Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

05.04.2013

Zur Sklavenarbeit gezwungen – die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Dortmund

Iris Bernert-Leushacke hat folgende Rede am Karfreitag 2013 auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund-Brackel gehalten

Iris Bernert-Leushacke, stellvertr. Vorsitzende der Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, Sprecherin der VVN-BdA in Dortmund, Vorstandsmitglied des Fördervereins Steinwache/Internationales Rombergparkkomitee hat folgende Rede am 29. März 2013, Karfreitag, auf dem Internationalen Friedhof in Dortmund-Brackel gehalten, wo rund 6000 im Krieg umgekommene Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus vielen Nationen begraben sind, ferner befindet sich dort ein jüdischer Friedhof.

Sie sagte:

Heute, am Karfreitag 2013, erinnern wir an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene vieler Nationen, die hier auf dem Internationalen Friedhof begraben sind.

Die Internationale Arbeitsorganisation hat schon 1930 in Artikel 2, Absatz 1 des „Übereinkommens über Zwangs- und Pflichtarbeit“ Zwangsarbeit als unfreiwillige Arbeit oder Dienstleistung definiert, die unter Androhung einer Strafe ausgeübt werden muss.

Zwangsarbeit – der faschistische Krieg mit seiner programmatischen Vernichtungspolitik ersetzte die eingezogenen Arbeiter durch Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. Und sie unterschieden die zur Arbeit gezwungenen nach ihrer menschenverachtenden Rassen-Ideologie: auf der letzten Stufe standen „Ostarbeiter“ aus Polen und der Sowjetunion. Ebenso wurden völkerrechtswidrig massenhaft sowjetische Kriegsgefangene als Arbeitssklaven eingesetzt.

Betrachten wir Dortmund näher:

„Allein bei Hoesch arbeiteten im September 1943 insgesamt ca. 11.000 Ausländer neben ca. 26.000 Deutschen. In einzelnen Bereichen von Hoesch (Bergbau) betrug ihr Anteil zeitweise mehr als die Hälfte. Lager befanden sich u.a. – beim Arbeitsamt in der Kirchenstraße, - auf dem Gelände in der Nähe der großen Betriebe (Zechen Kaiserstuhl, Gneisenau, Fürst Hardenberg, Dorstfeld, Westhausen; Dortmund-Hörder Hüttenverein; Westfalenhütte u.a.), - in der Huckarder Straße 137, - in der Steinwache (als Ausweichlager) sowie  - in Hemer (Stammlager Stalag VI D) und in Hattingen (Auffanglager).

In der Zeit vom 4.August 1942 bis 11.April 1945 wurden 8.676 ausländische Arbeiter bzw. Kriegsgefangene in die Steinwache eingeliefert. Die entsprechenden Haftbücher („Russenbücher“ genannt) nennen u.a. folgende Haftgründe: Umhertreiben, Arbeitsverweigerung, Arbeitsvertragsbruch, Diebstahl, Flucht von der Arbeitsstätte, Sabotage, „politisch“. Als häufigste Entlassungsvermerke sind angegeben: „Konzentrationslager (…) zugeführt  (…)“. [1]

Auf der Zeche Minister Stein/Fürst Hardenberg waren 1942 20% der Belegschaft Kriegsgefangene, „Ostarbeiter“ und sonstige ausländische Arbeiter. Im Februar 1945 war diese Gruppe auf fast 50% (48,4%) angestiegen! [2]

Die Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, die Kriegsgefangenen starben durch die schwere körperliche Arbeit, durch Unfälle und Krankheiten, durch Bombentreffer (sie durften nicht in Bunkern Schutz suchen) und durch völlig mangelhafte Ernährung. Für die Verpflegung wurde firmenseits bereits ein Betrag vom Lohn abgezogen. Das konnte so aussehen: ein „deutscher“ Schreiner verdiente bei einer Sonntagsschicht 2,64 RM pro Schicht, ein Ukrainischer Schreiner in der gleichen Schicht 1,40 RM (=53%), ein sowjetischer Kriegsgefangener 0,20 RM (=8%) [3]

In einem Bericht des „Sicherheitsdienstes“ (SD) der SS  wird über ukrainische Zwangsarbeiter in Dortmund beim Hörder Hüttenverein berichtet: „Weiterhin führen sie (Die Zwangsarbeiter, IBL) Klage über zu geringe Fettzuteilung. Im einzelnen (sic) bekommen die Ukrainer pro Tag 35g Fleisch einschl. Knochen, 18g Margarine, 150g Brot, 1 ½ Pfund Kartoffeln. Darüber hinaus beträgt die Arbeitszeit 10 Stunden.“ [4]

Damit wir heute davon eine Vorstellung bekommen, wie Zwangsarbeiter damals „verpflegt“ wurden, habe ich das mitgebracht, was in dem Bericht von 1942 genannt wurde …

Das spricht für sich, dem ist nur noch hinzuzufügen:

Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen !

[1] Widerstand und Verfolgung in Dortmund 1933-1945. Ausstellungskatalog., 2., verbess.Aufl. Dortmund 1981, S. 193

[2]  Cramm, Tilo: Minister Stein / Fürst Hardenberg. Die Geschichte des letzten Dortmunder Bergwerks. Teil II 1818-1987, Essen 1993, S. 92

[3]  Cramm, S. 91

[4]  Widerstand und Verfolgung, S. 194