19.11.08
Wir erinnern an die "Verbrechen der
Wirtschaft" 1933-1945
IG Farben ehemals und heute
wieder Bayer

Der "Rat der Götter" Bild der IG Farben Bosse in
Leverkusen
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Die I.G. Farbenindustrie AG, kurz I.G. Farben oder
auch IG Farben, war das seinerzeit größte Chemieunternehmen
der Welt mit Sitz in Frankfurt am Main, das 1926 aus einer
Vielzahl von Chemieunternehmen gebildet wurde. Nach dem Ende des
Zweiten Weltkrieges wurde die 1.G. Farben wegen der Verstrickungen
mit dem NS Regime aufgelöst werden. Dazu wurde die 1.G. Farben
wieder in eigenständige Firmen zerschlagen und der verbleibende
Rest als Rechtsnachfolgerin in I.G. Farbenindustrie AG i. A.
(IG Farben i.A; das i. A. steht für "in Abwicklung")
umbenannt. Trotz einer Insolvenz Ende des Jahres 2003 sind die
Aktien der IG Farben i.A." auch im Jahr 2008 noch
börsennotiert. Die Farbenfabrik. Fried. Bayer, Leverkusen,
deren Generaldirektor Carl Duisberg (auf dem Bild oben im
hellen Anzug im Vordergrund) entscheidenden Anteil an der Gründung
und Expansionspolitik der IG hatte, fungierte als Hauptsitz der
Betriebsgemeinschaft Niederrhein der IG Farben, 1926 war in Leuna
mit der Herstellung von synthetischem Benzin begonnen worden. Es
bestand die Gefahr, dass dies eine der größten Fehlinvestitionen
werden würde, weil die Herstellungskosten immer höher waren als
beim durch Erdöldestillation gewonnenen Benzin. Deshalb suchte im
Sommer 1932 der IG-Direktor Heinrich Bütefisch den Kontakt
zu den Nazis. Es kam zu einem Treffen mit Adolf Hitler in
München. Hitler der einige Monate zuvor im Industrieclub in Düsseldorf
die Herren der Banken und der Industrie mit seinem Programm der
Vernichtung der Arbeiterbewegung und des Strebens "nach Raum im
Osten" begeistert hatte machte ihm klar, dass er deutschen
Treibstoff für ein politisch unabhängiges Deutschland und seine
Kriegspläne für zwingend notwendig erachtete. Für Carl Bosch,
Vorstandsvorsitzender der IG, waren nach dies "vernünftige
Ansichten". die 1932 mit der höchsten Einzelspende der
deutschen Industrie in Höhe von 400.000 Reichsmark für den
Wahlkampf der Nazis honoriert wurden. Auf der I.G. Farben
Generalversammlung Anfang Dezember 1932 stimmte die IG Bosse dem
Programm der "Agrarkartellierung" zu, einem
Interessenkompromiss von Industrie und Großagrariern. Dieser
Entschluss des damals größten Konzerns Europas bereitete auch den
Weg zur NS Diktatur. Bei einem geheimen Treffen von Industriellen am
20.Februar 1933 eine Woche vor dem von den Nazis inszenierten
Reichstagsbrand, der den brutalen, offenen Terror gegen die
Arbeiterbewegung und kritische bürgerliche Demokraten einläutete
wurden insgesamt 3 Millionen Reichsmark der NSDAP zur Verfügung
gestellt, 400.000 Reichsmark stammten von den IG Farben. Als Dank
schloss die "Regierung der nationalen Konzentration" mit
der IG Farben einen Vertrag über Absatz und Mindestpreisgarantie
für 350.000 Tonnen synthetisches Benzin und bewahrte so das
Unternehmen vor insgesamt 300 Millionen Reichsmark Verlust. Nahezu
alle Direktoren der IG waren Mitglieder der Nazi- Partei. Die enge
Beziehung zwischen Nazi Staat und IG wurde auch in der Person des
Aufsichtsratsvorsitzenden Carl Krauch deutlich, dem Direktor
der rüstungswirtschaftlichen Kommandozentrale und Bevollmächtigten
für Sonderfragen der chemischen Produktion. Die
Aufsichtsratsmitglieder der I.G. nannten sich im internen Kreis
"Der Rat der Götter". Dieser nahm mit Freunde zur
Kenntnis dass die IG zu einem der größten Unternehmen Europas
wurde (rund 200 Werke in Deutschland, etwa 400 deutsche und 500
ausländische Beteiligungen.) Die IG riss sich auch "entjudete"
(so der Düsseldorfer Nazi Gauleiter Friedrich Karl Florian)
Betriebe, wie z.B. des vormaligen Konkurrenten Aussiger Vereins
unter den Nagel. Während des von den Nazis begonnenen und von
Industrie- und Bankbossen gewollten Krieges übernahm die IG Farben
eine Reihe von Chemiewerken in den von deutschen Wehrmacht
überfallenen Ländern, wie die in jüdischem Besitz befindlichen
Skoda-Werke Wetzler. Von den 43 Hauptprodukten der I.G. während des
Krieges waren 28 Produkte von "rüstungswirtschaftlicher"
Bedeutung.

Zyklon B Giftgas mit hohem Profit (http://www.shoa.de/zyklon_b.html)
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Eine Tochtergesellschaft der Degussa AG und der 1.G. Farben, die
Firma DEGESCH (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung),
vertrieb das Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B das in den
Gaskammern des Vernichtungslagers Auschwitz Birkenau zum
Massenmord eingesetzt wurde und den IG Farben statte Profite
bescherte. Der starke Bedarf an Rohstoffen zur Kriegsführung, wie
Synthetikkautschuk und -benzin, führte 1941 zur Errichtung einer
großen Bunafabrik in Auschwitz, die von KZ Häftlingen
errichtet werden musste. Beim Bau und Betrieb dieser Profitmaschine,
die eine Fläche von ca. 30 km2 einnahm, ließen nach
Schätzungen 20.000 bis 25.000 Menschen ihr Leben. Das für das Werk
verantwortliche IG Farben Vorstandsmitglied war Fritz ter Meer, 1943
wegen seiner "Verdienste" mit dem Ritterkreuz des
Kriegsverdienstkreuzes von den Nazis geehrt, wurde am 30. Juli 1948
vom Nürnberger Kriegsverbrechertribunal im IG- Farben Prozess wegen
Versklavung und Plünderung zu sieben Jahren Haft verurteilt.

Fritz ter Meer mit seinem Führer auf der Titelseite der IG
Farben Werkzeitschrift März 1936
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Als er im Prozess befragt wurde, ob er die bekannte gewordenen
Versuchen an Menschen für gerechtfertigt gehalten habe, antwortete
er, dass dies unerheblich gewesen sei: "Den Häftlingen ist
dadurch kein besonderes Leid zugefügt worden, da man sie ohnedies
getötet hätte".
Einer der Häftlinge, dem als Zwangsarbeiter der IG Farben
"kein besonderes Leid" zugefügt wurde, weil er
"nur" die Vernichtung durch Arbeit erlebte, war Fritz
Beda Löhner, der die Texte für Operetten u.a. von Franz
Lehar und bekannte Schlager schrieb. Nach seiner Haft im KZ
Buchenwald, wo er das "Buchenwaldlied" schrieb, wurde
nach Auschwitz deportiert, wo er als Zwangsarbeiter der IG
Farben sein Leben ließ. Fritz ter Meer wurde im Sommer 1950 wegen "guter
Führung" vorzeitig aus der Haft entlassen. Er wurde
Mitglied des Aufsichtsrates des, nun wieder unter dem alten
Firmennamen Bayer entflechteten, ehemaligen IG Farben Betriebsteil
und im Jahr 1956 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Bayer AG hier
in Leverkusen. Am 21. Oktober 1967 verstarb der
Schwiegervater des späteren CDU- Schatzmeisters und
Bundestagsabgeordneten Walter Leisler Kiep. Bis heute ehrt
der Konzern ter Meer, diesen markanten Vertreter des
deutschen Kapitals, der sich voll in den Dienst der Nazis stellte.
An Allerheiligen 2005 ließ das Unternehmen am Grab in Krefeld-Uerdingen
zum wiederholten Mal einen Kranz aufstellen. Während also solcher
Mann geehrt wird und damals als Aufsichtsratsvorsitzender schalten
und walten konnte, wurde zur gleichen Zeit ein Arbeiter, ein
Kommunist, der von den Faschisten ins KZ Sachsenhausen
gesteckt wurde; der nach der Befreiung von Krieg und Faschismus im
Betriebsrat von Bayer mit anderen Kollegen bemüht war, für die
Kollegen zu wirken, der die Gewerkschaft am Ort mit aufbaute, der
Ratsmitglied und Landtagsabgeordneter war, vor Gericht gezerrt und
aus dem Betrieb entfernt.
Sein "Verbrechen": er hatte Chemiegewerkschaftler aus
der DDR eingeladen, um über gemeinsame Probleme zu sprechen. Georg
Holdenried, der Vorstandsmitglied unserer Kulturvereinigung
Leverkusen e.V. war, wurde zwar später von den Vorwürfen
freigesprochen, doch Bayer sah keinen Grund ihn zu rehabilitieren.
Wie auch, wo ein Förderer und Nutznießer des deutschen Faschismus
im Konzern das Sagen hatte? Und auch bei der Entschädigung von
Zwangsarbeitern haben sich sowohl die immer noch bestehende IG
Farben i.A., wie die aus dem aufgelösten Chemietrust wieder
erstandene Bayer AG nie von sich aus daran gedacht die Opfer ihrer
Wirtschaftsverbrechen zu entschädigen. Es bedurfte eines
langwierigen juristischen Kampfes von Opfern , wie 1951 der des Norbert
Wollheim. Wollheim, ein deutscher Jude, war 1943 aus Berlin
nach Auschwitz deportiert und zur Arbeit bei den LG Farben
gezwungen worden. Er prozessierte für eine angemessene
Entschädigungszahlung. Das Gericht entschied zu seinen Gunsten.
Daraufhin richteten die I.G.-Farben für alle ehemals beschäftigten
jüdischen KZ Häftlinge einen pauschalen Entschädigungsfonds ein,
wobei die Claims Conference mit ins Boot geholt wurde, und wo
Almosen verteilt werden sollte. Bis heute verweisen die damals zum
I.G.-Farben-Konzern gehörenden Firmen Hoechst, Bayer und BASF bei
neuen gerechtfertigten Ansprüchen auf diesen Fonds. Oder sie
erklären, dass die Bundesregierung als Rechtsnachfolger des Dritten
Reiches der eigentliche Ansprechpartner sei. Anzumerken ist, das im
Wollheim Prozess Unternehmensarchive jegliche Einsicht in Akten
verwehrten. In der "Frankfurter Allgemeine Zeitung"
vom 4. Mai 1954 findet sich folgende Notiz: "Nach den
ehemaligen Konzentrationshäftlingen Norbert Wollheim und Rudolf
Waxmann und zwei ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern hat
dieser Tage auch die Amerikanerin Ann Vollmer aus Kalifornien
eine Schadenersatzklage in Höhe von fünfhunderttausend Mark gegen
die LG. Farben in Liquidation angekündigt. In einem Gesuch an das
Frankfurter Landgericht bittet sie, ihr das Armenrecht für den
Prozess zu gewähren. Sie erklärt, dass sie vom 21. September 1943
bis zum 31. Januar 1945 bei der LG. Farben zu Versuchszwecken
missbraucht wurde." Hier wurde dann jene Taktik des
Hinhaltens angewendet, die auch in den 1990 Jahren bei der Frage der
Zwangsarbeiterentschädigung wieder angewandt wurde. Das
Armenrechtsgesuch wurde abgewiesen wegen des zu erwartenden
Abkommens zwischen der I.G. Farbenindustrie AG i.L. und der
"Claims Conference". Diese Conference on Jewish Material
Claims Against Germany, auch Jewish Claims Conference (JCC) genannt,
ist ein Zusammenschluss jüdischer Organisationen. Sie vertritt seit
ihrer Gründung 1951 Entschädigungsansprüche jüdischer Opfer des
NS-System und Holocaust-Überlebender. Schon von Beginn an wurde
kritisiert, dass der JCC vor allem die Entschädigung von Juden in
Israel sowie den USA im Auge habe. Insbesondere osteuropäische
Holocaust Überlebende würden mit wenig hilfreichen Alibiprogrammen
abgespeist und die noch lebenden Erben kämen, wenn überhaupt, nur
in den Genuss marginaler Abfindungen. Diese Kritik wurde durch die
Praxis der Zwangsarbeiterentschädigung in den 90er Jahren
untermauert. Da hatte z.B. Bayer noch nie ein Wort auf den
Aktionärsversammlungen darüber verloren, dass die fetten Profite
bei gleichzeitigem Personalabbau und Forderungen nach
Lohneinschränkungen auch aus dem Vermögen entsprungen war, was als
Grundlage für den "wirtschaftlichen Erfolg" durch
die Zwangsarbeiterschufterei in Leverkusen entstanden war.
Jegliche Ansprüche der ehemaligen Opfer wurden kategorisch
abgelehnt. Erst als international die deutschen Unternehmen in immer
größere Kritik gerieten und seit dem historische Forschungen immer
mehr Belege dafür fanden, dass die SS den Unternehmen
Zwangsarbeiter nicht aufdrängte, sondern Manager selbst in Auschwitz
nach Arbeitssklaven suchten, vernahm man von Bayer wie bei den
anderen Kriegsprofiteuren "neue Töne". Möglicherweise
fürchtete man jene Rechtsanwälte, die bereits Schweizer
Großbanken zu Entschädigungszahlungen an Holocaust Opfern zwangen.
Man fürchtete den Imageschaden im Ausland. Auch in Leverkusen
regten selber sich immer mehr Menschen, die für die Entschädigung
der ehemaligen Zwangsarbeiter eintraten. Wie am 20. Mai 2000, wo
eine Kundgebung dazu auf dem Rathausvorplatz und eine anschließende
Demonstration stattfand. Die Veranstaltung war von der
Kulturvereinigung Leverkusen e.V. mit organisiert worden und als
Redner sprach der Antifaschist Peter Gingold (VVN-BdA) und Axel
Köhler-Schnura von der Coordination gegen Bayer Gefahren.
Bereits zwei Jahre zuvor hatten 80 Teilnehmer des
"Pille-Fest", was von der Betriebszeitung der Deutschen
Kommunistischen Partei (DKP) für die Bayer-Belegschaft veranstaltet
wurde, einen "Offenen Brief" an den Vorstandsvorsitzenden
der Bayer AG, Dr. Manfred Schneider gerichtet, in dem
ebenfalls die sofortige Entschädigung der Zwangsarbeiter gefordert
wurde, der dies erneut kategorisch abgelehnt hatte. Angesichts des
immer größer werdenden Imageschadens kam es dann am 16. Februar
1999 zu einer "Gemeinsamen Erklärung" des Bundeskanzlers
und mit Unternehmen, darunter Bayer. Es ging um die Gründung einer
Stiftung für die Opfer jener Konzerne in der Nazizeit. Dort heißt
es: "Die Initiative der Unternehmen verfolgt drei Ziele:
Eine Antwort auf moralische Verantwortung deutscher Unternehmen aus
den Bereichen der Zwangsarbeiter Beschäftigung, der Arisierung und
anderen Unrechts aus der Zeit des NS-Unrechts zu geben, aus diesem
Verständnis der NS Vergangenheit humanitäre und zukunftsweisende
Projekte zufördern und dadurch eine Grundlage zu schaffen, um
Klagen, insbesondere Sammelklagen in den USA, zu begegnen und
Kampagnen gegen den Ruf unseres Landes und seiner Wirtschaft den
Boden zu entziehen." Jetzt erklärte der Konzern hier in
Leverkusen mit stolz geschwellter Brust, dass er ja zur
Entschädigung bereit sei. Es soll hier nochmals ganz klar
festgestellt werden: jahrzehntelang haben die Nachfolger der Kriegs
Profiteure sich nicht die Bohne dafür interessiert, was ihre
Arbeitssklaven, erlitten haben, jahrzehntelang hat keiner der
Konzernbosse, die ihrem verblichenen Kumpan noch heute Kränze auf
das Grab legen, den Weg zu den Gräbern der Zwangsarbeiter auf dem
Manforter Friedhof gefunden. Aus all diesen Gründen den noch
weitere angefügt werden könnten hat die Kulturvereinigung
Leverkusen e.V. beschlossen, die Rallye "Verbrechen der
Wirtschaft", die von der VVN- Bund der AntifaschistInnen
NRW ausgerufen wurde zu unterstützen und wird deshalb heute um 16
Uhr vor Tor 1 des ChemParks (Bayer) eine Erinnerungsplatte verlegt
werden (was die Stadt untersagt hat) und auf der gegenüberliegenden
Phillipp Ott-Straße eine Kundgebung durchführen (Die
durchgeführt wird). Zuvor legt sie an den Gräbern der
Zwangsarbeiter und am Gedenkstein für die Opfer des Faschismus
auf dem Manforter Friedhof Blumengebinde nieder. Nach der
Beendigung der Kundgebung findet im Hause der Kulturvereinigung
Leverkusen e.V., Am Stadtpark 68 in Leverkusen- Manfort eine
Zusammenkunft statt wo weitere Informationen zum Thema zu
erfahren sind und wo der Film "Rat der Götter"
vorgeführt wird. Dazu sind Leverkusener Bürgerinnen und Bürger
eingeladen.
Nicht nur der Opfer gedenken - auch die Täter benennen!
Quellen:
Herausgeber: Kulturvereinigung Leverkusen e.V. Am Stadtpark 68,
51373 Leverkusen
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