Heartfield: "Millionen stehen hinter Hitler"

Rallye „Spurensuche Verbrechen der Wirtschaft 1933-1945“

Ein Projekt der VVN/BdA NRW

 

10.06.09

Herten: Gedenken am Mahnmal "Sag Nein!"

Im Gedenken an Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene

Im Rahmen der Hertener Europawochen fand eine Gedenkveranstaltung der Kreisvereinigung der VVN-Bund der Antifaschisten Herten am Mahnmal "Sag Nein!" statt. Hier die Rede von Hans Heinrich Holland.

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Gaste, liebe Freunde aus Arras,

im Rahmen der Europawochen hier in Herten verneigen wir uns gemeinsam in Erinnerung vor den Opfern einer Zeit, die wir alle nicht erlebt haben möchten oder erleben möchten. 

Die Älteren unter uns hatten bestimmt gerne auf diese Erfahrungen verzichtet. 

Der 2. Weltkrieg war das Ergebnis der faschistischen, menschenverachtenden Politik der NSDAP, die insbesondere ihre Unterstützung durch Eliten der Wirtschaft und des Militärs erhielt. Ziel war nicht nur die Unterwerfung Europas, sondern der Krieg richtete sich auch gegen die Menschen im eigenen Land. 

Die gesellschaftliche Alternative - Sozialdemokraten. Kommunisten und Gewerkschafter - befand sich zu dem Zeitpunkt - als die Nazis den Krieg begannen - bereits seit 6 Jahren in Gefängnissen und Konzentrationslagern, wurde gedemütigt, gefoltert, geknechtet oder gleich ermordet. Der Rest der Menschen in Deutschland war entrechtet. Das Schicksal stand am 1. September 1939 den Menschen Europas noch bevor. 

Mit dem Überfall auf Polen durch die Wehrmacht begann die offizielle Versklavung von Menschen. Die erste deutsche Institution zog am 2. Tag des Krieges in Polen ein - das Arbeitsamt. Es "hob" dort "Arbeitskräfte" aus und schickte Menschen zur Sklavenarbeit nach Deutschland. Hinter der Front mordeten Polizeibataillone, auch der Polizeibataillon 326 aus Recklinghausen. Opfer wurden nicht nur die polnische Intelligenz und die Juden. 

Die Ausweitung des Krieges in die UdSSR führte zu noch mehr Sklavenarbeitern, die gezwungen wurden in Deutschland zu arbeiten. Die ersten Kriegsgefangenen überließ die Wehrmacht noch sich selbst - rund 2 Millionen Rotarmisten verhungerten, erfroren oder wurden im Winter 1941/42 erschossen. Erst ab Herbst 1941 schaffte man die Kriegsgefangenen auf Drängen der Wirtschaft - insbesondere des Ruhrbergbaus - zur Sklavenarbeit ins Reich. Von den 390.000 Kriegsgefangenen im Dezember 1941 starben rund 72.000 auf deutschem Reichsgebiet. 

In Herten überwog der Einsatz von Kriegsgefangenen zur Zwangsarbeit, insbesondere im Bergbau. Die Kriegsgefangenen in Herten wurden über sog. Stammlager (zuständig für den Bergbau das Stalag in Hemer im Sauerland) an ihre Arbeitsorte geschafft. Die Arbeits- und Lebensbedingungen hier waren unmenschlich und katastrophal. Davon zeugen heute noch Gräber auf den Hertener Friedhöfen. Auf dem nahegelegenen Kommunalfriedhof Langenbochum finden sich 160 Grabstätten, davon allein 140 von russischen Kriegsgefangenen. 

In Herten zählen wir mehr als 10 Orte, die zu Kriegszeiten als Lager missbraucht wurden. Da sind natürlich die großen Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenenlager des Bergbaus, zwei in Herten-Süd, eines in Langenbochum. Dann gab es weitere kleinere Lager. In einem der kleineren Lager befinden wir uns augenblicklich. Klein ist natürlich relativ. Hier auf dem Gelände waren zwischen 120 bis 150 Menschen untergebracht. Vorwiegend in dem Gebäude der alten Turnhalle hier Rechts. Ein Drittel waren Zwangsarbeiter und zwei Drittel Kriegsgefangene. Etwa die Hälfte waren französische Kriegsgefangene. 

Wie die Menschen hier untergebracht waren, wissen wir nicht. Dazu fehlen Informationen. Mit Sicherheit war die Enge für die Menschen hier aber nicht so groß, wie in einer Baracke des Langenbochumer Lagers: 200 Menschen (Kriegsgefangene) teilten sich dort den Platz in einer Baracke von 40m X 9,55 m, ohne Fenster - nur mit Oberlicht, das auch zur Belüftung diente. 

Wir wissen nur, dass die französischen Kriegsgefangenen besser behandelt wurden als die Russen. Unrecht bleibt Unrecht! Denn wird ein Unrecht weniger Unrecht, wenn man nicht ganz so menschenverachtend behandelt wird? 

Alle besetzten Länder wurden ausgeplündert. Auch die UdSSR und Frankreich. Im Pas-de-Calais führte das zu Notaufständen, zu den Bergarbeiterstreiks, zum Widerstand. Vor wenigen Jahren zeigten wir dazu eine hervorragende Ausstellung von unseren Freunden aus Arras. 

Seit mehr als einem Jahrzehnt gedeiht nun die Freundschaft zwischen unseren Organisationen, den Freunden der Résistance und dem VVN-BdA, mit wohlwollender Unterstützung der Städte Arras und Herten, dafür den Bürgermeistern einen Dank. 

Wir stehen hier gemeinsam, um an das vergangene Unrecht zu erinnern, auch mit der Absicht ähnliches Unrecht verhindern zu wollen. 

Wir wollen ein friedliches, ziviles und soziales Europa, in dem die Achtung vor dem Anderen gilt. 

Es gibt keinen geeigneteren Ort in Herten, wo ein solches Bekenntnis ausgesprochen werden kann. Das Mahnmal erinnert an einen Ort, dessen Vergangenheit wirklich kein Ruhmesblatt der Geschichte war - hier geschah Unrecht. 

Das Mahnmal wurde von jungen Menschen, Schülern der Martin-Luther-Schule zusammen mit dem Künstler Achim Wagner gebaut. Ich diskutierte damals mit den jungen Leuten über die Vergangenheit und alle wussten, worum es bei dem Mahnmal ging. Damals entstand auch eine CD einer Rap-Formation der Schule mit dem Titel - "Alle Anders - Alle Gleich". Bei solchem Engagement sollte uns vor der Zukunft eigentlich nicht bange sein - oder? 

Wir SAGEN NEIN zu Menschenverachtung, Diskriminierung und Unrecht, denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. 

Wir schließen uns der Aussage von Wolfgang Borchert an. Wir SAGEN NEIN zum Krieg!

Ein Pressespiegel ist hier als Download im PDF-Format herunterladbar.