22.05.2016
Zum 75. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion erinnert die VVN-BdA von Velbert/Niederberg an das Leid der Zwangsarbeiter/innen und ruft zur Gedenkveranstaltung auf
Das sogenannte
„Unternehmen Barbarossa“ bedeutete Massenmord,
Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
Am Mittwoch, 22.6.2016, jährt sich zum 75. Mal der Überfall der Hitler-Wehrmacht auf die UdSSR. Aus
diesem Grund ruft die VVN/BdA - Niederberg zu einem mahnenden Gedenken
am 22. Juni (Mittwoch) um 13.30 Uhr am Velberter Waldfriedhof ab
Eingang Parkstr. auf. Zu diesem Anlaß hat die VVN-BdA einige
Informationen zu diesem Thema unter Mithilfe von Rainer Köster,
u.a. Autor von "Langenberg im 3.Reich", "Mettmann unter'm Hakenkreuz"
und "Widerstand und Verfolgung in Erkrath in der Zeit von 1933 - 1945"
zusammengestellt.
Vor 75 Jahren überfiel die Nazi-Wehrmacht am
22.6.1941 völkerrechtswidrig die UdSSR. Dies bezahlten 27 Mio.
Sowjetbürgerinnen mit ihrem Leben - als Soldaten, Zivilisten,
Opfer von Massenerschießungen, Juden, KZ-Häftlinge,
Kriegsgefangene und Zwangsarbeiterinnen - u.a. auch hier in Niederberg
und speziell in Velbert!
Neben den getöteten Soldaten und der umgebrachten
Zivilbevölkerung der von der Hitler-Wehrmacht überfallenen
Länder im 2. Weltkrieg hatten vor allem die in der heimischen
Rüstungswirtschaft eingesetzten ZwangsarbeiterInnen und
Kriegsgefangene große Schikanen, Elend und Leid zu ertragen.
Viele von ihnen starben an Hunger und Entkräftung, wurden bei
Erkrankung nicht ausreichend medizinisch versorgt, galten als
„Untermenschen“ und wurden so behandelt - auch in den
niederbergischen Städten wie Velbert.
In der Dokumentation „Velbert unter‘m Hakenkreuz“ von 1983 heißt es dazu:
„Die Rekrutierungen der Zwangsarbeiter in den
unterjochten Ländern arteten ... in regelrechte Menschenjagden
aus, die von der Polizei, der Gestapo und SS durchgeführt wurden
und bei denen man alles rekrutierte, was halbwegs arbeitsfähig
schien - Kinder, Alte und Kranke wurden nicht verschont. (...)
Die deutschen ‚Übermenschen‘
betrachteten die Zwangsarbeiter-‚Untermenschen‘ lediglich
als Rohstoff für die industrielle Produktion, die möglichst
effektive Ausbeutung für das Großdeutsche Reich und
natürlich für den persönlichen Profit, standen dabei im
Mittelpunkt.“(a.a.O., S.150) „Die Produktionspalette (der
niederbergischen Metallfabriken) reichte von Schlössern und
Beschlägen für Munitions- und Verbandskästen über
MG-Lafetten bis hin zu Kurssteuerungsgeräten von Fernwaffen. In
den Eisengießereien wurden Bomben, Granaten und andere Munition
hergestellt. (a.a.O., S. 151)

Zwangsarbeiter in der Industrie (Quelle: Velbert unterm Hakenkreuz)
Die Gesamtzahl der in Velberter Betrieben
beschäftigten ZwangsarbeiterInnen und Kriegsgefangenen wird auf
ca.10.000 geschätzt, einige halten auch 15.000 für
möglich.
Wie diese armen Menschen behandelt wurden, steht in
einer Anklageschrift überlebender russischer Arbeiter einer
Velberter Gießerei vom 23.5.1945:
„(...) Bei kleinen Vergehen oder Unachtsamkeiten
(z.B. Vergessen, die Kontrollkarte zu drücken) gab es schwere
Arreststrafen im feuchten dunklen Keller bei Kleiderabgabe im Winter,
um angeblich die Flucht zu verhindern. (…)Durch die schlechte
Ernährung und Unterbringung in Kellern sowie die strengen Strafen
bekamen Kameraden Tbc, Lungenleiden und Entzündungen. Drei
Kameraden verloren wir durch Tod.“(a.a.O., S. 154) - (...)
Mehrere Meister, Vorarbeiter u.a. männliche deutsche
Beschäftigte „nutzten die Notlage der (ausländischen)
Mädchen in vielen Fällen aus, um ihren sexuellen
Gelüsten frönen zu können.“- (...) „Der
Werkspolizist und die Hilfspolizisten taten sich im besonderen dadurch
hervor, dass sie den Kameraden das Brot, wenn sie solches von der
deutschen Bevölkerung bekommen hatten, abnahmen und dieselben
einsperren ließen und mit Schlägen traktierten. (Auch)
misshandelte (man) einen Waisenknaben von elf Jahren schwer, weil er
sich von der Kü-che ein paar Kartoffeln geholt
hatte.“(a.a.O., S.155)

Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft (Quelle: Velbert unterm Hakenkreuz)
Das weitere Schicksal der Überlebenden nach 1945
verlief oft weiterhin leidvoll. Viele wurden in ihrer Heimat mit
Schimpf und Schande überhäuft oder als Kollaborateure der
Nazis behandelt , von Erwerbstätigkeit und Wohnung ausgeschlossen
bzw. zu weiterer Zwangsarbeit verurteilt und deportiert. Ersteres galt
besonders für Frankreich, letzteres für die UdSSR.
Übrigens: Schuld und Sühne dieser angezeigten
Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfolgten nur in bisher wenigen
bekannten Fällen, eine Wiedergutmachung bis heute kaum. So zahlte
u.W. lediglich eine größere Fabrik aus Heiligenhaus einen
namhaften Betrag in die Stiftung für Ausgleichzahlungen deutscher
Betriebe an ausländische ZwangsarbeiterInnen. Und während die
Stadt Hilden immerhin 100.000 DM für eine humanitäre
Soforthilfe dieser Art beschloss, verweigerte sich der Velberter
Stadtrat einem solchen Antrag!

Belgische und französische Zwangsarbeiter beim Bunkerbau in Neviges (Quelle: Velbert unterm Hakenkreuz)
Insgesamt erhielten lt. WDR-Bericht nur 2 Mio. der
insgesamt ca. 13,5 Mio. Zwangsarbeiterlnnen überhaupt eine
symbolische Ausgleichszahlung. Das alles müsste eigentlich Grund
genug sein, das Schicksal dieser Menschen nicht „unter den
Teppich des Verdrängens und Vergessens“ zu kehren - und erst
recht nicht heute - 75 Jahre nach dem Überfall auf die UdSSR -
wieder deutsche Soldaten im Zuge der „Nato-Ostpräsenz“
an die russische Grenze zu schicken!
P.S. Natürlich vergessen wir auch nicht die toten
Soldaten, Kriegsgefangenen und Zivilopfer unseres eigenen Landes, die
letztlich auch Opfer der verbrecherischen Kriegs-, Eroberungs- und
Unterdrückungspolitik des deutschen Naziregimes wurden. (Leider
wollen aber etliche diesen Zusammenhang bis heute noch nicht wahrhaben.)
"Diejenigen, die sich nicht der Vergangenheit erinnern, sind verurteilt, sie erneut zu durchleben."
George de Santayana spanisch-amerikanischer Philosoph und Schriftsteller * 16.12.1863, † 26.09.1952
Auch ihrer wollen wir am Mi., 22.6.16 um 13:30 auf dem Velberter Waldfriedhof gedenken:

Literaturliste (Anhang zur Dokumentation über
Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in Niederberg) anlässlich des
75. Jahrestages des Überfalls auf die UdSSR am 22.6.1941:
1.) „Velbert - Geschichte dreier Städte“, S. 413 - 422 (Köln, 2009)
2.) „Velbert unter‘m Hakenkreuz“, S. 150 - 160 - (Velbert, 1983/2001)
3.) „Das 3. Reich in Langenberg“, S. 91 - 98 + Ergänzungen A-( Velbert, 1989/2010)
4.) Vitalij Sjomin: „Zum Unterschied ein Zeichen“- ( München, 1968 )
5.) Sara Malangeri:“Zwangsarbeit in Velbert“ - (Diplomarbeit, 2006)
6.) Judith Gradetzky:“Auf dem Boden lag Heu-Aus
den Erinnerungen ehemaliger Zwangsarbeiterinnen in Velbert“ -
(in: Jahrbuch des Kreises ME 2002/2003 )
7.) „Heiligenhaus in der NS-Diktatur 1933 - 45, S. 75 -( Heiligenhaus, 2014)
8.) „Wülfrath im Dritten Reich“, S. 103/104 -(Städt. Gymnasium Wülfrath,1985/86)
9.) „Zwangsarbeit im Kreis Mettmann“ - ( Hilden, 2003 )
10.) „Zwangsarbeit in Hilden“ - ( Hilden, 2014 )
11.) „Zwangsarbeit in Monheim, Baumberg und Hitdorf“ - (Monheim, a.R.,2012 )
12.) „Zwangsarbeit in Hattingen“ - ( Hattingen, o.J.)
13.) „Der Iwan kam bis Lüdenscheid“ - ( Köln, 2014 )
Diese Bücher / Broschüren müssten alle in
den jeweiligen Stadt(teil)büchereien oder in den einzelnen
Stadtarchiven auszuleihen bzw. einsehbar sein.
Für evtl. Rückfragen - besonders zum Thema
„Faschismus vor Ort“ - stehen wir als VVN/ BdA - Niederberg
gerne zur Verfügung und geben Rede und Antwort, soweit uns das
möglich ist.
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