04.01.2011
Gedenkort Saure Wiese
Der Bochumer Verein (heute
Thyssen/Krupp) war mit einer der größten Rüstungsbetriebe im Nazi
Reich
1936 waren bereits 40% der Produktion Rüstungsgüter. Der
Generaldirektor Walter Borbet leitete den Betrieb nach
Gutsherrenart. Die Direktion des Werkes war nationalistisch
orientiert. Walter Borbet war Mitglied der Deutschen Volkspartei und
gehörte zum industriellen Flügel dieser Partei. In bestimmten
Fragen stimmten die Positionen dieser Partei mit denen der
Nazipartei überein.

Hitler und Borbet 1935 im Bochumer Verein,
Werk Höntrop |
1933 wurde Borbet Mitglied der NSDAP. Während der Nazizeit war
er ein sehr einflussreicher Wehrwirtschaftsführer. Der Bochumer
Verein war ein Nationalsozialistischer Musterbetrieb. Mit
Fortschreiten des Krieges machte sich in den Betrieben ein
Arbeitskräftemangel bemerkbar. Um in den kriegswichtigen Betrieben
die Produktion aufrecht zu erhalten, wurden Kriegsgefangene,
ZwangsarbeiterInnen und KZ-Häftlinge in der Produktion eingesetzt.
Nach 1945 strickte die deutsche Wirtschaft an der Legende, um die
kriegswichtige Produktion aufrecht erhalten zu können, hätten sie
von Nazidienststellen ausländische Arbeitskräfte zugewiesen
bekommen.
Im Auftrage des Bochumer Vereins machte sich im Juni 1944 der
Oberingenieur Fritz H. nach Buchenwald auf den Weg, um sich zur
Auswahl der für den Betrieb „geeigneten Häftlinge” zu
äußern. Der Bochumer Verein unterhielt 12 Lager. 40% der
Belegschaft waren ausländische Arbeitskräfte.
Ein Zwangsarbeiterlager befand sich auf der „Sauren Wiese”.
Hier waren 450 ZwangsarbeiterInnen untergebracht, vorwiegend
Ukrainer und Russen. Die Behandlung und die Lebensbedingungen auf
dem Bochumer Verein waren besonders schlimm.

Alles für die Rüstung: Der Bochumer Verein
präsentiert im Werk hergestellte Bomben, Granaten und
Kanonen |
Außer dem Zwangsarbeiterlager „Saure Wiese” befanden sich
auf dem Gelände noch ein Schießplatz des Werkes und eine
Geschützstellung. Kurz nach dem Krieg dienten die Baracken noch
zivilen Zwecken.
In den 1950er Jahren wurden die Baracken abgerissen. Die Reste
der zerstörten Baracken wurden einfach liegen gelassen, so konnte
die Natur sich wieder ausbreiten und von dem Gelände Besitz
ergreifen. Eine Zeit lang wurde das Gelände als Deponie für
giftigen Müll benutzt.
Als nach dem Ende der 1990er Jahre das Thema Entschädigung für
die geleistete Zwangsarbeit in den Mittelpunkt des öffentlichen
Interesses gerückt war, gab es auch Kontakte zu ehemaligen
ZwangsarbeiterInnen, die in Bochumer Betrieben während des Krieges
Sklavenarbeit verrichten mussten.
Unter den Besuchern der ehemaligen ZwangsarbeiterInnen waren auch
Personen, die im Lager „Saure Wiese” untergebracht waren und auf
dem Bochumer Verein arbeiten mussten. Einer dieser ehemaligen
Zwangsarbeiter fertigte noch aus dem Gedächtnis heraus eine Skizze
des Lagers an und beschrieb den Weg, den er jeden Tag zum Werk gehen
musste. Es wurden auch einige Interviews mit ehemaligen
ZwangsarbeiterInnen, die dort im Lager leben mussten, gemacht.
Jahrelang lag das Gelände brach da, ohne dass dort etwas
geschah, bis die Emscher Genossenschaft die ökologische
Umgestaltung des Ahbaches und ebenfalls die Sanierung der ehemaligen
Deponie „Saure Wiese” sich vornehmen wollte.

Überreste des Zwangsarbeitslagers „Saure
Wiesen” im Jahr 1993 |
Aufmerksam wurde die VVN - BdA dadurch, dass die Emscher
Genossenschaft zu dem o.g. Thema zu einer BürgerInnenversammlung im
März 2006 eingeladen hatte. Gleichzeitig informierte das Umwelt-
und Grünflächenamt die Fraktionen im Rat über die
Bürgerversammlung.
Da kein Vertreter unserer Organisation diesen Termin wahrnehmen
konnte, wandten wir uns schriftlich an das Umwelt- und
Grünflächenamt und machten auf die Historie des Geländes
aufmerksam. Das zuständige Amt bedankte sich für unsere
Informationen. Das war der eigentliche Anfang der Gespräche
zwischen dem Umwelt- und Grünflächenamt, dem Kulturbüro, dem
Stadtarchiv und der VVN - BdA. Als erstes vereinbarten wir einen
Ortstermin auf der „Sauren Wiese”, um uns ein Bild zu machen,
welche Überreste des ehemaligen Zwangsarbeiterlagers gesichert
werden mussten, um diese für den Gedenkort zu verwenden.
In mehreren Beratungen nahmen die Vorstellungen konkrete Gestalt
an. Der Gedenkort soll ein lebendiges Gedenken ermöglichen und vor
allen Dingen die Menschen in unserer Stadt motivieren, sich mit dem
Thema Zwangsarbeit und Nationalsozialismus sowie darüber hinaus mit
dem Rechtsextremismus unserer Tage auseinander zu setzen. Der
Hinweis auf der Gedenktafel soll lauten:
Gedenkort
Zwangsarbeiterlager Saure Wiese
– Zur Steten Erinnerung –
Errichtet zur lebendigen Auseinan-
dersetzung mit den unter der NS-
Herrschaft verübten Verbrechen
gegen die Menschlichkeit

Die Baraken des Lagers „Saure Wiesen” kurz
nach dem Krieg |
Das Umwelt- und Grünflächenamt arbeitete Möglichkeiten heraus,
wie das Konzept des Gedenkortes innerhalb des Sanierungsplanungs
berücksichtigt werden könnte. Der damalige Planungszustand wurde
im Oktober 2008 vorgestellt. So entstand auch die Idee, den
Gedenkort mit künstlerischen Mitteln zu erschließen.
Am 23. Juli 2008 fand wegen der künstlerischen Gestaltung ein
Gespräch zwischen dem Künstler Markus Kiel, dem Stadtarchiv und
der VVN - BdA statt. Am 5. Februar 2009 wurde die erstellte Vorlage
dem Ausschuss für Kultur und Wissenschaft vorgestellt und
erläutert. Der Ausschuss billigte die Vorlage. Die Finanzierung des
Projektes muss noch geklärt werden.
Klaus Kunold
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