
Wirtschaftsgruppen großen Anteil an der Projektierung und
Durchführung des Vierjahresplanes und damit an der
Organisierung der Kriegsvorbereitung hatten, verzichtete man in der
späteren Forschung in der Bundesrepublik darauf, derartige
Erkenntnisse weiterhin zu berücksichtigen. Ludolf Herbst
unterschlägt z.B. 1982 in seinem Buch „Der totale
Krieg und die Ordnung der Wirtschaft“ bei der Entwicklung der
Vierjahresplan-Konzeption die IG Farben ganz. Alle
Überlegungen und Entscheidungen, die ganze Konzeptfindung und
die Organisation gehen in seiner Darstellung ausschließlich
von Hitler aus, hinter dem die Großindustrie de facto
verschwindet und der zum universellen Handlungsträger wird.
Während die IG Farben auf den neun Seiten, die dieses Thema in
seinem Buch abhandeln, vollkommen unterschlagen wird, kommt der Name
Hitlers stattdessen 29mal vor.[77] Berücksichtigt man alle
reflexiven und pronominalen Bezüge (er, sein, ihm usw.) gibt
es quasi fast keinen Satz ohne Hitler. Man könnte sagen, an
die Stelle einer sorgfältigen wirtschaftspolitischen
Geschichtsschreibung tritt ein stilisierter
„Hitlerismus“ mit einem geradezu
übermenschlichen, gottgleichen aber unhistorischen Diktator im
Zentrum. Dieser literarisch konstruierte und stilisierte
„Hitlerismus“ ist für eine gewisse
Strömung der konservativen Forschung durchaus nicht untypisch
und neigt dazu, alle Fragen nach den tieferen Zusammenhängen
und Prozessen des „Dritten Reiches“ monoton mit
derselben Antwort zu begründen: Hitler![78] Der Historiker
Peter Süß schrieb dazu, dass es in der
Bundesrepublik eben „politisch nicht Opportun war, sich mit
den Verbrechen der NS-Zeit unter anderen Prämissen zu
befassen, als unter dem Signum der Alleinschuld Hitlers und seiner
Paladine…“[79]
Es sind seit Mollin bis in die jüngste
Zeit natürlich noch andere Arbeiten erschienen – so
z.B. von Jonas Scherner,[80] Christof Buchheim,[81] Gerd
Höschle[82] oder Ulrich Hensler[83] u.a. – in denen
auch die hier untersuchte Problematik bis zu einem unterschiedlich
hohen Grade eine Rolle spielt. Derartige Arbeiten sind
Beiträge zur Geschichte der deutschen Industrie oder einzelner
Wirtschaftszweige in der NS-Zeit und damit Arbeiten zur
Wirtschaftsgeschichte im Allgemeinen, auch wenn sie sich in diesem
Rahmen im Einzelnen mit verschiedenen Spezialfragen ihres
Themenkomplexes befassen. In ihnen geht es primär um
wirtschaftsgeschichtliche Fragen aus der Zeit von 1933 bis 1945, wie
die Stahlkontingentierung, die Investitions- und Industriepolitik in
verschiedensten Schattierungen. Diese Arbeiten haben in ihrer
Gesamtheit ohne Frage einen Beitrag zum besseren Verständnis
der Wirtschaftsgeschichte jener Zeit geleistet und damit auch
Voraussetzungen zur Vertiefung der Erforschung der hier im Zentrum
stehenden Frage geschaffen, aber den hier im Vordergrund stehenden
Gegenstand haben sie letztlich kaum beleuchtet. Die hier konkret zu
untersuchende Frage nach dem unmittelbaren Verhältnis der
führenden deutschen Großindustriellen und Bankiers
zur NSDAP-Führung wird – wenn überhaupt
– nur am Rande behandelt.
Am besten reflektiert den heutigen Stand der
Forschung in der hier behandelten Frage die Arbeit von Gustav Luntowski
mit dem Titel „Hitler und die Herren von der Ruhr“,
die im Jahre 2000 vorgelegt wurde. Was die Zeit vor 1933 betrifft, so
stellt die Arbeit im Prinzip nur eine etwas verschlankte Version der
Linie Turners dar. Hinsichtlich der Zeit nach 1933 ist sie im Kern die
Widergabe der Argumentation Mollins. Luntowskis Darstellung sieht wie
folgt aus: Ende 1932 waren die Großindustriellen wegen der
NSDAP eher „beunruhigt“.[84] Sie beschlossen
zusammen mit den Rechtsparteien gegen die NSDAP zu handeln.[85] Nach
Luntowskis Version hatte bis auf ein Häufchen von Ausnahmen,
die absolute Mehrheit der Großindustrie mit dem Aufstieg
Hitlers de facto nichts zu tun.[86] Das Verhältnis der
führenden deutschen Großindustriellen und Bankiers
zur Naziführung nach 1933 formuliert Luntowski wie folgt:
„Die kritische Einstellung der
Industriellen zu den forcierten Autarkieprogrammen, ihre Skepsis
angesichts der Hochrüstung lässt sich nicht mehr
übersehen – von ihren Vorbehalten gegen den Krieg
ganz zu schweigen.“[87]
Es sei an dieser Stelle nochmals auf die am Anfang
der Forschung stehende Darstellung dieser Fragen durch den
Großindustriellen Ernst Poensgen verwiesen, die er im Februar
1945 verfasst hatte: Für die Zeit vor 1933 hatte Poensgen in
seiner Darstellung über das Verhältnis der deutschen
Großindustriellen zur NSDAP-Führung ausgesagt, dass
sie nicht zu Hitler gestanden und auch nur wenige Ausnahmen aus der
Großindustrie zu Hitler engere Kontakte unterhalten
hätten.[88] Über das Verhältnis der
führenden deutschen Großindustriellen zur
NSDAP-Führung nach 1933 schrieb Poensgen, dass die deutschen
Großindustriellen in Wahrheit den Krieg abgelehnt und
„mit aller Kraft der Überzeugung von ihm
abgeraten“ hätten, wenn sie „gefragt
worden“ wären.[89]
Es ist nicht zu übersehen, dass die
Aussagen Luntowskis, die im Kern denen Turners und Mollnis entsprechen,
mit der Selbstverteidigung eines deutschen Großindustriellen
am Ende der NS-Zeit im Grunde völlig übereinstimmen.
Damit hat sich die Forschung innerhalb von 65 Jahren einmal
vollständig im Kreis bewegt, und unbestreitbar sowohl die
Selbstrechtfertigung Poensgens, als auch die ihr entsprechenden
Nachkriegsschriften von Industrielobbyisten wie Heinrichsbauer und
nicht zuletzt die ebenfalls komplett mit Poensgens Argumentation
übereinstimmende Verteidigungslinie der
Industriellen-Anwälte in Nürnberg zum Forschungsstand
erhoben.[90]
Wie sehen heute die aktuellen Probleme der
Forschung zum hier diskutierten Gegenstand auf theoretischer und
faktischer Ebene aus? Es treffen hinsichtlich der theoretischen Ebene
im Großen und Ganzen weiterhin die einstigen Kritiken
Stegmanns, Neebes, Hallgartens und Radtkaus zu: Die Forschung steht
ganz in der Tradition „einer personalistisch
eingefärbten Geschichtsschreibung“,[91] die eben
auch ein „ideologischer Ansatz“ ist[92] und zum
Teil in einen literarisch konstruierten, unhistorischen
„Hitlerismus“ übergeht. Dadurch kommt es
zu einer „politisch stark aufgeladenen
Kontroverse“.[93] Es gibt immer noch keine dezidierte
Untersuchung zur politischen Einstellung der damaligen deutschen
Großindustriellen. Dadurch wird „die politische
Rolle der deutschen Unternehmer in der Weimarer Zeit etwa, ihr
Demokratieverständnis, ihr Verhältnis zur Sozial-,
Wirtschafts-, und Außenpolitik“ letztlich
„kaum analysiert“. Zudem wird „das
Vorhandensein kollektiver Mentalitäten weitgehend“
ausgeschlossen.[94] Der „Versuch einer
grundsätzlichen Entkopplung der politischen und der
ökonomischen Sphäre“ erscheint nach wie vor
problematisch.[95] Die Frage, „ob es etwa gemeinsame
gesellschaftspolitische Überzeugungen resp.
Affinitäten zwischen ´Kapitalismus´ in der
Weltwirtschaftskrise und faschistischen Bewegungen gab“, wird
oft „gar nicht gestellt“.[96] Die
„langfristigen verfassungs- und wirtschaftspolitischen
Zielvorstellungen“ der damaligen Akteure bleiben weitgehend
„außer acht“.[97] Im Übrigen ist
es nach „dem heutigen Kenntnisstand über
Weimar“ auch „methodisch nur schwer plausibel zu
machen“, „weshalb die Politik der industriellen
Spitzenverbände nicht systematischer analysiert
wird.“[98] Zudem werden „strukturelle,
sozialgeschichtlich relevante Aspekte nicht genügend
herausgearbeitet.[99] Es bestehen immer noch Zweifel, „ob
sich alle Bewertungen und Schlussfolgerungen tatsächlich
´zwingend´ aus den empirischen Befund[en]
ergeben“.[100] Die scheinbare Detailschärfe wird oft
zur Herbeiführung einer verschwommenen und verzerrten Sicht
auf die Geschichte benutzt[101] und führt letztlich zu
Legendenbildung.[102] Die Erforschung des konkreten
Verhältnisses der führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers zur NSDAP-Führung vor
und nach 1933 steht immer noch am Anfang – was am Ende einer
„Kreisbewegung“ letztlich ohnehin unvermeidbar ist.
Viele Fragen werden bis heute gar nicht oder nur
am Rande berührt. Es wurden z.B. durch die Geschichtsforschung
der ehemaligen DDR überzeugende Beweise dafür
vorgelegt, dass eine ganze Reihe von führenden deutschen
Konzernen in der gesamten Zeit der Weimarer Republik heimlich und unter
Verletzung internationaler Verträge an neuen Waffensystemen
und Rüstungstechnologien forschte.[103] Diese Projekte
ließen sich aber in der Zeit nach 1918 unter den Bedingungen
der politisch schwachen Weimarer Republik und schon gar nicht unter dem
Versailler Vertrag ökonomisch realisieren. Das zeigt aber,
dass es für die besagten Großindustriellen eine Welt
nach der Weimarer Republik und nach dem Versailler Vertrag gab und das
wiederum deutet darauf hin, dass sie weitgesteckte politische Visionen
besaßen. Für Industrie-Konzerne, die
größtenteils durch eine lange Phase der
Hochrüstung, Kriegsvorbereitung sowie einen Weltkrieg
gewachsen und geformt worden waren, musste dieses Geschäft
auch eine politische Dimension besitzen. Diese Frage wird jedenfalls
von den Werken der neueren historischen Forschung im Zusammenhang mit
den politischen Interessen der damaligen Großindustrie nicht
berührt.[104]
Dazu kommt, dass gerade Arbeiten wie die Mollins
oder Luntowskis, die sich fast ausschließlich mit der
Schwerindustrie befassen, stark dazu neigen, das
„Istgleichzeichen“ zwischen die Schwerindustrie
einerseits und die Großindustrie bzw. die
Großunternehmer andererseits zu setzen, indem sie vom
Verhalten und den Problemen der Schwerindustrie aus fast
ständig Schlussfolgerungen für das Verhalten und die
Probleme der gesamten gar nicht untersuchten deutschen
Großindustrie ziehen. An diesen Stellen sind Projektionen und
Verzerrungen vorprogrammiert.
Hinsichtlich der faktischen Ebene wird es
nötig sein, die Detailschärfe zu erhöhen, um
viele scheinbar gesicherte Fakten, die im Zuge interessengeleiteter
Darstellungen verdreht, im falschen Kontext oder gar nicht aufgegriffen
wurden, weil sie nicht in die jeweiligen Theorien passten, richtig zu
stellen bzw. überhaupt erst einmal anzuführen.
Die hier folgende Studie stellt sich das Ziel, das
Verhältnis der damals führenden deutschen Konzerne
zum Nationalsozialismus zu erforschen. Für die Zwecke der
Einleitung wurde dieses Ziel mehrfach kürzer gefasst: Das
Verhältnis der führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers zur NSDAP-Führung.
Das hatte drei Gründe: Erstens, weil damit verdeutlicht werden
sollte, in wieweit sich diese Arbeit von anderen Arbeiten
unterscheidet, die – wenn auch im Rahmen von verschiedenen
Spezialthemen – die Geschichte der deutschen Industrie und
Bankwelt in der Weimarer Republik oder der
„Nazi-Zeit“ im weitesten wirtschaftsgeschichtlichen
Sinne untersuchen. Wirtschaftsgeschichtliche Fragen werden zwar auch
hier folgend neben anderen Fragen behandelt, im Zentrum steht aber ihre
politische Dimension.
Zweitens, weil hier die Auffassung vertreten wird,
dass die Erforschung des Verhältnisses der führenden
deutschen Konzerne zum Nationalsozialismus nur erfolgreich sein kann,
wenn gerade bei den entscheidenden historischen Ereignissen die
politische Rollenverteilung und die konkrete politische Interaktion
zwischen den deutschen Großindustriellen und Bankiers
einerseits sowie den politischen Trägern der Weimarer Republik
und des „Nationalsozialismus“ andererseits, soweit
wie nach Quellenlage möglich, aufgezeigt wird.
Drittens geht es folgend nicht um das
Verhältnis der führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers – bzw. der
führenden deutschen Konzerne – zum
„Nationalsozialismus“ schlechthin, sondern um einen
Kreis ausgewählter Fragestellungen, die speziell an den unter
zweitens aufgeführten Aspekt angelehnt worden sind:
1) Welche politischen Fernziele bzw.
politischen Hauptziele verfolgten die deutschen
Großindustriellen und Bankiers in der Periode der Weimarer
Republik?
2) Übten die deutschen
Großindustriellen und Bankiers in den letzten Jahren der
Weimarer Republik einen entscheidenden Einfluss auf die Politik der
Regierung aus und führten sie die Republik in eine Krise?
3) Welche Beziehungen hatten sich im
Laufe der letzten Jahre der Weimarer Republik zwischen den deutschen
Großindustriellen und Bankiers einerseits und der
NSDAP-Führung andererseits entwickelt?
4) Welche Rolle spielte in den
politischen Konzepten der deutschen Großindustriellen und
Bankiers die NSDAP und halfen sie ihr entscheidend auf dem Weg zur
Diktatur?
5) Verschaffte der NS-Staat unter der
Hitler-Regierung den Interessen der deutschen
Großindustriellen und Bankiers innerhalb der Gesellschaft
irgendeinen Vorrang?
6) Übten die führenden
deutschen Großindustriellen und Bankiers nach 1933 in
irgendeiner Form entscheidenden Einfluss auf den Staatsapparat aus und
konnten sie den politischen Kurs mitbestimmen?
Die folgende Studie versteht sich als Fortsetzung
der kritischen Historiographie. Sie will die Ansätze der
kritischen Historiographie wieder aufgreifen und weiterentwickeln. Die
Methoden der folgenden Untersuchung wurden daher entsprechend den
Vorsätzen der angesprochenen Zielstellung ausgewählt.
Wie speziell die erste oben angeführte Fragestellung schon
signalisiert, leitet eine dezidierte Untersuchung zur politischen
Einstellung der führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers die folgende Studie ein.
Dadurch sollen Voraussetzungen geschaffen werden, um im
späteren Teil der Studie die politische Rolle der deutschen
Großunternehmer in der Weimarer Zeit, ihr
Demokratieverständnis, ihr Verhältnis zur Sozial-,
Wirtschafts-, und Außenpolitik sowie ihre langfristigen
verfassungs- und wirtschaftspolitischen Zielvorstellungen durch ein
tieferes Verständnis ihrer etwaig vorhandenen kollektiven
Mentalitäten und tradierten politischen Visionen analysieren
zu können. Im Zuge dieser Analysen soll auch die Frage
berührt werden, ob es etwa gemeinsame gesellschaftspolitische
Überzeugungen bzw. Affinitäten oder sogar Barrieren
zwischen „Kapitalismus“ in der Weltwirtschaftskrise
und der NS-Bewegungen bzw. der NS-Ideologie gegeben hat. In
Zusammenhang mit der Darstellung des politischen Handelns der
führenden deutschen Großunternehmer sowie ihrer
damit verbundenen etwaigen Interaktionen mit politischen Gruppierungen
und Instanzen des Staates soll auch die Politik der industriellen
Spitzenverbände, soweit sie als für das Thema
relevant erscheint, mit analysiert werden.
Gerade wenn es um die politischen Einstellungen
der führenden deutschen Großindustriellen und
Bankiers geht, um ihr Demokratieverständnis, ihre Haltung zu
speziellen politischen Fragen sowie um ihre politischen
Zukunftsvisionen, muss – soweit möglich –
auch die Frage erforscht werden, wie sich bei den
Großunternehmern der damaligen Zeit in Auseinandersetzung mit
der damals gegebenen Situation politische Vorstellungen gebildet haben.
Wie entwickelten sich aus den Auseinandersetzungen unter den
Großunternehmern um diese verschiedenen Vorstellungen
politische Visionen und politische Strömungen in ihren Reihen?
Wie versuchten sie aus diesen Auseinandersetzungen heraus und den sich
dabei bildenden Gruppen und rivalisierenden Konzepten zu politischem
Handeln überzugehen – und mit welchem Erfolg?
Um diese Fragen – soweit
möglich – zu untersuchen, wird sogar der
„personalistisch eingefärbte“ Ansatz der
konservativen Historiographie in das methodische Konzept der folgenden
Untersuchung integriert. Ein „ideologischer
Ansatz“, wie Neebe schon sagte, ist er nur, als
„rein individualistischer Ansatz ohne Bezug zur
Ökonomie“.[105] Er zielt vor allem bei Turner auf
eine „politische Verwendbarkeit ad hoc“ ab.[106]
Der personalistische Ansatz fußt auf einem weitgehend
stringenten Positivismus. Turner z.B. erreichte die
„Ideologisierung“ seines personalistischen Ansatzes
durch die Einschränkung des ihm zugrundeliegenden
Positivismus. Durch die Auswahl der Quellen sollte ein historisches
Bild erzeugt werden, das auch einem politisch motivierten
Darstellungsbedürfnis zu entsprechen hatte. Nicht ohne Grund
hat schon Stegmann darauf hingewiesen, dass die Archive, die er und
Turner zugleich besucht hatten, wesentlich mehr Material für
die Beleuchtung des Verhältnisses von Großindustrie
und „Nationalsozialismus“ enthalten haben,
„als Turner mitzuteilen für wert
hält.“[107]
Der personalistische Ansatz wird hier politisch
entschärft durch Wiederherstellung seiner positivistischen
Grundlage. Aussagen von historischen Personen, die hier mit im Zentrum
der Untersuchung stehen – z.B. politische
Äußerungen von Industriellen – wurden
daher in der Regel bevorzugt dann zitiert, wenn sie aus einem Kontinuum
gleichartiger Äußerungen stammten oder als besonders
repräsentativ für eine Gruppe von Personen angesehen
werden konnten, weil sich gleichartige Aussagen von allen Beteiligten
in ihrem Schriftwechsel beständig wiederholten. Es geht hier
also nicht darum, dass der Autor einfach nur aneinanderreiht
„wer was gesagt hat“. Das ist eine typische aber
unzutreffende Kritik. Historische Informationen wurden hier vor allem
dann bevorzugt aus Quellen wie Briefen, Aktennotizen oder
Niederschriften von Besprechungen entnommen, wenn sie durch die
Aussagen weiterer sich inhaltlich schneidender Quellen
bestätigt wurden.
Die vorliegende Studie stellt sich auch das Ziel,
eine Darstellung des Themas zu geben, deren Schwerpunkt eindeutig auf
den Quellen liegt. Die historischen Ereignisse werden folglich so
dargestellt, wie die Quellen sie wiedergeben. Der Studie liegt daher
die umfangreichste Quellensammlung zugrunde, die jemals zur
Untersuchung dieses Themas zusammengestellt wurde. Für diese
Studie wertete der Autor die Akten von insgesamt 12
Industrie-Konzernen, 7 Banken und 6 Industrieverbänden aus.
Dazu wurden auch Akten zahlreicher staatlicher Institutionen und
Regierungsinstanzen bearbeitet, sowie Akten maßgebender
politischer Organisationen der damaligen Zeit. Ein Teil des Materials
wird hier erstmalig im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung
vorgestellt. Ferner stellte sich selbst bei der
Überprüfung von schon lange in Verwendung
befindlichen Beständen heraus, dass aus diesen bisher sehr
viel Material in den existierenden Untersuchungen gar nicht ausgewertet
wurde. Schon allein die Einbeziehung dieses Materials lässt
viele scheinbar gesicherte Erkenntnisse in einem anderen Licht
erscheinen.
Die zeitliche Eingrenzung des Themas
(1926–1941) leitete sich vom Anspruch ab, die Untersuchung
vom Anbeginn der Werbung Hitlers um die Unterstützung der
rheinisch-westfälischen Großindustrie im Jahre 1926
bis zum Höhepunkt des machtpolitischen Aufstieges des
„Nationalsozialismus“ im Jahre 1941 vorzunehmen. Um
verschiedene Fragen der Untersuchung jedoch eingehender zu beleuchten,
musste diese zeitliche Eingrenzung natürlich in einigen
Bereichen überschritten werden.
Die Gruppe der führenden deutschen
Großindustriellen und Bankiers, die hier im Zentrum der
folgenden Untersuchung steht, wird mit einem klaren Begriff von der
übrigen Wirtschaft abgegrenzt, indem sie als die
„deutsche Kapitalelite“ bezeichnet werden oder
einfach nur als „Kapitalisten“. Wenn mit dem
Begriff „Kapitalisten“ auch
mittelständische Industrielle oder Bankiers gemeint sein
sollten, so wird dies an der jeweiligen Stelle explizit gesagt. Um zur
Gruppe der führenden deutschen Großindustriellen und
Bankiers bzw. zur „deutschen Kapitalelite“ bzw. zu
den besagten „Kapitalisten“ zu gehören,
muss die betreffende historische Person nach der hier vertretenen
Auffassung im Vorstand eines der in der nachfolgenden Beschreibung
aufgeführten Konzerne vertreten gewesen sein oder dort
wenigstens die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden bekleidet haben.
Welche damaligen Großunternehmen
gehörten zu den führenden deutschen Konzernen? Anfang
der dreißiger Jahre existierten in Deutschland nur noch drei
Großbanken: Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die
Commerzbank. Unter Vorbehalt könnte noch die Berliner
Handelsgesellschaft (kurz: BHG) dazugezählt werden.
Die Chemieindustrie des Deutschlands am Beginn der
dreißiger Jahre bestand de facto zu 90% aus der IG Farben.
Dieser Konzern wurde Mitte der zwanziger Jahre durch eine Fusion
begründet, an der u.a. die Chemiefirmen Bayer, Agfa, BASF und
Hoechst beteiligt waren. Dieser Industrie-Riese vereinte fast die
gesamte Branche unter seiner Führung. Der organisatorische
Überbau des IG Farben-Konzerns setzte sich personaltechnisch
aus nur 110 Personen zusammen und die eigentliche Führung des
Unternehmens ruhte in einem 26-köpfigen Ausschuss unter
Führung des Großindustriellen Karl Bosch.[108]
Daneben existierte die deutsche Kaliindustrie. Sie
war weltführend neben den amerikanischen Konzernen dieser
Branche. Bis 1918 hatten die deutschen Konzerne sogar das
„Weltmonopol“ für Kali inne. Schon 1900
lieferten die deutschen Konzerne 94% und 1913 sogar 96% der
Weltkaliproduktion. An der deutschen Kaliindustrie war der
preußische Staat zu 13% beteiligt.[109] Die deutsche
Kaliindustrie hatte für die gesamte Chemieindustrie eine
Schlüsselrolle inne – angefangen von der
Düngemittel-, Farben-, Textilproduktion bis zur
Sprengstoffherstellung war sie wohl der wichtigste
Rohstofflieferant.[110] Die größten Konzerne dieser
Branche waren die „Wintershall AG“ und die
„Salzdetfurth AG“. Die Konzerne der deutschen
Kalibranche hatten ein „Syndikat“ – das
s.g. „Deutsche Kalisyndikat“ (DKS) –
gegründet, mittels dessen sie die ganze Kali-Branche
kontrollierten. Im Laufe der Zeit war es allerdings der Wintershall AG
und der Salzdetfurth AG gelungen, das DKS zu kontrollieren. Allein die
Wintershall AG vereinte in Deutschland 40% der Syndikatsquoten
für den Abbau von Kali und Steinsalzen auf sich.[111]
Kaum anders gestalteten sich die Voraussetzungen
in der deutschen Elektroindustrie, in welcher sich die Unternehmen der
Siemens-Gruppe und die „Allgemeine
Elektrizitätsgesellschaft“ (AEG) die Vorherrschaft
über die Branche teilten. Zusammen beherrschten sie mindestens
80% der gesamten Produktion.[112]
In der Branche Kohle-Eisen-Stahl war der
bedeutendste Konzern die „Vereinigten Stahlwerke
AG“. Dieses Unternehmen umfasste etwa 40% der gesamten
deutschen Schwerindustrie.[113] Daneben existierten die
„Gelsenkirchener Bergwerks AG“ (GBAG), die
Mannesmann-Röhrenwerke[114] (kurz: Mannesmann), die
„Gutehoffnungshütte“ (GHH), die
„Hoesch-Köln-Neussen AG“ (kurz:
Hoesch-Konzern), die „Klöckner-Werke AG“
(kurz: Klöckner) und die „Rheinische
Aktiengesellschaft für Braunkohlenbergbau und
Brikettfabrikation“ (kurz: Rheinbraun). Die bis hierher
genannten Konzerne konzentrierten sich vor allem im Ruhrgebiet oder
zumindest in dessen unmittelbarer Nähe. Außerhalb
dieses für die deutsche Schwerindustrie damals traditionellen
Ballungszentrums existierten Anfang der dreißiger Jahre noch
die „Mitteldeutsche Stahlwerke AG“ (kurz:
Mittelstahl) und die „Röchling´schen
Eisen- und Stahlwerke GmbH“. Im Raum Berlin existierte der
Konzern des Großindustriellen Ernst von Borsig, der sowohl im
Berliner Raum als auch in Schlesien verschiedene Werke u.a.
für den Maschinenbau und die Koksherstellung betrieb. Nahezu
der gesamte Schwermaschinenbau war den führenden Konzernen der
Schwerindustrie angegliedert.
Zudem waren die Unternehmen der deutschen
Schwerindustrie in monopolistischen Verbänden organisiert, so
z.B. im „Rheinisch-westfälischen
Kohlensyndikat“ (RWKS), dass etwa 80% der gesamten
Kohleproduktion beherrschte. Die Schwerindustrie war zudem in
wirtschaftspolitischen Verbänden organisiert, wie z.B. dem
„Verein für die Bergbaulichen Interessen“
(kurz: Bergbauverein) oder dem „Verein Deutscher Eisen- und
Stahlindustrieller“ (VDESI).
Von den deutschen
Großhandelsgesellschaften und Reedereien wären vor
allem die „Hamburg-Amerika-Paket AG“ (HAPAG) und
der „Norddeutsche Lloyd“ zu nennen. Sie
konzentrierten einen beträchtlichen Teil der gesamten
Schifffahrt und damit des deutschen Außenhandels auf sich.
Damit waren diese Gesellschaften gewissermaßen das Tor des
deutschen Handels zur Welt, denn die Schifffahrt bewältigte
schon zu Beginn des 20. Jh. zwei Drittel bis drei Viertel des gesamten
deutschen Außenhandels.[115] Erwähnt werden
müsste hier auch die Großwerft „Blohm
& Voss“, die zweitgrößte Werft
Hamburgs, die später für die Rüstung
große Bedeutung erlangte.
Von den deutschen Versicherungsgesellschaften
müsste hier zumindest die „Allianz und Stuttgarter
Versicherungsaktiengesellschaft“ (kurz:
„Allianz“) als die damals größte
deutsche Versicherungsgesellschaft genannt werden. Sie
verfügte schon ohne die Einbeziehung ihrer
Vermögenswerte über Kapitalanlagen in Höhe
von fast 700 Millionen Mark.[116] Für damalige
Verhältnisse stellte das eine ausgesprochen exponierte Summe
dar. Sie hielt zudem die Hälfte ihres Aktienkapitals
selbst.[117] Das machte sie in ihren wirschaftspolitischen
Entscheidungen weitgehend unabhängig von den Interessen
dritter.
________________________________________
[1]
Wippermann, Wolfgang, Faschismustheorien – Zum Stand der
gegenwärtigen Diskussion, 5. Auflage, Darmstadt 1989, S. 58.
[2]
Schild, Herrmann (Hg.), Das Morgenthautagebuch – Dokumente
des Antigermanismus, Leoni am Starnberger See 1970, S.
177–178, 217–218.
[3]
Ebenda, S. 144.
[4]
Ebenda, S. 221–224.
[5]
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Bundesgesetzblatt,
Teil I/1957, S. 1081ff.
[6]
US-Army (Hg.), Allgemeine Zeitung, 12.10.1945, entnommen aus:
Eichholtz, Dietrich u.a. (Hg.), Anatomie des Krieges, Berlin 1969,
Dokument Nr. 281.
[7]
Historische Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens (Hg.), Das
Potsdamer Abkommen – Dokumentensammlung, Berlin 1975, S.
197–198.
[8]
Siehe dazu: 1.) Thieleke, Karl Heinz (Hg.), Fall 5,
Anklageplädoyer, ausgewählte Dokumente, Urteil des
Flick-Prozesses, Berlin 1965, S. 21 ff.; 2.) Radandt, Hans, Fall 6,
Ausgewählte Dokumente und Urteil des IG Farben-Prozesses,
Berlin 1970, S. 9 ff.
[9]
Schmidt, Eberhard, Die verhinderte Neuordnung 1945–1952
– Zur Auseinandersetzung um die Demokratisierung der
Wirtschaft in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik
Deutschland, Frankfurt/Main 1970, S. 67.
[10]
Ebenda, S. 72, 76, 81, 85.
[11]
Nachlass Ernst Poensgen, WWA, N 7/18, unveröffentlichtes
Manuskript: „Hitler und die Ruhrindustriellen“, S.
6.
[12]
Ebenda, S. 7.
[13]
Ebenda, S. 21.
[14]
Ebenda, S. 10.
[15]
Ebenda, S. 11–12.
[16]
Ebenda, S. 10–11.
[17]
Heinrichsbauer, August, Schwerindustrie und Politik, Essen/Kettwig 1948.
[18]
Lochner, Louis P., Die Mächtigen und der Tyrann –
Die deutsche Industrie von Hitler bis Adenauer, Darmstadt 1955.
[19]
Wilmowsky, Tilo Freiherr von, Warum wurde Krupp verurteilt, Stuttgart
1950.
[20]
Zangen, Wilhelm, Aus meinem Leben, Düsseldorf 1968.
[21]
Vgl. z.B. mit: Eidesstattliche Erklärung August
Heinrichsbauers vom 31. Januar 1948 vor dem NMG, WWA, S1, Rep. 501, D 2.
[22]
Bundesverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes (Hg.), Hitler und die
Industrie, Anhang zu „Für die Demokratie –
Informationen, Kommentare, Presseschau, Jahrgang IV (XII) 1963.
[23]
Kuczynski, Jürgen, Die Geschichte der Lage der Arbeiter in
Deutschland, Band II – Erster Teil, Berlin 1953, S.
39–42.
[24]
Kuczynski, Jürgen, Studien zur Geschichte des Deutschen
Imperialismus, Band I: Monopole und Unternehmerverbände,
Berlin 1948, S. 246–260.
[25]
Gossweiler, Kurt, Großbanken – Industriemonopole
– Staat 1914–1932, (West-) Berlin 1975, S.
343–352.
[26]
Ebenda, S. 392–393.
[27]
Czichon, Eberhard, Wer verhalf Hitler zur Macht? – Zum Anteil
der deutschen Industrie an der Zerstörung der Weimarer
Republik, Köln 1967.
[28]
Ebenda, S. 54.
[29]
Gossweiler, Kurt, Aufsätze zum Faschismus, Berlin 1986, S. 513.
[30]
In Kurt Gossweilers Buch „Aufsätze zum
Faschismus“ (Berlin 1986) sind eine ganze Reihe dieser
Aufsätze nochmals veröffentlicht worden.
[31]
Siehe z.B.: Ruge, Wolfgang, Weimar – Republik auf Zeit, 1.
Auflage, Berlin 1969; Opitz, Reinhard, Faschismus und Neofaschismus,
Berlin 1984; Petzold, Joachim, Die Demagogie des Hitlerfaschismus,
Frankfurt/Main 1983; Gossweiler, Kurt, Kapital, Reichswehr und NSDAP
1919–1924, Berlin 1982; Pätzold, Kurt u.
Weißbecker, Manfred, Hakenkreuz und Totenkopf – Die
Partei des Verbrechens, Berlin 1981; Pätzold, Kurt u.
Weißbecker, Manfred, Die Geschichte der NSDAP
1920–1945, Köln 1998; Gossweiler, Kurt, Die Rolle
des Monopolkapitals bei der Herbeiführung der
Röhm-Affäre, phil. Diss., HU Berlin, 1963,
Maschinenschriftlich.
[32]
Ruge, Wolfgang, Das Ende von Weimar – Monopolkapital und
Hitler, Berlin 1983.
[33]
Hallgarten, George W.F., Hitler, Reichswehr und Industrie –
Zur Geschichte der Jahre 1918–1933, Frankfurt/Main 1955, S.
116–117.
[34]
Turner, Henry Ashby, Faschismus und Kapitalismus in Deutschland,
Göttingen 1972.
[35]
Turner, Henry Ashby, Faschismus, S. 13–14. Zitat:
„Prüft man jedoch, was man über die
politische Einstellung der Großunternehmer weiß,
wird schnell klar, dass die mit den Nationalsozialisten
sympathisierenden auffallen, weil sie Ausnahmen waren.“
[36]
Vgl.: 1.) Hallgarten, George W.F., u. Radtkau, Joachim, Deutsche
Industrie und Politik von Bismarck bis heute, Frankfurt/Main 1974, S.
10–11; 2.) Neebe, Reinhard, Großindustrie, Staat
und NSDAP – Paul Silverberg und der Reichsverband der
Deutschen Industrie in der Krise der Weimarer Republik,
Göttingen 1981, S. 12–14, S. 16.
[37]
(Zitat Turner:) „Entspricht die weitverbreitete Ansicht, dass
der Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus ist, den
Tatsachen, dann ist dieses System kaum zu verteidigen.“
– Siehe: Turner, Henry Ashby, Faschismus, S. 7.
[38]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung oder
sozial-ökonomische Faschismusanalyse? – Eine Antwort
auf H.A. Turners Kritik an meinen Thesen zum Verhältnis von
Nationalsozialismus und Großindustrie vor 1933; in:
Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Archiv für Sozialgeschichte,
Band XVII, Bonn – Bad Godesberg 1977, S. 278.
[39]
Neebe, Reinhard, S. 18.
[40]
Gossweiler, Kurt, Kapital, Reichswehr und NSDAP 1919–1924,
Berlin 1986, S. 18 + Fn. 5.
[41]
Gossweiler, Kurt, Aufsätze zum Faschismus, Berlin 1986, S. 472.
[42]
Ebenda, S. 492.
[43]
Hallgarten, George W.F., u. Radtkau, Joachim, S. 10–13.
[44]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis von Großindustrie und
Nationalsozialismus 1930–1933, Ein Beitrag zur Geschichte der
sog. Machtergreifung; in: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Archiv
für Sozialgeschichte, Band XIII, Bonn – Bad
Godesberg 1973, S. 402–441.
[45]
Ebenda, S. 420–421.
[46]
Ebenda, S. 401.
[47]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung oder
sozial-ökonomische Faschismusanalyse? – Eine Antwort
auf H.A. Turners Kritik an meinen Thesen zum Verhältnis von
Nationalsozialismus und Großindustrie vor 1933; in:
Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Archiv für Sozialgeschichte,
Band XVII, Bonn – Bad Godesberg 1977, S. 280.
[48]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis, S. 399–401.
[49]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung, S. 279.
[50]
Siehe z.B. seine Reaktion: Großunternehmertum und
Nationalsozialismus 1930–1933, Kritisches und
Ergänzendes zu zwei neuen Forschungsbeiträgen; in:
Historische Zeitschrift, Band 221, 1975.
[51]
Weisbrod, Bernd, Schwerindustrie in der Weimarer Republik –
Interessenpolitik zwischen Stabilisierung und Krise, Wuppertal 1978, S.
498.
[52]
Ebenda, S. 500–501.
[53]
Blaich, Fritz, Staatsverständnis und politische Haltung der
deutschen Unternehmer 1918–1930; in: Bracher, Karl Dietrich,
u.a. (Hg.), Die Weimarer Republik 1918–1933,
Düsseldorf 1987, S. 176–178.
[54]
Neebe, Reinhard, Großindustrie, Staat und NSDAP –
Paul Silverberg und der Reichsverband der Deutschen Industrie in der
Krise der Weimarer Republik, Göttingen 1981, S.
120–152.
[55]
Ebenda, S. 143.
[56]
Ebenda, S. 152.
[57]
Turner, Henry Ashby, Die Großunternehmer und der Aufstieg
Hitlers, Berlin (West) 1985.
[58]
Ebenda, S. 422.
[59]
Hitlers Rede vor dem Düsseldorfer Industrie-Club am 26. Januar
1932 – Legende und Wirklichkeit, Berlin 2001, S. 5.
[60]
Neebe, Reinhard, Die Verantwortung der Großindustrie
für das Dritte Reich – Anmerkungen zu Henry Ashby
Turners Buch „Die Großunternehmer und der Aufstieg
Hitlers“; in: Historische Zeitschrift, Band 244,
München 1987, S. 358. – Hinweis: Dieser Aufsatz wird
innerhalb dieser Arbeit nur in der Einleitung zitiert. Alle Nachweise
in den Fußnoten nach dem Muster „Neebe, Reinhard,
S. …“ beziehen sich daher auf sein Buch
„Großindustrie, Staat und NSDAP“.
[61]
Ebenda, S. 362.
[62]
Ebenda.
[63]
Süß, Peter, „Ist Hitler nicht ein famoser
Kerl?“, Graetz – Eine Familie und ihr Unternehmen
vom Kaiserreich bis zur Bundesrepublik, Paderborn 2003, S. 22.
[64]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung, S. 278 + Fn. 14.
[65]
Volkmann, Hans-Erich, Wirtschaft im Dritten Reich, Bd. I
(1933–1939, München 1980), Bd. II
(1939–1945, Koblenz 1984); in: Neue Folgen der Bibliographien
der Weltkriegsbücherei.
[66]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis, S. 401 + Fn. 9a.
[67]
Eichholtz, Dietrich, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft
1939–1945, Band I (Berlin 1969), Band II (Berlin 1985), Band
III (Berlin 1996).
[68]
Eichholtz, Dietrich, Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft, Band I,
S. 38–55.
[69]
Schweitzer, Arthur, Big Business in the Third Reich, London 1964, S.
537, S. 552 ff.
[70]
Petzina, Dieter, Autarkiepolitik im Dritten Reich – Der
nationalsozialistische Vierjahresplan, Stuttgart 1968, S. 118.
[71]
Ebenda, S. 196.
[72]
Mason, Tim, Das Primat der Politik – Politik und Wirtschaft
im Nationalsozialismus; in: Das Argument – Berliner Hefte
für Probleme der Gesellschaft, Heft 41, Dezember 1966, S. 478.
[73]
Ebenda, S. 474.
[74]
Mollin, Gerhard Th., Montankonzerne und Drittes Reich – Der
Gegensatz zwischen Monopolindustrie und Befehlswirtschaft in der
deutschen Rüstung und Expansion 1936–1944,
Göttingen 1988.
[75]
Ebenda, S. 268–269.
[76]
Ebenda, S. 276–277.
[77]
Herbst, Ludolf, Der totale Krieg und die Ordnung der Wirtschaft
– die Kriegswirtschaft im Spannungsfeld von Politik,
Ideologie und Propaganda 1939–1945, Stuttgart 1982, S.
64–72.
[78]
Hier nur einige Beispiele: (Zitat/Bracher:) „Er [Hitler]
delegierte nach Belieben Macht an die Unterführer, aber diese
sind und bleiben ihm bedingungslos unterworfen, er verfügte
voll und jederzeit über das Befehlsmandat, dass sie nach unten
ausüben...“ (a); (Zitat/Bracher:) „Im
Verlaufe des Krieges waren alle Lebensfunktionen des Dritten Reiches so
unmittelbar auf einen einzigen `Führer` zugeschnitten worden,
dass er [Hitler] nur noch durch widerspruchslos ergebene Gehilfen
Kontakt zur Außenwelt besaß.“ (b);
(Zitat/Fest:) „Tatsächlich war er [Hitler] in einem
wohl beispiellosen Grade alles aus sich und in einem: Lehrer seiner
selbst, Organisator einer Partei und Schöpfer einer Ideologie
[...] Führer, Staatsmann und, während eines
Jahrszehnts, Bewegungszentrum der Welt.“ (c);
(Zitat/Kershaw:) „Hitler war Haupturheber eines Krieges, der
zu mehr als 50 Millionen Toten führte [...] Hitler war der
wichtigste Inspirator eines Völkermordes, wie ihn die Welt
niemals kennengelernt hatte...“ (d) – Siehe: zu a)
Bracher, Karl Dietrich, Die deutsche Diktatur, Köln 1979, 6.
Auflage, S. 372; zu b) Ebenda, S. 503; zu c) Fest, Joachim, Hitler, S.
18; zu d) Kershaw, Ian, Hitler; 1936–1945, München
2002, S. 1081.
[79]
Süß, Peter, S. 20.
[80]
Scherner, Jones, Die Logik der Industriepolitik – Die
Investitionen in die Autarkie- und Rüstungsindustrie und ihre
staatliche Förderung, Stuttgart 2008.
[81]
Buchheim, Christoph (Hg.), German Industry in the Nazi Period,
Stuttgart 2008.
[82]
Höschle, Gerd, Die deutsche Textilindustrie zwischen 1933 und
1939 – Staatsinterventionismus und ökonomische
Rationalität, Stuttgart 2004.
[83]
Hensler, Ulrich, Die Stahlkontingentierung im Dritten Reich, Stuttgart
2008.
[84]
Luntowski, Gustav, Hitler und die Herren an der Ruhr –
Wirtschaftsmacht und Staatsmacht im Dritten Reich, Frankfurt/Main 2000,
S. 72.
[85]
Ebenda, S. 86.
[86]
Ebenda, S. 88 ff.
[87]
Ebenda, S. 233.
[88]
Nachlass Ernst Poensgen, WWA, N 7/18, unveröffentlichtes
Manuskript: „Hitler und die Ruhrindustriellen“, S.
6.
[89]
Ebenda, S. 11–12.
[90]
Schon 1974 haben die Historiker George Hallgarten und Joachim Radtkau
darauf hingewiesen, dass es besonders die Universitäten in
Deutschland schwierig fanden „die Meinung des Internationalen
Gerichtshofes sowie der amerikanischen Richter in der später
folgenden Reihe von Prozessen“ in Nürnberg
„ohne weiteres anzunehmen.“ Diese Haltung sei ihrer
Ansicht nach auch in dem Erscheinen von Turners damaligem Buch zum
Ausdruck gekommen. – Siehe: Hallgarten, George W.F., u.
Radtkau, Joachim, S. 10.
[91]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis, S. 401.
[92]
Neebe, Reinhard, Die Verantwortung, S. 362.
[93]
Neebe, Reinhard, Großindustrie, Staat, S. 12–14, S.
18.
[94]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung, S. 280.
[95]
Neebe, Reinhard, Großindustrie.
[96]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung, S. 279.
[97]
Ebenda, S. 280.
[98]
Neebe, Reinhard, Großindustrie, S. 362.
[99]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis, S. 400–401.
[100]
Neebe, Reinhard, Die Verantwortung, S. 358.
[101]
Hallgarten, George W.F., u. Radtkau, Joachim, S. 10–13.
[102]
Stegmann, Dirk, Zum Verhältnis, S. 399–401.
[103]
Siehe z.B.: Eichholtz, Dietrich u.a. (Hg.), Anatomie des Krieges,
Berlin 1969, Dokumente 1–5, 8, 9; Nuß, Karl,
Militär und Wiederaufrüstung in der Weimarer Republik
– Zur Rolle und Entwicklung der Reichswehr, Berlin 1977,
pass; Groehler, Olaf, Der lautlose Tod, Berlin 1990, pass.
[104]
Lediglich Turner schneidet diese Frage in seinem Buch „Die
Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers“ kurz an,
um sie mit ein paar Sätzen zu negieren (S. 214).
[105]
Neebe, Reinhard, Die Verantwortung, S. 362.
[106]
Stegmann, Dirk, Antiquierte Personalisierung, S. 278.
[107]
Ebenda, S. 278 + Fn. 14.
[108]
Wickel, Helmut, IG-Deutschland – Ein Staat im Staate, Berlin
1932, S. 128.
[109]
Siehe zu all den in diesem Abschnitt gemachten Angaben über
die deutsche Kaliindustrie: Born, Karl Erich, Wirtschafts- und
Sozialgeschichte des Deutschen Kaiserreichs (1867/71–1914),
Stuttgart 1985, S. 40.
[110]
Siehe dazu: Stoepel, Karl Theodor, Die deutsche Kaliindustrie und das
Kalisyndikat – Eine volks- und staatswirtschaftliche Studie,
Halle 1904, S. 96–118.
[111]
Hagemann, Wilhelm, Das Verhältnis der Großbanken zur
Industrie, Berlin 1931, S. 96.
[112]
Nuß, Karl, Militär und Wiederaufrüstung in
der Weimarer Republik – Zur Rolle und Entwicklung der
Reichswehr, Berlin 1977, S. 205. – Hinweis: In der Literatur
gibt es zu diesem Punkt verschiedene Angaben. Nach der Bearbeitung von
Akten der Konzerngruppen AEG und Siemens (a), die zum Zeitpunkt der
hier vorgenommenen Forschung im Landesarchiv Berlin lagerten, wird die
bei Karl Nuß genannte Zahl als realistisch angesehen.
– Siehe zu a) Akten der Siemens-Plania AG, A Rep. 230-02 A
5–A 137; Akten der Osram GmbH, A Rep. 231
O.49–O.869; Akten der AEG-Apparatefabriken Treptow, A Rep.
227-02, Nr. 40–117; Akten der AEG-Kabelwerke Oderspree (KWO),
A Rep. 227-05, Nr. 2–73.
[113]
Im Jahre 1928/29 exakt: 27,2% der Steinkohleförderung (a),
39,7% der Rohstahlerzeugung (b) – Siehe: Zu a) Erstellt nach
dem statistischen Material aus den Akten der Deutschen Bank,
Bundesarchiv Berlin, R 8119 F, Mikrofiche P 1564; zu b) vgl.: Ebenda;
Geschäftsbericht der Vereinigten Stahlwerke AG für
1928/29, S. 18, Bergbauarchiv Bochum, Akten der GBAG, 55, Nr. 482.
[114]
Das Unternehmen selbst bevorzugt die Schreibweise:
„Mannesmannröhren-Werke“. Hier wird jedoch
mit der Schreibweise
„Mannesmann-Röhrenwerke“ verfahren.
[115]
Jerussalimski, A.S., Die Außenpolitik und die Diplomatie des
deutschen Imperialismus am Ende des 19.Jh., Berlin 1954, S. 59.
[116]
Die exakte Summe für die Kapitalanlagen ohne die
Vermögenswerte lautete nach den Angaben ihres
Geschäftsberichtes für 1933 673.393.423 Mark.
– Siehe: Geschäftsbericht der Allianz Versicherung
für 1933, S. 6.
[117]
Die Allianz verfügte über ein Aktienkapital von 20
Millionen Mark in Vorzugsaktien und ebensoviel in Stammaktien. Die
Hälfte dieses Kapitals hielt sie nach den Angaben ihres
Geschäftsberichtes für 1933 selbst. –
Siehe: Ebenda, S. 8 u. 15.
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